1. Im Eilverfahren hat die große Koalition heute ein Gesetz von grundrechtlicher Bedeutung beschlossen: den massenhaften Einsatz von Staatstrojanern. Bei einer langen Liste an Straftaten, wo bisher ein Telefon abgehört werden darf, soll die Polizei in Zukunft Smartphones und andere Geräte mit Schadsoftware infizieren können. Es gibt Argumente im Rahmen der Verbrechensbekämpfung so etwas möglich zu machen. Darüber kann man streiten. Es gibt aber keinerlei Argumente so einen für die bürgerlichen Freiheitsrechte elementaren Beschluss vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Doch genau das wurde gemacht. Um die öffentliche Debatte klein zu halten und den Bundesrat zu umgehen, hat die Große Koalition einen Verfahrenstrick angewendet. Statt eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens haben SPD und CDU den Staatstrojaner in einem ganz anderen Gesetz über das Fahrverbot als Nebenstrafe versteckt. „Praktisch ohne öffentliche Deabatte wird versucht, mit Rechtsgrundlagen für Online-Durchsuchungen und Quellen-TKÜ schwerste Grundrechtseingriffe in die Strafprozessordnung einzuführen", sagt der Präsident des deutschen Anwaltsvereins Ulrich Schellenberg.
2. Bis jetzt ist noch jede Partei vor dem Gesetz gleich. Wenn sie nicht verboten ist, kann sie von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren, sofern sie die nötigen formalen Voraussetzungen erfüllt. Doch das wird nun untergraben. Noch vor der Sommerpause soll ein bemerkenswerter Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (18/12357) durchgepeitsch werden, der von CDU/CSU- und SPD-Fraktion gemeinsam eingebracht wurde. Danach sollen Parteien, die „zielgerichtet die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen und damit der Beseitigung der Ordnung Vorschub leisten wollen, von der sie profitieren“, keine staatlichen Förderungen mehr erhalten. Gemünzt ist das auf die NPD. Die Verfassung soll also gleichsam durch die kalte Küche ausgehebelt werden. Britta Haßelmann und Renate Künast von den „Grünen“ schreiben dazu heute in der FAZ: „Aber ist gegenüber einem – bösartigen – politischen Zwerg, die Änderung der Verfassung im Hauruck-Verfahren richtig? Oder nicht besser die Niederlage an der Wahlurne mit der Folge, dass die staatliche Parteienfinanzierung schließlich entfällt?“
3. Nach einem neuen Gesetzesvorschlag, den EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici gestern vorgelegt wurde, sollen Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer verpflichtet werden, „potentiell aggressive“ Steuersparmodelle zu Gunsten ihrer Kunden an die nationalen Steuerbehörden zu melden. Ansonsten gibt es eben Strafen für die besagten Berufsgruppen. Das bedeutet praktisch die Aushebelung jeglichen Vertrauensverhältnisses zwischen einem Mandanten und seinem Anwalt oder Steuerberater. Zerstörung des Vertrauens der Bürger untereinander und Generalverdacht gegen den Bürger: Das kannte man bisher nur aus totalitären Systemen.
4. Das unsägliche Zensurgesetz des Heiko Maas, das in einer öffentlichen Anhörung von den Fachleuten als verfassungswidrig zerrissen wurde, wird auch von vielen Bundestagsabgeordneten abgelehnt. Im Zweifel werden Sie es aber dennoch unterschreiben. Alles andere ist wohl leider Mimikry. "Facebook und andere sollten nicht zu früh jubilieren, dass wir das nicht mehr hinbekommen", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) vorgestern in Berlin, "es ist der feste Wille, dass wir das umsetzen." Herr Maas braucht dringend einen Erfolg und Herr Kauder möchte sich alle Optionen offen halten. So etwas nennt man Parteien-Geschachere. Und das ist offenbar wichtiger als die Meinungsfreiheit.