Tobias Kaufmann / 01.03.2007 / 11:09 / 0 / Seite ausdrucken

Hesus von Köln

Die kleine Vorsitzende geht jetzt in die Kirche. Einmal pro Woche, im Kindergarten. Es ist, wenn wir ihren Erzählungen glauben schenken dürfen, ein etwas seltsames Gotteshaus. »Gott war nicht da«, erzählt sie. Dafür kommt ab und zu Hesus vorbei. Hesus Christus. Auch über die Weihnachtszeit hinaus befasst sich unsere Tochter intensiv mit der Biografie dieses Unbekannten. »Eines Tages, als der König Hesus Christus auf dem Spielplatz sah. Im Stall war Conni und sagt: Maria, ich hole dich ab. Dann fliegt sie weg.« Aha. Und: »Es war einmal ein Teddy. Da war Hesus Christus im Bauch. Ich erzähle euch meine Geschichte. Hesus Christus bleib doch hier.« Der kleinen Vorsitzenden ist wurscht, wie wir das verstehen. Für sie zählt, dass es in der Weihnachtsgeschichte eine Mama mit dickem Bauch gibt. Das ist die Welt, die unsere Tochter versteht.

Denn erstens hatte ihre eigene Mama im Sommer Babys im Bauch, die jetzt zu Hause strampelnd und quietschend herumliegen. Zweitens besitzt Jael eine Kassette, auf der Conni ein Brüderchen bekommt. Deshalb stopft sich auch die kleine Vorsitzende Teddys unters T-Shirt und sagt stöhnend: »Uh, ich glaube, ich muss mich etwas hinlegen.«

Als die Kirchengemeinde ein echtes Baby fürs Krippenspiel im Altenheim suchte, fiel die Wahl auf unser Zwillingsmädchen Liad. Sie spielte die Rolle in der Krippe wider Erwarten auch ausgesprochen professionell. Friedlich und festlich blinzelte sie die entzückten Senioren an, statt sich mit ihrem üblichen Gebrüll eine Sprechrolle zu erschleichen. Selbst die kleine Vorsitzende hat ihre Schwester nicht erkannt. »Guck mal, das ist Liad«, sagte Oma stolz.

Aber unsere Tochter, die Kirchgängerin, belehrte sie mit großer Geste: »Nein, so ein Quatsch! Das ist doch Hesus!«

Hesus ist ein Mädchen. Es wohnt in Köln und kann sich inzwischen alleine auf den Bauch drehen. Pupsend. Kardinal Meisner wird nicht begeistert sein. Aber wir sind ja evangelisch.

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