Vera Lengsfeld / 07.09.2017 / 11:29 / 33 / Seite ausdrucken

Eine kleine Erinnerung für Andreas Scheuer

Lieber Andreas Scheuer,

im Jahre 2014 saßen wir gemeinsam in einer Talkrunde bei Anne Will, wo Sie  in unfairer Weise lächerlich gemacht wurden, weil Sie gesagt haben, dass die deutsche Sprache zu lernen unverzichtbar für die Integration sei (Sie hatten das etwas ungeschickter ausgedrückt). Ich habe Sie damals in Schutz genommen, weil ich diese Art des Umgangs, den Renate Künast und Lamya Kaddor an den Tag legten, unerträglich fand.

Um so verwunderter bin ich, wie Sie sich Alice Weidel gegenüber in der ZDF-Sendung mit Marietta Slomka verhalten haben. In einer Konstellation, in der Frau Weidel allein gegen alle anderen Diskussionsteilnehmer, die Moderatorin und das Publikum stand, wäre Fairness das Gebot der Stunde gewesen. Dass man die nicht von Heiko Maas, Jürgen Trittin, Katja Kipping und auch nicht von Frau von der Leyen erwarten kann, war klar.

Sie hätten die Chance gehabt, ihren Wählern zu demonstrieren, dass nicht alle Politiker gleich sind. Sie haben sie nicht nur nicht genutzt, Sie haben sich in ziemlich schäbiger Weise am Weidel-Bashing beteiligt und mit Ihrer Schlussbemerkung sogar noch Heiko Maas übertroffen. Den Abgang von Frau Weidel diskreditierten sie mit dem Hinweis auf „Häppchen“, die es hinter der Bühne gebe. Da dreht sich mir der Magen um.

In meiner Schulzeit galt die Regel: Zwei auf einen ist feige. Heute wird es von Leuten, die sich den „Minderheitenschutz“ auf die Fahnen geschrieben haben, nicht nur für normal gehalten, dass es eine Konstellation „Alle gegen eine“ gibt, sondern dass in der Diskussion auch jeder Respekt vor Andersdenkenden fehlt. Sie haben dabei den Sieg errungen und sogar Maas auf den zweiten Platz verwiesen. 

Wie feige oder wie ängstlich muss man sein, wenn man in einem solchen Spiel mitwirkt? Ihr Verhalten ist eines Generalsekretärs einer Partei, in der bürgerlicher Anstand noch etwas gelten sollte, absolut unwürdig. Entschuldigen Sie sich öffentlich bei Frau Weidel!

Helmut Kohl hat mir einmal erzählt, seine Mutter habe ihm beigebracht, sich immer so zu benehmen, dass man dem Gegenüber bei der nächsten Begegnung unbefangen in die Augen sehen kann. Frau Weidel werden Sie wieder begegnen, vermutlich als Chefin einer Bundestagsfraktion, die durch Pöbeleien, wie sie in der ZDF-Sendung vorkamen, nicht schwächer, sondern stärker ausfallen wird.

Vera Lengsfeld

Siehe hierzu auch dieses Interview mit Alice Weidel in der NZZ

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Leserpost

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Wolfgang Schmid / 08.09.2017

Das alles erinnert mich an die Zeit, als die Grünen eine blutjunge Partei waren und sich bis hin zu Nazivorwürfen alles mögliche Dumme und Schlimme anhören mussten (ja - zum Teil zu Recht!). Und rund 25 Jahre später stellten sie den Vizekanzler…

Ninel Azoitei / 08.09.2017

Dear Mrs. Lengsfeld, Thank you very much for your article. As a foreigner I also experienced a bitter feeling when watching Mr. Scheuer’s “attack” against Mrs. Weidel, and as you very nicely put, nowadays it appears that all politicians/parties in Germany (on the same side of barricade against AfD) unite under the toxic flag of lowering the quality of debate, or even destroying it in its mere core (according to Mr. Maas’ new law) . I very much apreciated Mr. Scheuer for his position during the last two years, followed him on Twitter, but no more. The responsibles for bringing this country down the drains, be it refugee crisis, diesel scandal, division in the German Society, are only the politicians. But make no mistake, their names will be carved in the stone of history, the history of shame. With the best regards N.A. PS: apologize for writing my view in English; my German writing still needs improvement !  

Christina Rudloff / 08.09.2017

Danke Frau Lengsfeld,ihr Artikel spricht mir aus der Seele.

HaJo Wolf / 08.09.2017

Dass Personen wie Slomka oder Kleber sich Journalist nennen, ist eine Verunglimpfung eines Berufsstandes.

robert renk / 08.09.2017

Frau Lengsfeld hat vermutlich recht mit ihrer Annahme, dass sich der Zuschauer mit dem “Opfer” verbindet. Zumindest die Menschen die ein Gespür für Gerechtigkeit und Fairness haben. Klar ist aber auch, Höcke und Konsorten fallen der AFD immer wieder auf die Füße, eine offene Flanke für die junge Partei. Da hacken die “Krähen” gerne drauf rum. Die Taktik der “Etablierten”, die AFD und ihre Anhänger zu den Parias der deutschen Gesellschaft zu erklären wird nicht aufgehen. Neben dem Bedürfnis nach Konstanz ( siehe Phänomen Angela Merkel ) gibt es auf der anderen Seite den Wunsch nach einer echten Opposition und zwar gerne rechts der Union !

Jürgen F. Matthes / 08.09.2017

Liebe Frau Lengsfeld, Sie übersehen, daß Scheuer unter Druck steht. Seit Franz Josef Strauß gilt, dass es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf. Die CDU Vorsitzende Merkel lehnt das aber ab, wenn dabei “Prinzipien der CDU” verletzt würden. Das ist eine Absage an das geltende CSU-Prinzip. Nunmehr darf es links von der CDU keine Partei mehr geben. Diese Politik ist alternativlos. Viele konnten die Wendung der CDU nach links nicht mittragen. Um das aufgegebene Wählerspektrum kümmert sich seitdem eine alternative Partei. Der Erfolg der AFD stört die CDU offensichtlich nicht, solange noch eine relative Mehrheit für die Regierung erreicht wird. Dass eine Koalitionsregierung Rücksicht auf linke Positionen nehmen, diese gar antizipieren muss, wird hingenommen. Für die CSU in Bayern ist das unerträglich. Seit über fünfzig Jahren, bis auf eine kleine Einschränkung 2008, hat die CSU allein in Bayern regiert. Deshalb kann die CSU mit Recht darauf verweisen, dass die CSU Bayern zum erfolgreichsten Bundesland gemacht und keine andere Partei daran einen Anteil hat. Diese Vormacht ist nun in Gefahr. Durch den Politikwechsel der CDU gibt es auch in Bayern die AFD. Das macht die Attacke des Generalsekretärs der CSU verständlich und zeigt das Dilemma, in dem die CSU durch die CDU-Politik steckt.

Benjamin Beller / 07.09.2017

Ich kann dem nicht zustimmen. Ich habe die Sendung komplett gesehen. Frau Slomka, die ich nicht besonders gut leiden kann, hat sich einigermaßen moderat verhalten. Sie fiel allen ab und zu ins Wort, egal von welcher Partei, ließ aber auch jeden ausreichend Stellung nehmen. Die Stimmung kippte erst dann gegen Frau Weidel, als diese die gelungene Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt als “Einzelfälle” bezeichnete. Den Gegenwind hat sie sich redlich verdient. Bei allen Problemen in diesem Bereich, so eine Bemerkung ist diskriminierend und auch sachlich falsch bei 150.000 Flüchtlingen mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen.

Michael Jansen / 07.09.2017

Das Peinlichste kam aber erst am nächsten Tag. So gut wie alle Qualitätsmedien sowie die ÖR berichten in nahezu wortgleichen Meldungen und Kommentaren mit dem Grundtenor, der Abgang Frau Weidels sei eine vorweg geplante PR-Aktion um sich mal wieder ins Gespräch zu bringen. Dazu kommen dann Beschreibungen der Sendung, die den Schluss nahelegen, dass der Schreiber die Sendung vermutlich gar nicht gesehen hat. Da hat man mal wieder den Verdacht, dass sowohl bei der Planung der Sendung mit einer offensichtlich parteiischen Moderatorin und ebenso parteiisch ausgesuchtem Publikum plus passenden Berichten darüber seitens unserer Qualitätsjournalisten Anweisungen “von oben” vorliegen mehr oder weniger subtil die AFD zu bekämpfen. Da man die Absicht merkt dürfte dieser Schuss aber nach hinten losgehen.

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