Archi W. Bechlenberg / 16.04.2016 / 06:20 / Foto: Paul Goyette / 5 / Seite ausdrucken

Heiko. Wer ist eigentlich Heiko?

Auch wenn mich unser Bundesjustizminister Heiko Maas an einen früheren Mitschüler erinnert, der dem Mathelehrer immer die Tasche zum Lehrerzimmer trug - in Sachen Verbot von sexistischen Werbung bin ich ganz und gar auf seiner Seite. Das mag manchen erstaunen, der mich als durchweg freiheitlich gesinnten Menschen kennt, aber bei sexistischer Werbung schwillt mir nun einmal der Kamm. Ich erinnere mich gut, wie sehr mich vor allem früher, als ich noch deutsches Fernsehen schaute, die sexistische Werbung aufregte. Da war zum Beispiel dieser Spot, in dem ein glänzend gebauter Kerl in ein von Frauen belebtes Büro einen Kasten Limonade lieferte. Die Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen wurden als lüsterne Sirenen dargestellt, die beim Anblick dieses Typen jegliche Contenance verloren. Jeder mit einem sympathischen Waschbärbauch gesegnete Mann vor dem Fernseher musste doch da innerlich aufschreien! Welcher Colalieferant sieht denn bitte so aus? Der Typ könnte doch ganz andere Jobs machen, zum Beispiel Tennis- oder Skilehrer sein.

Ein glänzend gebauter Kerl liefert Limonade

Oder diese Werbung, in der man einen Mann und eine Frau auf einer Klippe sitzen sah, sie konsumierten das zu beworbene Produkt, das ich vergessen habe, und es fällt eine Sternschnuppe vom Himmel, und die Frau wünscht sich was, und der Mann stürzt daraufhin die Klippe runter. Kann man eine Frau sexistischer darstellen als so? Eine dusselig Esoterikerin, die glaubt , das Wünschen bei einer Sternschnuppe würde tatsächlich funktionieren?

Unschön in Erinnerung aus meiner Zeit als TV-Konsument ist mir auch  die "Wer ist eigentlich Paul?" Werbung, in der sich  zwei Frauen über den Lebensgefährten der einen despektierlich auslassen und ihm jegliches Recht auf eigene Meinung in ihrer Beziehung absprechen. Solche Denkmuster in einem Werbespot, nicht des 19., sondern 21. Jahrhunderts sind wahrhaft  verwerflich und müssen dringend durch Heikos heißes Bemühen ausgemerzt werden.

Das Perfide an sexistische Werbung ist, dass man sie, wenn man gewohnt lässig durchs Leben geht, gar nicht oft genug bewusst wahrnimmt. So jedenfalls geht es mir. Erst seitdem Heiko Maas das Thema ans Tageslicht geholt hat, erkenne ich, wie allgegenwärtig diese Werbestrategie eingesetzt wird. Da hängt beim Reifenhändler ein Kalender, auf dem eine spärlich gekleidete Frau einen Breit-Pneu lüsterne umarmt. Es soll sogar einen Anglerkalender geben, der Frauen mit oder ohne Badebekleidung zeigt , wie sie Fische auf dem Arm halten! Zwar ist das eher ein Fall für Peta  als für die Bundesjustiz, aber dahinter steckt doch die gleiche sexistische Denke des "Sex sells" wie in der Werbung.

Ein Möbelhersteller zeigt eine dralle Blondine

Beim morgendlichen Blättern durch die ins Haus flatternden Prospekte gehen mir - nun sensibilisiert - die Augen über. Ein Abgrund von Sexismus tut sich auf, produkt- und anbieterübergreifend. Ein Möbelhersteller zeigt eine dralle Blondine, die mit neckischer, einladender Pose vor einem Schleiflackkleiderschrank steht, so als wolle sie sagen: "Nimm mich gleich dazu, und wenn mein Mann kommt, kannst du dich hier drin sicher verstecken!" Die Frau als ewig lockendes Weib - kann ein Klischee dümmer sein?

Die selbe Blondine findet man ein paar Seiten weiter, diesmal mit geschwollen Brüsten unter knallengem, roten (sic!) Top und weit gespreizten, oberen Extremitäten. Wird hier für ein Lotterbett oder wenigstens eine Klappcouch geworben? Von wegen, die Dame preist  "Treteimer, verschiedene Größen und Farbausführungen" an. Lässt sich wie im vorigen Beispiel ja zwischen Kleiderschrank und Werbefigur noch mit etwas Fantasie ein inhaltlicher Zusammenhang erkennen, ist das Bild der Paarungsbereitschaft signalisierenden Schönheit vor den Eimern einfach nur billig konstruiert. Da würde ich den Bügeltisch noch eher verstehen, der auf einem anderen Bild zu sehen ist, aber nein, die blonde Dame steht vor Abfallbehältern!

Ein Spiegeltürenschrank in Sandeiche-Nachbildung

Nachvollziehbar erst wieder die Botschaft auf einer folgenden Seite, wo sie vor einer Bettanlage mit Spiegeltürenschrank in Sandeiche-Nachbildung zu sehen ist, die Hüfte kokett eingenickt, der rechte Finger auf den Betrachter gerichtet. Nachvollziehbar  insofern, als dass die Assoziation Blondine:Bett eher auf der Hand liegt als Blondine:Mülleimer. Aber kann man Betten alleine über sexuelle Reize verkaufen? Warum liegt nicht ein übergewichtiger, alter Mann schlafend unter der Decke? Das wäre in Bezug auf Komfort und Stabilität der Bettanlage doch weitaus aussagekräftiger.

Bewusst Werbung schauen auf der Suche nach Sexismus entwickelt sich zu einem wahren Horrortrip. Rasenmäher? Natürlich sieht man ausschließlich maskuline Colalieferanten die Geräte bedienen. Auch die Elektro-Stab-Heckenschere GTXL 912 ist fest in Männerhand. Und den Akku-Handstaubsauger erklärt der smarte Hausherr wem? Richtig, seinem Sohn. Als wäre die Handhabung eines solchen Gerätes nicht vielleicht auch der Lebensgefährtin vermittelbar!

Eine leicht bekleidete Lolita auf der Funktionsrundecke

Muss erwähnt werden, dass den in einem anderen Prospekt beworbene Gasgrill Sprit E-330 ein Mann bedient, während die Frau ihn bewundernd beobachtet? Dass auf der petrolgrünen Funktionsrundecke eine leicht bekleidete Lolita lüngelt? Dass das weibliche Kindermodel eine pinke Hose trägt und von Pastelltönen umgeben ist? Dass auf Darstellungen der Beratungstätigkeit eines Möbelhauses stets Männer die Berater  und Frauen die Beratenen sind? Dass ... nein, ich kann nicht mehr. Wohin man auch schaut, ständig wird man animiert, schmutzig zu denken.

Es reicht nicht mehr die Verbreitung von sexistischen Darstellungen in den so genannten Männermagazinen, die von der Krankenschwester bis zur reiferen Fernsehfilmmimin Frauen erniedrigt darstellen; selbst harmlos scheinende Flyer von Gartencentern, Discountern und Küchenstudios enthalten fragwürdiges, wenn nicht zu verbietendes in unvorstellbarem Ausmaß. Sexismus ist ja nicht nur die Entblößung nackter Brustmuskeln von Cola-Bringern, Sexismus ist auch die pinke Mädchenkleidung und das Paar auf dem Sofa, bei dem er ihr ein Buch zeigt und nicht sie ihm. Als ob Frauen das nicht könnten. Und am sexistischsten ist das blonde Luder vor Mülleimern, wie sie sonst nur in Peepshow-Kabinen stehen.

#Aufschrei! "HEIKO! Rette uns alle! Auf dass alles so unsexy wird, wie deine Partei!"

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Michael Scheffler / 17.04.2016

Wenn die Medienschaffenden und insbesondere Herr Böhmermann wissen wollen, was Satire ist, dann sollten sie sich diesen Beitrag an prominenter Stelle zu Hause aufhängen.

Zubanovic Dejan / 16.04.2016

Wer sagte mal, der Begriff Sexismus wird hauptsächlich eigennützig verwendet und ist der peinliche Versuch den eigenen erotischen Marktwert zu erhöhen, vornehmlich auf die hinterhältige Art, indem man alles was schöner und im Falle von Männern durchtrainierter und muskulärer ist, abwertet als Sexobjekt, was auch immer das sein möge. Richtig peinlich wird es, wenn auf meist nicht vorhandene innere Werte oder gar intellektuelle Überlegenheit verwiesen wird, die zumeist nicht in dem Maße vorhanden ist, wie es der Pseudo-Intellektuelle allen weismachen möchte. Zumeist aber leidet der Pseudo-Intellektuelle unter schweren und unheilbaren Minderwertigkeitskomplexen, die sich schmerzhaft melden, wenn er eine so banale Sache, wie einen Werbespot sieht, in dem ein Mann auftritt, wie ihn die Frauen sich ihn wünschen, er aber nie sein wird, weil eben die Komplexe dies verhindern. Ist wie mit dem Teufelskreis. Kann mir da mal jemand helfen?

Roland Schmiermund / 16.04.2016

Was genau ist nun das Problem? Haben Sie Angst, dass Sie nicht mithalten können? Ich sehe mich in meiner Sexualität nicht durch Fotos anderer Menschen bedroht. Was genau, ist das Problem schöne Körper zu sehen? Sie können sich gerne neben den Schlafzimmer ein Bilderbuch von Angela Merkel legen, wenn sie das möchten. Sie können aber auch das Konsumieren unterlassen. Sie sind ein freier Mensch, aber wenn der Staat,  -wofür er nicht da ist-, ihnen vorrauseilend die Entscheidung abnimmt, dann sind sie nicht frei. Ich empfinde als liberal-konservativer Geist die ganze Diskussion als Quatsch. Es gibt kein Handlungsbedarf. Es ist eher ein ideologisches Schlachtfeld des linken Lagers, dass seinen Mitmenschen unterstellt, sie wären im Kopf weich genug jede PR blind zu glauben. Ich weiß, dass es nicht so ist. Es gibt zwar paar Matschbirnen, die in den Blödtod rennen, aber die meisten Bürger sind souverän genug. Bin mal gespannt, wann die Geistesblitze aus dem dunkelsten Mitteralter die Geburt verbietet, immerhin ist sie sexistisch nackt. (Sarkasmus)

Peter Lange / 16.04.2016

Ja, auch interessant, dass die Werbetreibenden als die Kreativen(!!!) im Lande gelten. Wie kreativ kann das sein, wenn man Produkte mit aus Silikon zusammengeklebte Blondinen erotisch aufzuladen versucht. Oder wenn Trigema-Chef Grupp seine Trikots mit sprechenden Schimpansen bewirbt. Aber wahrscheinlich traut sich niemand, dem deutschen Superpatriarchen zu sagen, dass Schimpansenwerbung seit über 40 Jahren unlustig ist.

Silke Schneider / 16.04.2016

Die Alternative dazu, sogenannte sexistische Werbung zu ertragen, ist, leicht bekleidete Menschen in Zukunft wieder als etwas Anstößiges zu empfinden. Die Spitze einer solchen Entwicklung wäre, dass wir unsere Töchter bald nur noch in züchtiger Kleidung auf die Straße lassen. Playboy und sexuelle Emanzipation sind zwei Seiten einer Medaille, wer das übersieht, denkt kurzsichtig und ahistorisch.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Archi W. Bechlenberg / 05.03.2023 / 10:00 / 32

Comeback von „Fawlty Towers“?

Im englischen Badeort Torquay, sorgte ein gewisser Basil Fawlty als Hotelbesitzer, zuverlässig dafür, dass aus kleinstem Anlass ein größtmögliches Chaos entstehen konnte. Die Serie wurde…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 21.07.2022 / 14:00 / 21

Viva Carlos Santana!

In einer Zeit, als das Radio so gut wie nichts spielte, das uns interessierte, hörten wir im dunklen Keller die erste Platte von Carlos Santana.…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.07.2022 / 12:00 / 42

Die Gedanken sind Brei

Ich bin Passagier auf der Titanic. An Bord befinden sich eingeschleuste Piraten, im Osten hat ein riesiger Eisbär eine Insel plattgemacht. Nur die Passagiere der…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 25.04.2022 / 12:00 / 46

Nachhaltiger Montag!

Sie müssen wissen: der Begriff „Nachhaltigkeit“ in allen denkbaren Zusammenhängen ist zwischen Joshi und mir längst zu einem Running Gag geworden, und manchmal mailen wir…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.03.2022 / 10:00 / 52

Konflikte, Kasperle und Kokolores – Lauter Knall in Wuppertall 

Freund Joschi versteht es meisterhaft, Konflikten aus dem Weg zu weichen. Um nichts in der Welt wollte er mit mir essen gehen. Jedenfalls nicht dort,…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 13.03.2022 / 06:15 / 101

The lunatics are in the grass

Im Spätherbst 1972 zog ich auf einen alten Bauernhof, fernab jeglicher Hektik. Ich hatte ihn entdeckt bei einem Ausflug mit meinem ersten Motorrad, einer Dürkopp MD…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 09.01.2022 / 10:00 / 75

„O Gottogottogott!“ Donald Ducks Sprachwitz wird getilgt

So lange ich mich zurück erinnern kann, bin ich ein begeisterter Anhänger von Donald Duck. Zu meinen ersten Spielsachen in den 50er Jahren gehörte ein…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 12.12.2021 / 12:00 / 68

Handreichung für Unbotmäßige: Raymond Ungers „Impfbuch”

Spätestens jetzt, wo der Druck zunimmt (Stichwort Impfpflicht), ist es unerlässlich, umfassend informiert zu sein. Dazu sollte man „Das Impfbuch“ von Raymond Unger lesen. Wollte…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com