Thomas Rietzschel / 14.12.2015 / 09:23 / 1 / Seite ausdrucken

Haltet den Dieb!

Was war das für eine Woche, besonders zum Ende hin. In Leipzig verprügelte der harte Kern der linken Szene die Polizei; in Berlin tobte wenig später das Rumpelstilzchen aus Brüssel. Abermals bewährte sich Martin Schulz auf dem Parteitag der SPD als Einpeitscher im Kampf gegen den Rest der anders denkenden Welt, ohnehin alles „Rechtsradikale“. Kaum, dass es ihn noch hinter dem Rednerpult hielt, als er mit aufgerissenen Augen in den Saal donnerte: „Für die Feinde der Demokratie gibt es keinen Platz in der Demokratie.“

Wohl wahr! Nur wo, um alles in der Welt, will der Genosse diese Feinde ausgemacht haben? Sicher, am linken Rand rotten sie sich, wie eben in Leipzig, immer mal wieder zusammen, um den Rechtsstaat Mores zu lehren. Um diese jugendlichen Feuerköpfe aber war es dem Präsidenten des EU-Parlaments gar nicht zu tun. Die Feinde, gegen die er zur Attacke blies, sollten rechts von ihm stehen, hinter dem Fähnlein der AfD oder in den Reihen der besorgten Bürger, die es noch wagen, auf die Straße zu gehen, während die Mehrheit die Faust in der Tasche ballt.

Nun mag es da durchaus manches geben, was einen befremdlich anmuten könnte. Einzig von einem ernstzunehmenden Aufruf zur Abschaffung der Demokratie war bisher nichts zu hören. Wann hätten das die Demonstranten, die Woche für Woche in Dresden, in Plauen und anderswo auf die Straße gehen, weil sie es leid sind, sich schon wieder „durchregieren“ zu lassen, wann hätten sie der Demokratie bis dato den Krieg erklärt?

Wenn dem so wäre, wenn die demonstrierenden Bürger das Grundgesetz in Frage stellten, dann wären es an der Zeit, mit den Mitteln des Rechtsstaates gegen sie vorzugehen und ihre Aufmärsche zu verbieten. Dazu gibt es offensichtlich keine Handhabe. Auch Martin Schulz konnte hier keine sachdienlichen Hinweise geben. Statt stichhaltige Belege für die Bedrohung der demokratischen Verhältnisse von rechts zu liefern, überschlug er sich emotional.

Wut und Angst brachen aus ihm heraus - die Angst vor einer Opposition, die den Machtverwöhnten gefährlich zu werden droht, nicht weil sie gegen die Demokratie mobil macht, sondern weil sie sich im Gegenteil auf deren Möglichkeiten besinnt, wieder die Rechte wahrnehmen will, die dem Bürger in der Demokratie und nur in ihr zustehen. Dass sie damit mehr verlangen, als Martin Schulz und seinesgleichen dem Volk zugestehen wollen, liegt mittlerweile auf der Hand.

Nicht zuletzt die unkontrollierten Ausfälle des politischen Establishments gegen das „Pack“ bringen an den Tag, worum es den Demokratie-Verwaltern in Wahrheit geht. Mit nichts machen sie sich so verdächtig wie mit der vulgären Verleumdung des politischen Gegners. Sie müssen ihn moralisch herabsetzen, weil sie sich gar nicht mehr vorstellen können, dass nicht jeder in ihr Horn blasen und akzeptieren muss, worauf sie die eigene Existenz gegründet haben.

Der Anspruch auf die Wahrheit und die daraus abgeleitete Macht sind zum Vorrecht einer politischen Klasse geworden, die sich daran gewöhnt hat, die Demokratie unter sich, unter Roten, Grünen und Schwarzen, aufzuteilen, auch materiell aus ihr herauszuholen, was sie hergibt. Sobald neue politische Kräfte auftreten, die ein Stück des Kuchens für sich beanspruchen könnten, wird Zeter und Mordio geschrien.

Und niemand sage jetzt, dass diese Erklärung zu banal sei, der Würde der Demokratie unangemessen. Sie ist die einzig nachprüfbare in den Zeiten des kommerzialisierten Politikbetriebes. Schließlich sind die etablierten Parteien längst zu Wirtschaftsunternehmen mutiert, die sehen müssen, wie sie sich über Wasser halten. Ihre Angestellten haben viel zu verlieren. Martin Schulz allein über 100.000 Euro Tagegeld jährlich, steuerfrei.

Dass das kein Zustand auf Dauer sein kann, dass die parteipolitisch geplünderte Demokratie nur noch ein Schatten dessen ist, was sich die Väter des Grundgesetzes einst vorstellten, scheinen immer mehr Bürger zu erkennen. Der Unmut wächst unter der Hand. Die Suche nach Alternativen zur Kumpanei des Parteienstaates hat begonnen. Nicht einmal die politische Elite kann davor länger noch die Augen verschließen.

Der Schreck ist ihr sichtlich in die Knochen gefahren. Die Einpeitscher haben Posten bezogen. Eher schlecht als recht versuchen sie sich gegen die Entwicklung zu stemmen. Mit ihrer Verdächtigung der aufkeimenden Opposition von unten erinnern sie fatal an die armen Teufel, die in eine Bank eindringen und sich die Taschen vollstopfen, um dann draußen auf der Straße in die Menge zu zeigen und „Haltet den Dieb!“ zu rufen.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ingbert Bauer / 14.12.2015

Ach ja, der “Schreck ist ihr sichtlich in die Knochen gefahren”. Glaube ich nicht. Die AFD versucht man derzeit über die Änderung der Parteifinanzierungsvorschriften zu erledigen, was gute Chancen hat. Sollte das nicht klappen, können die herrschenden Parteien im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat (vgl. Art. 79 II GG) locker die Vorschriften über Parteiverbote ändern. Derlei ist Z.Zt. in Art. 21 II GG geregelt, der lautet: “Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.” Ich würde z.B. folgende neue Formulierung vorschlagen: “Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden oder die sich gegen die Gedanken der europäischen Einigung, der Völkerverständigung, des Rechtes auf Freizügigkeit aller Menschen, der Gleichheit aller Geschlechter, der Inklusion von Minderheiten sowie des Klimaschutzes wenden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet der Bundestag mit einer Mehrheit von 2/3 seiner Mitglieder. Verfassungswidrige Parteien in diesem Sinne sind nach der Entscheidung des Bundestages verboten” Eventuell müsste man sich Gedanken darüber machen, ob man im Hinblick auf Art. 19 IV GG einen Rechtsweg eröffnet z.B. zum Bundesverfassungsgericht. Dann würde ich oben aber noch anfügen: “Ein Verfahren nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (einstweilige Anordnung) ist ausgeschlossen.” Dann kann man -schwupp- die AFD oder ähnlich missliebige Parteien verbieten, und bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache (das dauert Jahre) deren Strukturen zerschlagen. Eine alternative Lösung wäre natürlich, die Möglichkeit von Parteiverboten “nach Brüssel” zu übertragen, z.B. auf die europäische Kommission. Sinnig für ein Verbot “europafeindlicher” Parteien, hihihi. Oder unterhalb der Ebene des Verbotes (eine recht aufsehenerregende Maßnahme, die öffentliches Murren hervorrufen könnte): Man lässt die AFD offiziell vom Verfassungsschutz beobachten. Dazu genügt eine Anweisung der jeweils zuständigen Innenminister. Da viele Funktionäre dieser (wie anderer Parteien) Beamte sind, kann man diese anschließend mit Disziplinarverfahren unter Hinweis auf die Tätigkeit in einer vom VS beobachteten Partei überziehen, sonstige Arbeitnehmer kann man über deren Arbeitgeber unter Druck setzen, Selbstständige werden von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. So hat man die Republikaner kleingekriegt. Diese Lösung scheint man derzeit beim Bundesjustizministerium und in einigen Länderinnenministerien zu erwägen. Die ganzen geschilderten Maßnahmen können natürlich durch intensive Medienpropaganda und sonstige Maßnahmen “breiter Bündnisse” der “Zivilgesellschaft” flankiert werden: Kontos kündigen, keine Hotelübernachtungen mehr für Mitglieder, Hausverbot in Supermarkt und Gaststätte etc. pp. Das ist alles erprobte Praxis im “Kampf gegen Rechts”. Wenn das immer noch nicht reicht, stehen ja die vom Autor so nett als “jugendliche Feuerköpfe” titulierten, staatlich alimentierten schwarzuniformierten Bürgerkriegstruppen zur Verfügung, die schon jetzt die Teilnahme an allen nichtlinken öffentlichen Versammlungen zum unvergesslichen Abenteuer machen. Mag schon sein, dass angesichts der Verhältnisse eine Mehrheit “die Faust in der Tasche ballt”.  Nur ist das halt die sagenhafte “schweigende Mehrheit” für die sich noch nie irgendjemand interessiert hat und die wirkungslos bleiben wird, solange niemand ihre Stimmung aufnimmt, verstärkt, kanalisiert und damit politisch wirksam macht. Nein, würde ich zur “politischen Klasse” gehören, mir wäre nicht bange. Wieso auch, bei derart vielen Handlungsoptionen? Der oft anklingende Vergleich zum Ende der DDR geht fehl. Damals waren es die westlichen Medien, die den Volkszorn gebündelt und in das Volk zurück gespiegelt haben. Wo die Medien heute stehen, brauche ich ja wohl nicht zu erläutern.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 13.03.2023 / 11:00 / 17

Pazifistische Kriegsführung mit Erfolgsgarantie

Dass unsere Panzer eher zufällig als zuverlässig anspringen, dass sie kaum Munition haben, die sie verschießen könnten – alles nicht so schlimm, lässt sich der Feind…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com