Wolfram Weimer / 30.05.2019 / 06:25 / Foto: rawpic@protonmail.com / 124 / Seite ausdrucken

Habeck als grün-rot-roter Kanzler?

Robert Habeck ist ab sofort ein Kanzlerkandidat. Das Wort ist ihm selbst noch unheimlich. Doch die Kraftfelder der Republik haben sich so verschoben, dass eine neue Hierarchie des Politischen formiert wird. Nicht erst mit dieser Europawahl vollzieht sich ein historischer Stabwechsel: Die Grünen sind dabei, die SPD als Volkspartei der linken Mitte abzulösen. Für die SPD gerät die Ausrufung eines Kanzlerkandidaten mit 15 Prozent Wählerzustimmung zusehends zur Groteske. Für die Grünen dagegen wird es von einem gewagten Gedankenspiel langsam zur ernsten Option.

Die Vorstellung eines Kanzlerkandidaten Habeck wächst deswegen zur Realitätsreife, weil der Grünen-Chef hohe Popularitätswerte hat und als klare Gegenfigur zum versteift Großkoalitionären wahrgenommen wird. Vor allem aber gibt es plötzlich eine echte, wenn auch noch ungewohnte Machtoption: Grün-Rot-Rot. Ein grüner Kanzler Habeck könnte nach der kommenden Bundestagswahl eine Regierung aus Grünen, SPD und Linken formieren. Und so formuliert Habeck zunehmend staatsmännisch. “Wir wissen, dass wir mit dem Ergebnis den Auftrag bekommen haben, eine orientierungsgebende Kraft zu sein”, verkündet er und stellt fest: “Wir sind ins Zentrum der politischen Debatte eingerückt.”

Für die neue Option gibt es auch schon ein griffiges Kürzel in linken Kreisen: “GR2”. Bislang war der Vereinigungstraum zum Linksbündnis Rot-Rot-Grün, kurz R2G, genannt worden. Seit Jahren treffen sich Vertreter der drei Parteien, um darüber zu diskutieren. Bei den Enteignungsideen von Kevin Kühnert gab es bemerkenswerten Applaus von Spitzengrünen. Für die Linksbündnis-Befürworter in den drei Parteien ist darum die Koalitionsbildung in Bremen von symbolischer Bedeutung.

Auch auf Bundesebene gibt es gute Beziehungen von Grünen-Chefin Annalena Baerbock zur Linken-Chefin Katja Kipping. Zudem ist durch den Rückzug von Sahra Wagenknecht dort das Interesse an einem regierungsfähigen Linksbündnis gewachsen. Der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, ist zwar noch skeptisch, macht sich aber bereits laute Gedanken um GR2 unter einem Bundeskanzler Habeck. Er glaube nicht, dass die Werte der Grünen im regulären Bundestagswahljahr 2021 noch so gut sein werden, dass es zu dieser Option wirklich kommt. Doch mit jeder Wahl und jeder Umfrage, in denen die Grünen stark bleiben, wird es wahrscheinlicher.

Debatte könnte bürgerliche Neuwähler der Grünen verschrecken

Die GR2-Perspektive hat allerdings auch Tücken für die Grünen. Robert Habeck flirtet zuweilen mit der Arroganz und ein Kanzlerkandidaten-Mäntelchen könnte ihn als vollends abgehoben wirken lassen. Er weist darum am Tag nach der Europawahl die Frage nach der Kanzlerkandidatur weit von sich – sie sei “überflüssig”. Das tut Habeck auch deswegen, weil er mit dem Moment, da die Grünen als mögliche Kanzlerpartei wahrgenommen würden, ihren oppositionellen Wünsch-Dir-Was-Weltverbesserer-Wohlfühl-Bonus verlören. Dann wüchsen auch die Erwartungen: Was kostet die grüne Rettung des Klimas wirklich? Wer müsste die Zeche zahlen? Wie hoch können Strompreise für eine Energiewende noch steigen? Findet eine Offen-Tor-Migration wirklich Akzeptanz? Was bedeutet das für die innere Sicherheit, für Identität und politische Stabilität im Land? Je konkreter die Grünen ihre Projekte durchdeklinieren müssten, desto mehr Interessen würden sie verletzen. Allein die aufkommende Debatte um GR2 könnte bürgerliche Neuwähler der Grünen rasch wieder verschrecken.

Die zweite Problematik für die Grünen besteht darin, dass sie für eine Kanzlerkandidatur ihre Doppelspitze auflösen und eine machtpolitische Entscheidung fällen müssen, also gegen Annalena Baerbock und für Robert Habeck.

Das größte Problem bei GR2 ist jedoch die SPD. Die stolze Sozialdemokratie müsste sich in die Rolle eines Juniorpartners fügen. Allerdings hat sie das bereits bei Landesregierungen in Baden-Württemberg (unter grüner Führung) und Thüringen (unter Linken-Führung) akzeptiert. Und einen besseren Kandidaten als Habeck hat die SPD derzeit nicht. Olaf Scholz ist zu introvertiert, Kevin Kühnert zu links, Malu Dreyer zu pfälzisch, Stephan Weil zu spröde, Martin Schulz wie Sigmar Gabriel zu gestrig – und Andrea Nahles ist am Ende.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

Foto: rawpic@protonmail.com CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Fridolin Kiesewetter / 30.05.2019

Habek Kanzler? Das ist ja schon rein logisch gar nicht möglich. Wer Kanzler werden will, muß schwören, seine Kraft dem Wohl des Deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Ich frage: Wie kann man auf etwas einen Eid ablegen, von dem man überzeugt ist und öffentlich bekennt, daß es das nicht gibt?

P. F. Hilker / 30.05.2019

In den letzten Jahren der Kanzlerschaft Merkels liegt eine bleierne Schwere über diesem Land. Ähnlich wie die Geisslerzüge im Mittelalter ziehen Horden von Jugendlichen mit ihren grünen Untergangspropheten durch die Städte. Der Staat zeigt sich wehrlos und lässt die kleinen Rechtsbrecher gewähren. Die Regierenden fördern sogar dieses seltsame Treiben noch. Innovation wird im Keim erstickt, eine florierende Industrie wird sukzessiv kaputt gemacht. Ein ganzes Volk bettelt um eine neue Steuer um sich selbst zu kasteien. Kommt mal leise Kritik auf, wird sie nur seicht vorgetragen oder sogleich wieder zurückgenommen, mit dem Hinweis, man ist falsch verstanden worden. Andere Länder lachen über Deutschland und seine dumme Energiepolitik, die alles Andere unter sich begräbt.

F. Jung / 30.05.2019

Der Endsieg war irgendwann in der deutschen Geschichte auch noch “fünf nach zwölf” möglich, meinten Manche.  Der Sieg der Grünen über die Physik, die Chemie und über die Marktwirtschaft ist dagegen unausweichlich. ......  Noch Fragen ?  Habeck for Kanzler, also for President , and for the future for the Holy Ghost .........  ;-

Petra Wilhelmi / 30.05.2019

Nun macht schon. Habeck for ever. Dann ist schnell Schluss und Deutschland tot. Besser ein Ende in Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Nach diesem linksgrünen Spuk können ernsthaftere Menschen das Land aufbauen und es wieder zu einem lebenswerten Ort formen. Ich erinnere hier noch ganz schnell an Gysi, den großen Schwätzer. Der hatte es doch in Berlin auch mit einem Amt versucht und ist ganz schnell wieder abgehauen, weil Arbeit so nicht sein Ding war.

Th. Wagner / 30.05.2019

Da wird dann der Alptraum Realität. Die Vision von Greta Thumberg rückt zum Greifen nah. Wenn dann das aus moslemischer Sicht erfolgreiche Konzept der iranischen Revolution verfolgt wird, kommt zuerst die G2R-Regierung, dann kommen die neuen Multikulti-Menschen. Und schwups an der Macht verwandeln sie die Gesellschaft in eine Islamische Republik (wie der Iran heute). Die Deutschen werden dann wieder zuschauen, wie vor 86 Jahren und hoffen es wird nicht so schlimm. Damals gab es die führenden und erfindungsreichen Köpfe hier. Heute kann in D kaum noch etwas erfunden werden, die Verwaltung und die Vorschiftenproduzenten haben ganze Arbeit geleistet. Jede Innovation wird unterdrückt bzw. erstickt oder ist mit immensen Genehmigungskosten verbunden. Und große Firmen waren selten in der Lage Großes zu leisten. In großem Firmen wird verbessert und optimiert.

B. Jacob / 30.05.2019

Statt notwendige Debatten zu führen über das für und wieder, gerade weil ein gespaltenes Deutschland unterschiedliche Erfahrungen gemacht hat, siegt der Kampf über die Überlegenheit Arroganz ? Wenn Deutschland das so will nach all den Warnungen, eine rot grüne Diktatur, wird man dieses Lehrgeld der Unfreiheit und Unterdrückung bezahlen müssen. Nur die DDR war gegen die neue Diktatur ein Zuckerschlecken, weil nach all den Zeiten der Aufklärung und Befreiungskämpfe für den fundamentalen mittelalterlichen Islam im Eroberungsstil alle freiheitlichen Werte und hart erkämpften humanitären Werte den Bach runter gehen werden. Selbst Muslime die Aufklärung anstreben, werden mitten in Deutschland mit dem Tode bedroht. Die Grünen Traumtänzer mit Abzocker Manier haben so viel Heu angesammelt, die werden wenn Deutschland für ihre Ideologie brennt, sich schleunigst aus dem Staub machen. Ich bin müde, ich empfinde große Trauer, dass Deutschland sich derart ruinieren lässt.

Jochen Brühl / 30.05.2019

Die Grünen werden da nicht bleiben, wo sie jetzt stehen, da mehr Medienpropaganda zu ihren Gunsten nicht geht. Sie werden auch die Rechnung verlieren, so viele Migrationswähler heranzuzüchten, um die angestammte Bevölkerung um ihre souveräne Wahlentscheidung zu bringen. Letzteres wird zwar eintreten, aber nicht zugunsten der feministischen, gendergerechten Grünen, sondern zugunsten der BIG, einer Partei Erdogans und der Muslimbrüder. Ich schaue dann sehr interessiert bei der Koalisationsbildung zu, ob das dann mit den Grünen und der BIG gut funktioniert oder eher zwischen AFD und BIG. Auf den Aufschrei bin ich sehr gespannt. Das wird dann ein sehr lustiger Abend für mich.

Detlef Fiedler / 30.05.2019

Hallo Herr Weimer. Alleine schon deshalb, weil der Parteivorsitzende der Grünen und Literaturwissenschaftler Habeck hier doch tatsächlich zum Gegenstand einer ernsthaften Diskussion um die Kanzlerschaft geworden ist, kann man getrost alle Hoffnungen fahren lassen. Wer mit dem Begriff Deutschland nichts anzufangen weiss, Vaterlandsliebe stets “zum kotzen” fand und sich offenbar besonders cool vorkommt, nur weil er, mit offenem Hemd und unrasiert, philosophierend durch die Gegend läuft, wird in Erwägung gezogen? Weil allein schon eine vermeintliche Lässigkeit, neben einer gewissen Popularität, als Gegenentwurf zu den versteiften Grosskoalitionären ausreichen soll? Ach, und sonst noch? Das reicht dann schon für Kanzler? Sollte es tatsächlich einmal soweit kommen, dann heisst es für dieses Land “Helm ab zum Gebet”. Durch die FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda hängt Deutschland bereits auf der Kante. Durch einen Kanzler Habeck würde es unrettbar darüber hinweg rutschen.

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