Wolfgang Röhl / 19.06.2008 / 10:15 / 0 / Seite ausdrucken

Gutes Fernsehen muss nicht teuer sein. Ein Rabattvorschlag

Fußball-Zeit ist auch die große Zeit der Wiederholungen. Ob ARD oder ZDF - wer gerade keine Balltreterei sendet, lässt olle Kamellen, verstaubtes Zeug, zigmal Durchgenudeltes laufen. Denn wahrscheinlich guckt wieder kaum ein Schwein. Gestern brachte das ZDF einmal mehr eine Folge meiner Lieblingsdauerwerbesendung „Das Traumschiff“. Titel: „Tasmanien“. Sie stammt aus dem Jahr des Herrn 1995. Wie sie einen doch zum Träumen bringen kann! So billig und dabei auch noch preiswert kann Fernsehen sein…

Die Serie, vor 100 Jahren vom genialen „Schwarzwaldklinik“-Schöpfer Wolfgang Rademann erfunden, bietet eine deutsche Form von Glamour für ganz kleines Geld. Der Hauptdrehort auf der „Deutschland“ ist gratis, ebenso Kost und Logis für alle Schauspieler und Fernsehleute. Den so genannten Landteil jeder Folge kriegt der Sender meist ebenfalls geschenkt, da die Fremdenverkehrsämter in den Ländern, die das Traumschiff ansteuert, rote Teppiche für das ZDF ausrollen -  bessere Werbung gibt´s ja gar nicht. Und damit nicht einmal die Transportkosten ins Gewicht fallen, machen die TV-Leute Deals mit Fluggesellschaften. Gestern flog die Qantas dermaßen aufdringlich durchs Bild, dass zum perfekten Product placement nur noch deren eingeblendete Homepage fehlte.

Überhaupt, was kostet Fernsehen schon groß? Talkshows, Konzerte, Casting-Quatsch und Quiz sind billigstmögliche Formate. Fernsehspiele und Serien kommen etwas teurer. Wenn man aber kalkuliert, dass sie unablässig wiederholt werden, sind die Produktionskosten marginal. Manche Tatorte wurden schon 30 Mal und öfter ausgestrahlt. Das Traumschiff, so wird Rademann nicht müde zu betonen, ist die preiswerteste ZDF-Produktion überhaupt, gemessen an Quoten und Wiederholungen. Nur im Fernsehen, dieser Wiederaufbereitungsanlage für bewegten Bildermüll, ist so etwas möglich. Man stelle sich vor, in der Stern-Konferenz würden sie beschließen, die besten Fotos der vergangenen Jahre oder die einfühlsamsten Interviews einfach noch mal zu drucken! Und noch mal, und noch mal. Die Leser würden darüber gnadenlos am Kiosk abstimmen.

Und sonst? Das tägliche Verlautbarungsfernsehen in den Nachrichtenmagazinen ist ebenfalls so gut wie gratis. Politiker und Funktionäre würden notfalls auf eigene Kosten zu den Sendern reisen, um in die Glotze zu kommen. Okay, es gibt ein paar gute Verbrauchermagazine. Die kosten etwas Geld. Auch ein paar Korrespondenten müssen bezahlt werden, manche sind sogar ihr Gehalt wert. Am teuersten sind die Rechte für große Sportereignisse. Den Rest der Sendezeit füllt man mit billig im Ausland eingekauftem Tand. Ganz spät hocken sowieso nur noch ein paar Pappnasen vor künstlichen Kaminen, halten ihre Bücher in die Kamera und schwafeln über den Körper als Waffe oder das Ende der Postmoderne. Kostet bloß Strom.

Vorschlag, um Dampf aus dem gegenwärtigen Streit über die öffentlich-rechtliche Internetoffensive zu nehmen: die Staatsfunker kalkulieren ihr Budget mal ernsthaft durch. Schmeißen alle vor die Tür, die nicht in der Produktion tätig sind. All die politischen Aufpasser, Bedenkenträger, Gremienfuzzis, Bremser, Kirchenmänner, Ethikwächter, Frauenbeauftraten usw., die unablässig tagen, palavern, Spesen und Aufwandsentschädigungen verbraten und nichts, gar nichts Positives zum Programm beisteuern. Letzteres wird radikal verkürzt und beginnt erst um achtzehn Uhr. Niemand im Sendegebiet braucht ja den Cherno vom Frühstücksfernsehen oder „Wege zum Glück“.  Die Sender könnten dann wahrscheinlich mit zehn Prozent der sieben Milliarden Mark auskommen, die sie derzeit zwangserheben.

Wenn sie uns Gebührenzahlern dann auch nur zehn Prozent der gegenwärtigen TV-Gebühr abknöpfen, können sie mit dem Geld machen, was sie wollen. Sogar nach Herzenslust im Internet herum fuhrwerken. Ach, könnte das schön sein.

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