Dirk Maxeiner / 04.12.2017 / 06:20 / Foto: Pixabay / 27 / Seite ausdrucken

Grüne und AfD Seite an Seite

Die Grünen wollen in dieser Woche im Bundestag einen Antrag für einen möglichst schnellen und möglichst vollständigen Glyphosat-Ausstieg einbringen. Nachdem das Pflanzenschutzmittel in der EU für weitere fünf Jahre zugelassen worden ist, will man nun den Einsatz auf nationaler Ebene verbieten oder zumindest beschränken.

Dabei formiert sich eine aufschlussreiche Querfront. Wenn es um die Verwirklichung ihrer ideologischen Ziele geht, sind den Grünen plötzlich offenbar auch die Stimmen der AfD recht. Zumal die ideologischen Ziele an diesem Punkt übereinstimmen.

AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel erklärte:

„Unzählige Studien haben auf die erheblichen Risiken des Einsatzes von Glyphosat für den Menschen, Nutz- und Wildtiere hingewiesen. Wissenschaftler machen den Unkrautvernichter mitverantwortlich für Mutationen bei Tieren und schließen Erbgutveränderungen sogar bei Menschen nicht aus. Für die Landwirtschaft muss an einer Alternative zu Glyphosat geforscht werden. Wir können nicht weiter tatenlos zusehen, wie auf Kosten der Gesundheit unserer Bürger skrupellos die Interessen von Chemiekonzernen vertreten werden. Damit ist auch unseren Bauern in Deutschland nicht geholfen.“

Die AfD-Erzählung von den skrupellosen Chemiekonzernen entstammt so ziemlich wörtlich dem grünen Liedgut. Die Berliner taz, traditionell mit guten Verbindungen zu den Grünen, schreibt dazu:

Dass ihr Antrag möglicherweise nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen könnte, finden die Grünen zwar unerfreulich, heißt es aus der Fraktion. Im Zweifel lieber auf die Einbringung verzichten wolle man aber nicht“.

Warum geht das so nahtlos zusammen? Da wäre zunächst einmal der deutsche Hang zum Totalen. Grenzwert null. Null Gift. Null Risiko. Kategorien wie Kompromiss oder das geringere Übel gibt es in diesem Weltbild nicht. Auch der Gedanke, dass das Gegenteil von schlecht nicht unbedingt gut ist, sondern auch noch schlechter sein kann, widerspricht dem geistig-moralischen Reinheitsgebot.

Sünde gegen Gott oder die Natur

Für den Konservativen ist moderner Pflanzenschutz und Grüne Gentechnik ein Frevel gegen Gottes Schöpfungsplan, für den Grünen wider die Natur. Das Zueinanderfinden der beiden Milieus ist im Grunde eine späte Heimholung. Der Abgeordnete Herbert Gruhl verließ 1978 frustriert die CDU und wurde zu einem der Gründerväter der grünen Partei. Keine seiner düsteren Prognosen traf ein. Doch sie prägten das Lebensgefühl vieler Menschen in Deutschland.

Das Bionade-Biedermeier gedeiht überall dort, wo bevorzugte materielle Bedingungen herrschen und ein Fipronil-Ei die größtmögliche existenzielle Bedrohung darstellt. Der Zeitgeist ist gekennzeichnet durch niedrige Erwartungen an die Zukunft, stetige Betonung der Grenzen des Machbaren, Idealisierung der Natur, Misstrauen gegen die Freiheit, die Marktwirtschaft und den technischen Fortschritt. Die geistige Landschaft des Bionade-Biedermeier ist ebenso von Verboten durchzogen wie die kleinkarierte Idylle der Adenauerzeit.

Der Untergang steht immer unmittelbar bevor, es ist stets fünf vor zwölf. Totales Umsteuern ist das Mindeste, was geschehen muss, und zwar sofort. Es gibt kein Innehalten, keine Reflexion, nur das anschwellende Sirenengeheul des Großalarms.

Die grüne Gentechnik und die Chemieindustrie werden mit Argwohn betrachtet. Es gilt als ausgemacht, dass der technische Fortschritt das größte Risiko unserer Zeit darstellt und den Planeten zerstört. Wer an diesem Paradigma zweifelt, gilt als Vertreter des „Machbarkeitswahns“, einer vergangenen Geisteshaltung, die vom Untergang der Titanic bis zum Atomunfall von Fukushima nichts als Not und Zerstörung gebracht habe.

Mutter Natur als moralische Leitgröße

Der liebenswerte Antagonist der Technik ist die Natur. Was aus der Natur stammt, wird als rein und ungefährlich betrachtet. Man soll sich die Natur zum Vorbild nehmen. Naturstoffe, Naturmedizin und natürliche Nahrungsmittel gelten als ganz besonders wertvoll. Oder auch „natürliche“ Gifte wie das hochproblematische Schwermetall Kupfer, das in der Biolandwirtschaft in großem Stil eingesetzt wird (siehe dazu Ulli Kulkes Beitrag „ Biobauern verwenden die stärkeren Gifte“).

Die Vereinigung der grünen Anstandstanten mit dem traditionell konservativen Milieu ist seit längerem in vollem Gange. Man sieht sich beim Kauf der Bio-Brötchen, beim Feng-Shui-Kurs in der Volkshochschule und beim Homöopathen. Die Öko-Bewegten der 80er Jahre stehen kurz vor ihrer Frühpensionierung und wollen in Ruhe in ihrem Manufactum-Katalog blättern.

Der feste Glaube daran, dass es der Umwelt noch nie so schlecht ging wie heute, gehört zum Glaubensbekenntnis dieser Klientel. Dabei ist genau das Gegenteil richtig: Nirgends war Umweltpolitik so schnell so erfolgreich wie im deutschsprachigen Raum. Luft und Wasser sind weitaus sauberer als zu Urgroßmutters Zeiten.

Die Schadstoffablagerungen im menschlichen Körper nehmen seit Jahrzehnten ab. Der Wald wächst und nimmt mehr Fläche ein als vor 100 oder 200 Jahren. Dutzende verloren geglaubte Tierarten kehrten zurück. Die Zahl der geschützten Naturgebiete hat sich vervielfacht. Dies wäre eigentlich ein Grund, stolz auf diese Erfolge zu sein. Doch stattdessen werden immer neue Gefahren hochgejubelt.

Der AfD-Vordenker Götz Kubitschek mag das als Person veranschaulichen, wenn er Besucher in seine bodenverbundene Ökohof-Idylle bittet. Mariam Lau schreibt in DIE ZEIT:

Das Vertraute ist die Kombination aus trotziger ländlicher Selbstversorgung, einer großen Bibliothek und aktivem, wenn möglich herrschaftsgefährdendem politischem Protest: jeder, der in den achtziger Jahren in bestimmten Häusern im Wendland gewesen ist, erkennt es wieder.“

Lesen Sie auch den gleichzeitig mit diesem Beitrag veröffentlichten Text von Ulli Kulke: Biobauern verwenden die stärkeren Gifte

Und diesen Beitrag zum ideengeschichtlichen Hintergrund: Finis Germania trifft Finis Klima

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Armin Wacker / 04.12.2017

Gebe Herrn Maxeiner völlig recht. Habe gestern Abend einen Dokumentarfilm über den Neckar angesehen. Klar sind wir mit dem Nekar ökonomisch umgegangen, aber er war noch nie so sauber wie heute. Wir brauchen unsere konventionelle Landwirtschaft, weil eine Biolandschaft die doppelte Fläche benötigt. Also nahezu kein geschützter Bereich für die Natur mehr. Ein Vogelforscher sagte jüngst, wenn wir das Geld für den Naturpark Nordschwarzwald in sinnvolle Wiesenbegrenzungen gesteckt hätten, wäre den Vögeln viel mehr gedient gewesen. Brauchen wir im Nordschwarzwald wirklich Windräder? Jetzt noch das E Auto, ohne zu klären, ob die Rohstoffe für die Batterien reichen? Ja und dann die Gesundheit des Menschen, auch so ein Ding. Wir werden im Schnitt doch alle älter, trotz der Umweltgifte. Sterben die Bienen wirklich an den Herbiziden oder eher an den Pestiziden? Fragen über Fragen, nur einige wissen scheinbar alles.

Dr. Ralph Buitoni / 04.12.2017

Mein Gott, Herr Maxeiner, geht´s nicht ne Nummer kleiner?

Aljosha Klein / 04.12.2017

Ich hatte eigentlich erwartet die CDU würde sich die opportunistische Blösse geben die zuvor verteufelte Alternative als bettgespielin vorzuschlagen um doch noch irgendwie Merkel VI zu realisieren. Das nun die allseits unbeliebte Öko-Sekte die Krokodilstränen des kürzlichen Jamaika-Aus beiseite gewischt und begriffen hat das die AFD jede Menge Stimmen hat - das spricht Bände über die moralische Verkommenheit des ganzen Systems. Frei nach dem Motto: Alles tun und sagen um sich an die Macht zu bekommem auch wenn es bedeutet mit der afd in die kiste zu steigen und vornherein klarzustellen. In diesem Bundestag wird es keine Glaubwürdigkeit oder Integrität geben…wie bisher auch.

Andreas Balmert / 04.12.2017

Ich bin etwas ratos. Welche Aussage möchte dieser Artikel denn nun transportieren? Vergiften kann so schön sein, weil man ja nichts davon merkt?

Herbert Dietl / 04.12.2017

Ich gehe davon aus, dass hier eine Zwickmühle von der AfD fúr die Grünen aufgebaut wird. So viel Irrationalität von Weidel in der Causa Glyphosat will ich (noch) nicht glauben.

Andreas Rochow / 04.12.2017

Das Fatale ist, dass nicht derjenige obsiegt, der die Fakten und die Wissenschaft auf seiner Seite hat, sondern derjenige, der am lautesten schreit. (nach Stanislaw Lem)

Stefan Knoche / 04.12.2017

Wo hat Frau Weidel bloß diesen Unfug her, abgeschrieben bei Greenpeace oder BUND? Allerdings das mit den Mutationen, das hatte ich bisher noch nicht gehört - aber man lernt ja im Wissensgebiet “Weltuntergang” täglich dazu! Diese Aussagen wecken in mir den Verdacht, daß Frau Weidel doch dem linken Flügel ihrer Partei angehört - also dem, der im veröffentlichten Volks(Bild/FAZ)mund gerne “rechts” genannt wird. Hatte sie sich nicht vor der Wahl als “libertär” bezeichnet? Dazu würde allerdings Nachsorge- statt Vorsorgeprinzip gehören. Also bitte, Frau Weidel, wo stehen Sie denn nun? Aber wenn wir schon bei Verschwörungen der pööhsen Chemieindustrie sind: Man könnte natürlich auch darüber nachdenken, warum die Diskussion gerade jetzt aufkommt, wo der Patentschutz für Glyphosat ausgelaufen ist—und deswegen billigere Konkurrenzprodukte auf den Markt kommen. Sollten unsere Umweltfreunde gerade den “nützlichen Idioten” geben?

Werner Arning / 04.12.2017

Ohne Zweifel gibt es In Deutschland diesen Hang zum Totalen, Absoluten und zur sich in etwas hineinsteigernden Übertreibung. Zum Alles oder Nichts. Es mag auch sein, dass sich in der Eintracht zwischen AfD und den Grünen in der Glyphosat-Frage eine romantische deutsche Tradition herauslesen lässt. Doch finde ich die Tatsache, dass die AfD keine Berührungsängste zu haben scheint, positiv. Sie scheint ideologiefrei und sachbezogen an ihre Aufgaben zu gehen. Den Bezug zu Herbert Gruhl finde ich etwas weit hergeholt. Eigentlich wünsche ich mir genau das: eine rein sachbezogene, nicht taktisch geprägte, ideologiefreie Parlamentsarbeit. Eine Partei hat das Recht, die Ansicht zu vertreten, die sich mehrheitlich in ihren Entscheidungsgremien durchgesetzt hat. Wegen dieser Entscheidung in einer Einzelfrage, würde ich noch nicht von „ideologischen Zielen“ sprechen oder eine ideologische Gemeinsamkeit mit den Grünen erkennen.

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