Orit Arfa, Gastautorin / 21.03.2018 / 17:13 / 9 / Seite ausdrucken

10 Gründe warum „Welcome to Jerusalem“ scheitert

„Welcome to Jerusalem“ heißt eine Themenausstellung des jüdischen Museums in Berlin, die noch bis zum Ende des Monats zu sehen ist. „Die Ausstellung thematisiert eine Stadtgeschichte, in der Alltag, Religion und Politik unauflöslich miteinander verflochten sind“, beschreibt das Museum das Vorhaben. Kein Thema fesselt die interreligiöse Phantasie mehr als Jerusalem, aber die Ausstellung scheint hier dazu zu dienen, um – trotz gegenteiliger Bekundungen – eine politisch voreingenommene Sicht auf Israel subtil rüberzubringen. Als jemand, die in dieser unruhigen und glorreichen Stadt durch einige ihrer blutigsten und aufregendsten Zeiten gelebt, geliebt und geweint hat, präsentiere ich Ihnen hier auf der Achse die zehn wichtigsten Momente des Scheiterns der Ausstellung:

10. Der Islam ist der rechtmäßige Erbe Jerusalems. Der islamische Halbmond, der den Felsendom überragt, ist das einzige religiöse Ornament auf der Broschüre des Museums. Vergessen Sie den jüdischen Stern. Vergessen Sie das Kreuz. In der Sektion „Die Heilige Stadt“ steht Conrad Schicks beeindruckendes Modell des Felsendoms im Mittelpunkt, flankiert von einem bescheidenen Modell der Westmauer und der Grabeskirche. Das „Haram esh-Sharif“ (oder Nobles Heiligtum) dominiert.

9. Theodor Herzl und Yasser Arafat sind moralisch gleichberechtigt. In einem seltsamen Abschnitt über die in Jerusalem begrabenen Würdenträger werden Herzl und Arafat nebeneinander aufgeführt, als ob der intellektuelle, gewaltfreie zionistische Führer und dieser antisemitische Erzterrorist moralisch gleichberechtigt wären. Als ob die zionistische Überzeugung, die das Sumpfland in Ackerland verwandelte, der palästinensischen Sache, die Nägel und Schrauben in Bomben verwandelte, ebenbürtig wäre. Nicht erwähnt wird die Rolle Arafats bei der gnadenlosen Ermordung von Juden durch Selbstmordattentate an Bushaltestellen, Cafés und Nachtclubs. Während sich Arafats Mausoleum in Ramallah befindet, schlägt das Plakat vor, dass er in Ost-Jerusalem, der zukünftigen Hauptstadt von „Palästina“, begraben werden sollte.

8. Linke Anschauungen prägen die Ausstellung. In der letzten Halle steht eine Tafel mit Auszügen zu aktuellen Themen aus Jerusalem. Die überwiegend linken Publikationen, lassen wenig ideologische Vielfalt zu: Ha’aretz, The Guardian, New York Times, um nur ein paar zu nennen.

7. Israel raubt Land. In einer Illustration der sich verändernden Grenzen Jerusalems wird Israel beschuldigt, die Palästinenser des Landes beraubt zu haben. Es wird behauptet: „Das arabische Ost-Jerusalem ist wegen der Sicherheitsbarriere zunehmend vom Hinterland getrennt worden“. Der Kontext dafür wird verschwiegen: Es war eine Reaktion auf die unerbittlichen, grausamen Terroranschläge gegen Israel aus  Judäa und Samaria (Westbank).

6. Sogar Hotels werden politisiert. Eine weitere merkwürdige Sektion über berühmte Jerusalemer Hotels scheint aufgenommen worden zu sein, nur um den berühmtesten zionistischen „Terror-Anschlag“ von 1946 zu zeigen, als der Irgun-Militäruntergrund einen Flügel des King David Hotels sprengte. Damals befand sich dort das britische Verwaltungshauptquartier. (Es bietet dem Museum auch die Möglichkeit, Würdenträger, die Jerusalem besuchten, mit einem wenig schmeichelhaften Bild von Trump zu porträtieren.)

5. Es gibt nur jüdische „Extremisten“. Ein weiterer seltsamer Raum ist den jüdischen Randgruppen gewidmet: den liberalen „Frauen der Mauer“, den antizionistischen „Neturei Karta“ und den „Tempelberg-Gläubigen“, die den Wiederaufbau des Dritten Tempels anstreben, der laut Museum „den Konflikt zwischen Israel und Palästina verschärft“. Wo ist der Raum, der den weitaus zahlreicheren muslimischen Extremisten gewidmet ist, die mehr tun als nur veraltete Rituale zu praktizieren? Warum nicht einen Raum den Koranpassagen widmen, die den versuchten Mord an Yehuda Glick (heute Mitglied der Knesset), der sich für die Religionsfreiheit auf dem Tempelberg einsetzt, wo der islamische Waqf das jüdische Gebet verbietet, anstachelte? Und was ist mit der terroristischen Bande, die junge drusische Polizisten niederschoss, die die Juden während der Besuchszeit der „Nicht-Muslime“ beschützten?

4. Verhöhnen israelischer Politiker. Neben den jüdischen „Extremisten“ platzierte das Museum eine Abbildung der israelischen Kulturministerin Miri Regev mit dem Kleid, das sie beim Filmfestival in Cannes trug, dessen Saum mit der Jerusalemer Landschaft verziert war. Daneben sind Auszüge von Kommentaren aus sozialen Netzwerken, die sie verspotten. Warum eine israelische Politikerin? Warum nicht arabische Führungspersönlichkeiten verspotten, die die Art von Antisemitismus ausspucken, dass sie Hitler stolz machen würde?

3. Israel war eine „Katastrophe“ (Naqba). Höhepunkt der Ausstellung ist der Kurzfilm „Conflict“, der den Konflikt mit anti-israelischen Schlagwörtern beschreibt. Der unerwartete israelische Sieg von 1967 wird mit bedrohlicher, unheimlicher Musik untermalt; das Museum war eindeutig nicht glücklich darüber, dass die Juden den Selbstverteidigungskrieg gewannen, in dessen Verlauf biblische Gebiete von der illegalen Besetzung Jordaniens befreit wurden. Der Film schildert, wie hunderttausende Palästinenser während des Unabhängigkeitskrieges vertrieben wurden und hebt das „Massaker“ der israelischen Armee hervor, das laut Film zum Symbol der „Naqba“ (wie die Araber den Sieg Israels nannten) wurde. Von den zahllosen Massakern an jüdischen Unschuldigen, die Araber schon vor der Gründung Israels begangen haben, ist kaum die Rede. Arafat taucht als „Freiheitskämpfer“ gegen die „Besatzung“ wieder auf.

2. Juden sind Insekten. Die Ausstellung enthält bis auf ein Modell des herodianischen Tempels kaum historische Gebäude und selbst der scheint nicht als Hinweis auf jüdische Ansprüche auf den Tempelberg entstanden zu sein. Rund um den Tempel zeigt man dem Betrachter mit 3D-Bildern esoterische Tempelpraktiken wie Brandopfer. Man stellt Juden als primitiv dar, die Schafe für ihre seltsamen Kulte schlachteten. Aber das verstörendste ist, dass Juden und deren Wege auf dem Tempelberg durch schwarze Punkte dargestellt werden. (Wen interessiert überhaupt der jüdische Fußgängerverkehr?) Sie sehen nicht wie Menschen aus, sondern wie Ameisen, die an den antisemitischen Vergleich von Juden und Insekten erinnern. Jemand Lust, die zu vernichten?

1. Jerusalem ist nur Politik. Jerusalem hat so viel mehr zu bieten als nur Konflikte. Es gibt arabisch-jüdische Koexistenz, Kultur, Cafés, köstliche Restaurants, neue Boutique-Hotels und Hostels, Studenten-Treffpunkte, Universitätsleben, wunderschöne Landschaften. In der Ausstellung entsteht kaum eine tiefe Liebe, Intimität, Empathie oder Leidenschaft für die Stadt. Daher schlage ich vor, stattdessen zum Original zu gehen. Dieses Jahr in Jerusalem.

Dieser Beitrag erschien auch im „Jewish Journal“Das englische Original wurde von Andreas Boldt, dem Gründer der Facebook-Seite Freundschaft Deutschland-Israel übersetzt.

Orit Arfa ist Journalistin, Autorin und Multitalent mit Sitz in Berlin. Ihr zweiter Roman Underskin ist eine Liebesgeschichte über Berlin und Tel Aviv. Die Autorin finden Sie hier auch auf Facebook.

Foto: Orit Arfa

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Franck Royale / 21.03.2018

Das Gute an so vielen Gendersternen auf Seiten wie der oben verlinkten Ausstellungsseite ist ja: man erkennt auf den ersten Blick zeitgeistigen Zinnober den man links liegen lassen kann. Aber das sich ausgerechnet das JM Berlin diesem neuen deutschen Sternewahn unterwirft, ist wirklich haarsträubend schlecht, peinlich und geschmacklos. Man oh man.

Martin Schau / 21.03.2018

Dann fehlt ja nur noch als 11. Punkt die leidenschaftliche Kritik über die israelische Sperranlagen, die man bewusst nicht als erfolgreichen Terrorabwehrzaun betrachten und würdigen möchte.

Wilfried Cremer / 21.03.2018

Burkhart Berthold / 21.03.2018

Liebe Orit, meine Frau und ich waren gerade für ein paar Tage in Jerusalem. Viele nette Gespräche, wunderbare Eindrücke und die umwerfende Erfahrung, wie viele junge Leute in Jerusalem leben, wie viele Kinder dort herumwuseln. Sie haben recht: Es gibt eine Antwort auf alle möglichen Vorurteile - und sie heißt: Lufthansa, gern auch El Al oder Ryan. Wir werden so rasch wie möglich wiederkommen und so lange wie möglich bleiben.

Peter Neumeyer / 21.03.2018

Frau Arfa, mir hat ihr Satz so gefallen"Als jemand, die in dieser unruhigen und glorreichen Stadt durch einige ihrer blutigsten und aufregendsten Zeiten gelebt, geliebt und geweint hat”. Auch wenn ich noch nie in Jerusalem war und auch sehr wenig von Jerusalem weiß. Es ist in Deutschland so viel von Moden und vermeintlich moralisch hochstehender Politicalcorrectness geleitet, - Ihre Zweifel an der Qualität dieser Ausstellung erscheinen sehr plausibel und so können die von Ihnen kritisierten Mängel vermutlich nicht nur nur aus einer noch entschuldbaren Dummheit heraus, sondern zum Teil auch aus niederen eitlen Beweggründen heraus erklärbar sein. Wie gesagt fehlt mir da die Bildung, aber ich habe das Gefühl, dass Sie zu Recht, hier ganz verlogene Mechanismen zur Sprache bringen. Um noch einmal auf Ihren schön empfundenen Satz zurück zu kommen- Meine vor 3 Jahren verstorbene Mutter, Jahrgang 20, hatte einen auf Holz geschnitzten Druck zu Kriegszeiten, als ihre Diplomrarbeit auf der Grafikschule in Hannover geschnitzt.  Der Spruch in dem ornamentalen Druck darauf passt zu Ihrem Satz. Er lautet- ” Die Quelle aller Kunst ist das Herz”- wenn sie Interesse haben, sende ich Ihnen eine Din A4 Kopie. Viele Grüße, Peter Neumeyer.

Hans-Peter Dollhopf / 21.03.2018

Wir alle sind Zeitzeugen. Wenn irgend wessen Nachwuchs in einhundert Jahren Dich einmal am Ärmel zupfen und zu Dir sagen wird: “Ururalter Onkel, erzählst du von damals, von Zeit wo deine und Nation von all die anderen paar Urur-Onkel ausgelöscht wurde” ... die Briten, die Deutschen, die Kurden, die Juden ... wirst Du Deine seit Ewigkeiten vom Hersteller nicht mehr unterstützte “sprachgesteuerte, internetbasierte Intelligente Persönliche Assistenten”-Software anweisen, den archivierten Wikipedia-Artikel “Jüdisches Museum Berlin” aus dem Jahr 2018 in Deine Sehnerv-Prothese zu übertragen. Du wirst die Liste der Stiftungsrats-Mitglieder checken, Dich erinnern und Dich über nichts mehr wundern.

Paul Mittelsdorf / 21.03.2018

Danke für den Artikel. Was mir immer wieder auffällt: Mehr und mehr werden Selbstverständlichkeiten zur Gefahr verklärt. So “verschärfe”  laut den Organisatoren der Ausstellung der Aufbau des Dritten Tempels den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern. Auf der anderen Seite der Argumentation spielen wirklich radikale Dinge keinerlei Rolle. Die Kritik wird so nicht geäußert, wenn mal wieder Israelis bei Terrorattacken sterben. Auch dann nicht, wenn in palästinensischen Schulbüchern Israel als der Feind, den man bekämpfen müsse, dargestellt wird. Man kann das auch ohne viel Mühe auf unser Land übertragen. Kritik am Islam oder Muslimen ist eine Gefahr für den Frieden in der Gesellschaft oder für die Integration. Messermorde, Attentate und Vergewaltigungen sind das offenbar nicht.

Eleonore Weider / 21.03.2018

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Alles klar. Genau wie der von der Regierung unterstütze Antisemitismus und Förderung von Terror gegen Juden.

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