Die Grönländer setzen auf Unabhängigkeit. Sie wollen raus aus dem dänischen Staatsverband. Bei den Parlamentswahlen stärkten die Grönländer die sezessionistischen Parteien: Zwei Drittel stimmten für die sozialdemokratische Siumut (Vorwärts), für die linke Inuit Ataqatigiit (Volkseinheit) und für die Zentrumspartei Partii Naleraq.
Diese drei Parteien – sie halten 21 Mandate – regierten in der letzten Amtsperiode die größte Insel der Welt, die zu Dänemark gehört. Die drei Wahlsieger wollen ihre Koalition fortsetzen. Ihr Ziel ist – mittelfristig – die staatliche Unabhängigkeit.
Die restlichen zehn Mandate im 31-köpfigen Parlament Inatsisartut gehen an unionistische pro-dänische Parteien wie die konservative Demokratiit, Atassut und Suleqatigiissitsisut (Partei der Zusammenarbeit) sowie an Nunatta Qitornai, die als einzige Partei eine sofortige Abspaltung befürwortet.
Die beiden Links-Parteien büßten stark an Zustimmung ein, konnten aber gemeinsam ihre absolute Mehrheit halten. Stark zulegen konnte hingegen die oppositionelle konservativ-populistische Partei der Demokraten (Demokratiit).
Die 56.000 Einwohner Grönlands sind dänische Staatsbürger, die sich seit 1979 autonom verwalten. Grönland trat trotz der Zugehörigkeit zum dänischen Staatsverband 1985 aus der EG aus. Die Autonomie und die Sonderrolle erkämpften die separatistischen Parteien Siumut und Ataqatigiit. Sie schafften es bisher immer wieder, die Parlamentswahlen in ein Votum für die Unabhängigkeit umzumünzen.
Königin Margrethe II ist trotz Autonomie auch das Staatsoberhaupt der Grönländer, zwei Parlamentarier vertreten die Insel im dänischen Parlament. Die Separatisten wollen diese Verbindung kappen.
Autonom, aber finanziell abhängig
Die Frage ist, wie schnell gekappt werden soll. Die sozialdemokratische Siumut denkt langfristig, will einen behutsamen Prozess einleiten. Das verwundert nicht, überweist der dänische Staat seiner ehemaligen Kolonie jährlich 500 Millionen Euro. Das ist immerhin die Hälfte des grönländischen Haushaltes. Ohne dänische Unterstützung würde den Grönländern die finanzielle Luft ausgehen. Mit weitreichenden Folgen. Finanzielle Einschnitte könnten viele Grönländer treffen, die von Sozialhilfe leben.
Siumut will deshalb die eigene Wirtschaft stärken, neue Finanzquellen entdecken und erst dann den Unabhängigkeitsprozess einleiten. Gesucht werden Investoren. Dies schreckte die Oppositionellen auf, die weiterhin an der Union mit Dänemark festhalten wollen.
Für Grönland interessiert sich vor allem China. Es geht dabei weniger um die Belange der Grönländer, sondern um Rohstoffe, die unter dem Eis vermutet werden. In Grönland ist der Klimawandel spürbar, das Eis zieht sich zurück, im Süden der Insel ist deshalb bereits Landwirtschaft möglich. Das schrumpfende Eis gefährdet die Existenz vieler Jäger, die sich kaum mehr auf das dünne Eis auf dem Meer wagen.
Chinesische Unternehmen sondieren bereits in Grönland, bieten an, die vermuteten Rohstoffe unter dem Eis zu heben, Öl, Uran und Seltene Erden. In einem Weißbuch „Polare Seidenstraße“ empfiehlt die kommunistische Regierung in Peking chinesischen Konzernen, das grönländische Abenteuer zu wagen. Die chinesischen Aktivitäten in Ländern der Dritten Welt sind rein neokolonialistischer Natur. Ein chinesisches Engagement auf Grönland könnte auch die USA alarmieren, aus Sicherheitsgründen.
Island ist das Vorbild
Grönland unterliegt trotz seiner Autonomie weiterhin der dänischen Außen- und Sicherheitspolitik, ein Stolperstein für die grönländische Unabhängigkeit. Siumut ist sich der Brisanz bewusst und sucht deshalb auch nach touristischen Alternativen. Jährlich besuchen 70.000 Touristen die Insel, die Regierung in der Hauptstadt Nuuk möchte das isländische Modell kopieren. 2000 kamen 600.000 Touristen nach Island, 2017 waren es schon 1,8 Millionen. Für den Aufbau touristischer Einrichtung wird Geld gebraucht, viel Geld. Auch hier wollen chinesische Investoren aushelfen. Ob da die Grönländer eine Abhängigkeit nicht für eine viel schlimmere Abhängigkeit eintauschen?
Der ehemalige grönländische Ministerpräsident und derzeitige Vertreter Grönlands im dänischen Parlament, der Sozialdemokrat Aleqa Hammon, pocht auf das Recht auf Selbstbestimmung. Für die indigenen Völker Europas wie die Samen in Skandinavien, für die Grönländer und für die nationalen und sprachlichen Minderheiten.
Das neue grönländische Autonomiestatut ist seit 2009 in Kraft. Es sieht vor, dass die Bevölkerung das Recht hat, jederzeit über ihre Zukunft zu befinden, auch über die staatliche Unabhängigkeit. Das neue Statut wurde per Referendum von der Bevölkerung mit großer Mehrheit gutgeheißen. Die dänische Regierung akzeptierte die Abstimmung, obwohl sie rechtlich nicht bindend war. Andere Länder, andere Sitten.
Das neue Statut trat 30 Jahre nach der ersten Autonomie-Regelung in Kraft. Inuit ist Amtssprache, die autonome Region Grönland kann über wichtige Schlüsselbereiche eigenständig entscheiden: Wirtschaft, Bodenschätze und Zuwanderung. Außen- und Währungspolitik sind weiterhin zentrale Kompetenz der Regierung in Kopenhagen.
Die neue Autonomie ist auch ein Wagnis. Die dänische Regierung verringert die staatlichen Zahlungen an Grönland, die Insel trägt die Verantwortung für die weitere Entwicklung. Der Versuch, die alte koloniale Abhängigkeit abzuschütteln.
Jetzt hängt es von den Grönländern ab, was sie mit der gewonnenen Freiheit machen.