Viel haben radikale Linke, wie die griechische Regierung unter Premierminister Alexis Tsipras, und rechtsnationale Parteien, wie der französische Front National, nicht miteinander gemeinsam. Beide können jedoch auf Unterstützung durch Moskau hoffen.
Die Maxime, dass der Feind meines Feindes mein Freund sei, scheint für Russland in seinem Verhältnis zur Eurozone bestimmend zu sein. Jegliche Bestrebungen, die geeignet sind, die europäische Einigung zu untergraben, Dissens innerhalb Europas zu schaffen oder die Rettung des Euro zu erschweren, treffen bei Russlands Präsidenten Vladimir Putin auf ein wohlgefälliges Auge.
Diese Woche präsentierte die griechische Regierung nicht nur ihren EU-Partnern eine weitere Liste von Reformvorsätzen, sondern sie strich auch heraus, wie wichtig ihr engere Beziehungen zu Russland sind. Nächste Woche wird Tsipras nach Moskau reisen, eine Woche später soll ihm dorthin sein konfliktfreudiger Verteidigungsminister Kammenos folgen.
Sie sind nicht die ersten prominenten griechischen Politiker, die Russland besuchen. Energieminister Panagiotis Lafazanis und der Syriza-Fraktionsvorsitzende Thanasis Petrakos sind bereits in der russischen Hauptstadt eingetroffen, um über einen Abschlag auf die Kosten russischer Gasexporte nach Griechenland sowie ein Ende des gegen griechische Agrarprodukte verhängten russischen Embargos zu verhandeln.
In einem mit der russischen Nachrichtenagentur Tass geführten Interview schwärmte Tsipras von den guten griechisch-russischen Beziehungen: “Unsere Länder haben früher ruhmreich Seite an Seite gekämpft, das kann auch in Zukunft so sein.”
Dass Griechenland und Russland schon sehr lange ein enges Verhältnis zueinander pflegen, steht außer Frage. Seit Jahrhunderten sind die Querverbindungen zwischen Athen und Moskau auf kultureller, religiöser und geschichtlicher Ebene stark ausgeprägt. Anfang des 19. Jahrhunderts war das Zarenreich einer der wichtigsten Verbündeten der Hellenen bei ihrem Freiheitskampf. Außerdem ist der orthodoxe christliche Ritus in beiden Ländern der vorherrschende Glaube.
Jedoch sind solche historischen oder religiösen Herzensbande nicht die Triebfeder für die aktuellen Kontakte zwischen Tsipras und Putin. Die Gründe sind vielmehr profaner Natur: Athen braucht Bares, und Moskau braucht ein geschwächtes Europa, um seinen territorialen Ambitionen frönen zu können.
Im Verlauf der letzten Wochen musste die griechische Regierung erkennen, dass sie die Eurozone nicht spalten kann. Aus unterschiedlichen Gründen war keine europäische Regierung bereit, Tsipras in seinem Verlangen nach einem Ende der Sparpolitik in der Eurozone zu unterstützen. Im Gegenteil, sogar Staaten an der Peripherie der Eurozone sammelten sich hinter Berlin, um griechische Forderungen nach einem Schuldenschnitt und nach großzügigeren Konditionen bei den Rettungsmaßnahmen abzuwehren.
Bei seinem Bemühen, die Zahlungsfähigkeit zu erhalten, läuft Griechenland die Zeit davon, damit schrumpft auch der Handlungsspielraum. Deswegen spielt es jetzt die russische Karte aus. Allerdings hat auch Russland mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Der Rückgang der Preise am Energiemarkt und die Handelssanktionen wegen der Ukraine haben die russische Konjunktur erlahmen lassen. Dennoch wäre Russland in der Lage, dem vergleichsweise kleinen Griechenland auszuhelfen, und sei es nur, um die EU-Politik zu torpedieren.
Durch finanzielle Unterstützung für Griechenland würde Russland erheblichen Einfluss auf ein Land erlangen, das nicht nur EU-Mitgliedsstaat ist, sondern auch der NATO angehört. Naheliegend wäre es, diesen Einfluss als Hebel zu nutzen, um die Sanktionen der EU gegen Russland zu stoppen. Tatsächlich erklärte Tsipras bereits im Tass-Interview, dass sein Land per Veto eine Verlängerung der Sanktionen zu Fall bringen könnte, da die Handelsbeschränkungen “sinnlos” und “Teil eines in die Sackgasse führenden Wirtschaftskrieges” seien. Putin wird die Worte aus Athen mit Genugtuung vernommen haben.
Das russische Interesse geht aber wohl über eine direkte Einflussnahme auf Griechenland hinaus. Dass ein EU-Mitglied direkt mit Russland verhandelt und sich EU-Interessen entgegenstellt, kann nur als massives Hindernis für ein geeintes EU-Vorgehen angesehen werden. Genau darauf legt es der Kreml an. Anstatt geschlossen gegen die Politik Russlands in der Ukraine auftreten zu können, zwingen derartige Ablenkungsmanöver die EU, sich mit sich selbst zu beschäftigen und die energische Auseinandersetzung mit Russland zu vernachlässigen.
Auch ist die Annäherung an Griechenland nicht das erste Mal, dass der Kreml nach Kräften versucht, in der EU politisch Einfluss zu nehmen. Letztes Jahr erschienen Berichte, wonach der Euro-kritische Front National zur Förderung seiner Aktivitäten Geld aus Russland erhalten habe. Es halten sich auch hartnäckig Gerüchte über russische Hilfen, die auf weitere EU-kritische und Euro-skeptische Parteien und Bewegungen zielen sollen.
Zwar mutet es merkwürdig an, dass Russland bereit sein soll, sowohl rechten wie linken EU-feindlichen Parteien unter die Arme zu greifen. Nüchtern betrachtet spielt es jedoch keine Rolle, welche EU-Gegner Russland unterstützt, solange das Ziel einer Schwächung der EU verfolgt wird. Aber damit ist noch längst nicht alles über die russischen Bemühungen gesagt, Einfluss auf die öffentliche Meinung Europas zu nehmen.
Der moskaueigene TV-Sender Russia Today gilt seit langem als Sprachrohr, um die offiziellen russischen Ansichten europaweit zu verbreiten. Er wird heute mehr als Werkzeug der Propaganda denn als gewöhnlicher Nachrichtenkanal angesehen. Seinem Einfluss effektiv zu begegnen, ist keine leichte Aufgabe. Wollte man ihm die Ausstrahlung innerhalb der EU verbieten, würde dies kein gutes Bild abgeben; ähnliches gilt für den Versuch, einen eigenen Propagandasender aufzubauen.
Im Verhältnis zu Russland findet sich die EU in einen schwierig zu lösenden Konflikt verstrickt. Russland wartet nur darauf, dass die EU Schwächen oder Zwistigkeiten offenbart, um sie sogleich ausnutzen zu können. Will die EU aber nicht an Glaubwürdigkeit einbüßen, kann sie gegen Russland nicht mit denselben Waffen zurückschlagen.
Wäre die Vernunft der Ratgeber, würde der NATO- und EU-Mitgliedsstaat Griechenland einsehen, dass das Hilfegesuch an Russland zu strategischem Chaos in Europa geführt hat, und auf derartige Kontakte zu Russland verzichten. Aber in seiner ideologischen Opposition zur EU-Sparpolitik und in seinem verzweifelten Bemühen, einen Staatsbankrott zu vermeiden, meint Griechenland, nicht wählerisch sein zu können – auch wenn das bedeutet, mit Putin zu paktieren. Der wiederum kann vermutlich sein Glück kaum fassen, dass eine Spaltung der EU so leicht fallen sollte.
Längst hat die Euro-Krise beträchtlichen wirtschaftlichen und finanziellen Schaden angerichtet. Was ein geschwächtes Europa außerdem für die Sphären der Politik und Sicherheit bedeuten kann, sehen wir jetzt.
Dr. Oliver Marc Hartwich ist Executive Director der The New Zealand Initiative.
‘Greece is Putin’s pawn in a plot to divide the EU’ erschien zuerst in Business Spectator (Melbourne), 2. April 2015. Aus dem Englischen von Eugene Seidel (Frankfurt am Main).