Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 03.04.2015 / 11:32 / 3 / Seite ausdrucken

Griechenland: Spielstein in Putins Schachpartie gegen die EU

Viel haben radikale Linke, wie die griechische Regierung unter Premierminister Alexis Tsipras, und rechtsnationale Parteien, wie der französische Front National, nicht miteinander gemeinsam. Beide können jedoch auf Unterstützung durch Moskau hoffen.

Die Maxime, dass der Feind meines Feindes mein Freund sei, scheint für Russland in seinem Verhältnis zur Eurozone bestimmend zu sein. Jegliche Bestrebungen, die geeignet sind, die europäische Einigung zu untergraben, Dissens innerhalb Europas zu schaffen oder die Rettung des Euro zu erschweren, treffen bei Russlands Präsidenten Vladimir Putin auf ein wohlgefälliges Auge.

Diese Woche präsentierte die griechische Regierung nicht nur ihren EU-Partnern eine weitere Liste von Reformvorsätzen, sondern sie strich auch heraus, wie wichtig ihr engere Beziehungen zu Russland sind. Nächste Woche wird Tsipras nach Moskau reisen, eine Woche später soll ihm dorthin sein konfliktfreudiger Verteidigungsminister Kammenos folgen.

Sie sind nicht die ersten prominenten griechischen Politiker, die Russland besuchen. Energieminister Panagiotis Lafazanis und der Syriza-Fraktionsvorsitzende Thanasis Petrakos sind bereits in der russischen Hauptstadt eingetroffen, um über einen Abschlag auf die Kosten russischer Gasexporte nach Griechenland sowie ein Ende des gegen griechische Agrarprodukte verhängten russischen Embargos zu verhandeln.

In einem mit der russischen Nachrichtenagentur Tass geführten Interview schwärmte Tsipras von den guten griechisch-russischen Beziehungen: “Unsere Länder haben früher ruhmreich Seite an Seite gekämpft, das kann auch in Zukunft so sein.”

Dass Griechenland und Russland schon sehr lange ein enges Verhältnis zueinander pflegen, steht außer Frage. Seit Jahrhunderten sind die Querverbindungen zwischen Athen und Moskau auf kultureller, religiöser und geschichtlicher Ebene stark ausgeprägt. Anfang des 19. Jahrhunderts war das Zarenreich einer der wichtigsten Verbündeten der Hellenen bei ihrem Freiheitskampf. Außerdem ist der orthodoxe christliche Ritus in beiden Ländern der vorherrschende Glaube.

Jedoch sind solche historischen oder religiösen Herzensbande nicht die Triebfeder für die aktuellen Kontakte zwischen Tsipras und Putin. Die Gründe sind vielmehr profaner Natur: Athen braucht Bares, und Moskau braucht ein geschwächtes Europa, um seinen territorialen Ambitionen frönen zu können.

Im Verlauf der letzten Wochen musste die griechische Regierung erkennen, dass sie die Eurozone nicht spalten kann. Aus unterschiedlichen Gründen war keine europäische Regierung bereit, Tsipras in seinem Verlangen nach einem Ende der Sparpolitik in der Eurozone zu unterstützen. Im Gegenteil, sogar Staaten an der Peripherie der Eurozone sammelten sich hinter Berlin, um griechische Forderungen nach einem Schuldenschnitt und nach großzügigeren Konditionen bei den Rettungsmaßnahmen abzuwehren.

Bei seinem Bemühen, die Zahlungsfähigkeit zu erhalten, läuft Griechenland die Zeit davon, damit schrumpft auch der Handlungsspielraum. Deswegen spielt es jetzt die russische Karte aus. Allerdings hat auch Russland mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Der Rückgang der Preise am Energiemarkt und die Handelssanktionen wegen der Ukraine haben die russische Konjunktur erlahmen lassen. Dennoch wäre Russland in der Lage, dem vergleichsweise kleinen Griechenland auszuhelfen, und sei es nur, um die EU-Politik zu torpedieren.

Durch finanzielle Unterstützung für Griechenland würde Russland erheblichen Einfluss auf ein Land erlangen, das nicht nur EU-Mitgliedsstaat ist, sondern auch der NATO angehört. Naheliegend wäre es, diesen Einfluss als Hebel zu nutzen, um die Sanktionen der EU gegen Russland zu stoppen. Tatsächlich erklärte Tsipras bereits im Tass-Interview, dass sein Land per Veto eine Verlängerung der Sanktionen zu Fall bringen könnte, da die Handelsbeschränkungen “sinnlos” und “Teil eines in die Sackgasse führenden Wirtschaftskrieges” seien. Putin wird die Worte aus Athen mit Genugtuung vernommen haben.

Das russische Interesse geht aber wohl über eine direkte Einflussnahme auf Griechenland hinaus. Dass ein EU-Mitglied direkt mit Russland verhandelt und sich EU-Interessen entgegenstellt, kann nur als massives Hindernis für ein geeintes EU-Vorgehen angesehen werden. Genau darauf legt es der Kreml an. Anstatt geschlossen gegen die Politik Russlands in der Ukraine auftreten zu können, zwingen derartige Ablenkungsmanöver die EU, sich mit sich selbst zu beschäftigen und die energische Auseinandersetzung mit Russland zu vernachlässigen.

Auch ist die Annäherung an Griechenland nicht das erste Mal, dass der Kreml nach Kräften versucht, in der EU politisch Einfluss zu nehmen. Letztes Jahr erschienen Berichte, wonach der Euro-kritische Front National zur Förderung seiner Aktivitäten Geld aus Russland erhalten habe. Es halten sich auch hartnäckig Gerüchte über russische Hilfen, die auf weitere EU-kritische und Euro-skeptische Parteien und Bewegungen zielen sollen.

Zwar mutet es merkwürdig an, dass Russland bereit sein soll, sowohl rechten wie linken EU-feindlichen Parteien unter die Arme zu greifen. Nüchtern betrachtet spielt es jedoch keine Rolle, welche EU-Gegner Russland unterstützt, solange das Ziel einer Schwächung der EU verfolgt wird. Aber damit ist noch längst nicht alles über die russischen Bemühungen gesagt, Einfluss auf die öffentliche Meinung Europas zu nehmen.

Der moskaueigene TV-Sender Russia Today gilt seit langem als Sprachrohr, um die offiziellen russischen Ansichten europaweit zu verbreiten. Er wird heute mehr als Werkzeug der Propaganda denn als gewöhnlicher Nachrichtenkanal angesehen. Seinem Einfluss effektiv zu begegnen, ist keine leichte Aufgabe. Wollte man ihm die Ausstrahlung innerhalb der EU verbieten, würde dies kein gutes Bild abgeben; ähnliches gilt für den Versuch, einen eigenen Propagandasender aufzubauen.

Im Verhältnis zu Russland findet sich die EU in einen schwierig zu lösenden Konflikt verstrickt. Russland wartet nur darauf, dass die EU Schwächen oder Zwistigkeiten offenbart, um sie sogleich ausnutzen zu können. Will die EU aber nicht an Glaubwürdigkeit einbüßen, kann sie gegen Russland nicht mit denselben Waffen zurückschlagen.

Wäre die Vernunft der Ratgeber, würde der NATO- und EU-Mitgliedsstaat Griechenland einsehen, dass das Hilfegesuch an Russland zu strategischem Chaos in Europa geführt hat, und auf derartige Kontakte zu Russland verzichten. Aber in seiner ideologischen Opposition zur EU-Sparpolitik und in seinem verzweifelten Bemühen, einen Staatsbankrott zu vermeiden, meint Griechenland, nicht wählerisch sein zu können – auch wenn das bedeutet, mit Putin zu paktieren. Der wiederum kann vermutlich sein Glück kaum fassen, dass eine Spaltung der EU so leicht fallen sollte.

Längst hat die Euro-Krise beträchtlichen wirtschaftlichen und finanziellen Schaden angerichtet. Was ein geschwächtes Europa außerdem für die Sphären der Politik und Sicherheit bedeuten kann, sehen wir jetzt.

Dr. Oliver Marc Hartwich ist Executive Director der The New Zealand Initiative.

‘Greece is Putin’s pawn in a plot to divide the EU’ erschien zuerst in Business Spectator (Melbourne), 2. April 2015. Aus dem Englischen von Eugene Seidel (Frankfurt am Main).

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Markus Sommer / 04.04.2015

Russland soll also völlig ohne Gegenwehr die Sanktionen des Westens hinnehmen. Da wären sie ja schön dämlich. Und welche territorialen Ambitionen hätte denn Russland außer der Krim und vielleicht ein paar Grenzkorrekturen in den überwiegend von Russen bewohnten Gebieten in der Ukraine denn sonst noch? Übrigens, in der Ukraine wurden kürzlich Filme, die ein positives Bild von Russland zeigen, per Gesetz verboten. Wenn ich Russe in der Ukraine wäre, würde ich mich dort auch nicht mehr wohlfühlen.

Helfried Richter / 03.04.2015

Vielen Dank, Herr Hartwich, für die auch mir richtig erscheinenden Fakten und Schlußfolgerungen daraus. Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit der auch von Ihnen angesprochenen transatlantischen Dimension der Griechenland-Krise, dass die FAZ bei diesem Thema keine Leserzuschriften veröffentlicht, welche andeuten, dass die USA in Verbindung mit der NATO ein großes Interesse daran hat, GR als NATO-Stützpunkt zu erhalten. Davon ausgehend, dass es ein solches Interesse selbstverständlich gibt, stellt sich unmittelbar die Frage, ob die deutschen Politiker im Zusammenhang mit den Finanzhilfen an GR souverän und damit im Interesse Deutschlands entscheiden dürfen. Ob §120 des Grundgesetzes noch vollzogen wird, konnte ich bisher leider nicht herausfinden.

Peter Becker / 03.04.2015

Wenn Athen die “Segnungen” von EU und NATO für ein paar Silberlinge an Moskau verkauft, kann es mit ebenjenen nicht allzu weit her sein.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 24.06.2016 / 09:45 / 0

„Wen der Brexit nicht aufweckt, dem ist nicht zu helfen“

Achse-Autor Oliver Hartwich lebt in Neuseeland und ist dort Direktor des Wirtschafts-Verbandes und Think-Tanks „The New Zealand Inititiative.“ Gestern (das britische Abstimmungs-Ergebnis war noch nicht…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 04.02.2016 / 05:22 / 3

It’s time for Merkel to go

“With her actions during the refugee crisis, Merkel is dwarfing even these previous policy blunders. If one were to add up all her mistakes, they…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 27.09.2015 / 02:39 / 0

A plea for national identity

Diese Woche erhielt ich meine dauerhafte und uneingeschränkte Aufenthaltsgenehmigung für Neuseeland (nachdem ich zuvor mit einem australischen Visum in Wellington lebte). Grund genug, sich über…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 24.09.2015 / 13:16 / 11

Das Volkswagen-Fiasko und seine Folgen

Mit dem Eingeständnis von VW, die Abgaswerte seiner Fahrzeuge systematisch manipuliert zu haben, wurde nicht nur der weltweit größte Automobilhersteller in eine Krise gestürzt, auch…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 18.09.2015 / 10:13 / 6

Die EU zerfällt

Letzte Woche schrieb ich an dieser Stelle, dass Europas Flüchtlingskrise die EU entzweien könnte. Diese Woche konstatiere ich die Fortschritte während der letzten sieben Tage…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 11.09.2015 / 09:55 / 6

Die europäische Flüchtlingskrise bringt die EU ins Wanken

„Immerhin kommt Deutschland jetzt in den Medien besser weg“, sagte mir ein befreundeter Geschäftsmann vor ein paar Tagen. „Ein erfreulicher Unterschied zu dem, was wir…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 09.09.2015 / 11:00 / 2

Europas Niedergang und seine Wurzeln

Vor fünf Jahren bot mir Alan Kohler an, im wöchentlichen Turnus die Wirtschaftslage in Europa zu kommentieren. Inzwischen habe ich die europäische Schuldenkrise in mehr…/ mehr

Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 29.08.2015 / 03:13 / 3

In eigener Sache: Why Europe Failed

Am Montag erscheint im australischen Connor Court-Verlag mein Essay Why Europe Failed. Hier schon einmal eine kurze Zusammenfassung und ein Auszug: “Oliver Hartwich has written…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com