Oswald Metzger, Gastautor / 06.04.2015 / 07:00 / 4 / Seite ausdrucken

Griechenland ….. zum Letzten!

Die griechische Euro-Tragödie ist nur noch mit Sarkasmus zu ertragen. Der Frühling lässt in den Gärten die Gänseblümchen sprießen und wer sie zur Hand nimmt und an den Blüten zupft, kann die vertraute Liebesfrage abwandeln: Kommt er, kommt er nicht, kommt er, kommt er nicht? Gemeint ist der sogenannte Grexit, das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Warum lässt sich die EU von den griechischen Regierungen (und eben nicht nur von der aktuellen Links-Regierung) seit Jahren hinhalten und für dumm verkaufen? Nur die innen- und außenpolitische Tonalität hat sich in Griechenland verschärft. Doch die gewaltige Kluft zwi-schen Reden und Handeln scheint auf der Peloponnes Staatspraxis geworden zu sein. Mit gefälschten Zahlen mogelte man sich vor eineinhalb Jahrzehnten in den Euro-Währungsraum, auch weil in Brüssel, Berlin, Paris und Rom alle Warnungen in den Wind geschlagen wurden.

Und jetzt, da die griechische Blase längst geplatzt ist, geht das politische Trauerspiel in die Endlosschleife. Die griechische Regierung flirtet mit den Russen und stellt die bisher mitge-tragenen europäischen Sanktionen gegen die völkerrechtswidrigen russischen Gebietsannexionen offen in Frage. Der Innenminister der Tsipras-Regierung spielt in der Karwoche offen mit dem Gedanken, einen Kredit an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in der kom-menden Woche nicht zurückzuzahlen. Das hat es in der IWF-Geschichte bisher noch nie gegeben und es wäre so etwas wie der testierte Staatsbankrott. Doch die Griechen bauen diese Drohkulisse auf, um der EU eine weitere Tranche an Krediten abzutrotzen, vielleicht auch, um die Europäische Zentralbank mal wieder als Liquiditätsfeuerwehr zu mobilisieren.

Der Langmut, mit dem die deutsche Kanzlerin auf die griechischen Kapriolen reagiert, erklärt sich für mich nur aus ihrem fatalen Satz, den sie vor Jahren im Deutschen Bundestag formu-lierte: „Scheitert der Euro, scheitert Europa!“ Wegen dieser verhängnisvollen Merkel-Doktrin, die sich das europäische Establishment in Brüssel aus den unterschiedlichsten Beweggründen nur zu gerne zu eigen machte, erpresst der Schuldner Griechenland längst un-geniert seine Gläubiger. Dabei bedient sich die Athener Politik einer innenpolitisch erprobten Dolchstoßlegende: Schuld sind immer die anderen, die Geldgeber, besonders die Deut-schen. In der kommenden Woche soll in Griechenland tatsächlich ein parlamentarischer Un-tersuchungsausschuss eingesetzt werden, der die Schuldigen der „Sparpolitik“ ausfindig ma-chen soll.

Aus meiner Sicht ist der griechische Staatsbankrott längst eingetreten. Der Grexit wird zwangsläufig folgen müssen. Das wird zu Wertberichtigungen in den Schuldenbilanzen der anderen Euro-Mitgliedsländer führen. Allein für Deutschland stehen knapp 100 Milliarden im Feuer. Doch ein Ende mit Schrecken ist allemal besser als die permanente Unterminierung jeder regelgebundenen Fiskalpolitik in den Euro-Mitgliedsstaaten. Wer langfristig ein öko-nomisch und politisch stabiles Europa will, der braucht die Katharsis durch den Grexit. Denn Haftung und Verantwortung müssen auch im gemeinsamen Europa von souveränen Mit-gliedsstaaten getragen werden. Überschuldung lässt sich genauso wenig abwählen wie man-gelnde ökonomische Wettbewerbsfähigkeit. Ein Grexit könnte die Fiskaldisziplin und die Re-formbereitschaft in Europa massiv erhöhen. Denn Politiker wie Bürger erlebten am griechi-schen Beispiel anschaulich, was ein Land zu verlieren hat, in dem kreditfinanzierte Wohlfahrt auf unterirdische Steuermoral trifft.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem INSM-Ökonomenblog

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Leserpost

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Axel Wahlder / 07.04.2015

Liebe Freunde, kann mir jemand erklären, was kommt, wenn Griechenland, trotz alledem, nicht ausscheidet?

Petra Horn / 06.04.2015

Sie hatte wohl tatsächlich Recht. Womit mit Europa natürlich die EU gemeint war. Ein Grexit würde das Mantra der Alternativlosigkeit stoppen. Juncker verglich die EU mit einem Fahrrad, das immer weiterfahren müsse, weil es sonst umfalle. Anhalten oder Umkehr nicht möglich. Welcher vernünftige Mensch würde auf ein solches Gerät steigen? Wer kann schon ewig Fahrrad fahen? Ein Grexit würde zeigen, daß es Alternativen gibt. Griechenland ist in der EU wirtschaftlich unbedeutend. Aber ein Grexit würde die Begehrlichkeiten der anderen Kandidaten wecken und ihre Verhandlungsmasse erhöhen. “Die Märkte” würden wieder vehement auf Austritte und den Eurozerfall wetten. Es würden sich womöglich wirtschaftliche Abgründe auftun, die man bisher noch verdecken kann und es würden schneller Regierungen an die Macht kommen, die die EU verlassen würden. Allerdings glaube ich, daß es in näherer Zukunft mit oder ohne Grexit darauf hinausläuft, daß Griechenland finanziell von der EU bzw. den Euroländern bzw. Deutschland alimentiert wird. Denn Deutschland darf nicht zulassen, daß Griechenland geopolitisch nach Rußland abdriftet. Dafür daß Deutschland seine Pflicht tut, wird gesorgt.

Thomas Schlosser / 06.04.2015

Ich sehe das so: Das Hauptproblem sind weniger die Griechen, mit ihren ganovenhaften Regierungen, das Hauptproblem sind die Politiker in Berlin und Brüssel, die die Macht hätten, diesem finanziellen Selbstmord auf Raten ein Ende zu setzen. Die das aber nicht tun werden, weil sie damit eingestehen müssten, dass sie sich schlicht geirrt haben. Und so viel menschliche Größe darf man von von Euro-Besoffenen in Brüssel und Berlin natürlich nicht erwarten. Von daher: Immer weiter, unsere Kinder und Kindeskinder werden dereinst die Zeche zu zahlen haben…..

Ralf Neitzel / 06.04.2015

Sehr geehrter Herr Metzger, Sie fragen, warum die Regierung sich von Griechenland so lange hinhalten läßt ? Ich werde es Ihnen sagen: Weil das Geld von anderen Leuten, in diesem Falle der Steuerzahler, gern und schnell ausgegeben wird. Sie müssten das doch als Politiker am besten wissen. Im Gegensatz zu einem Unternehmen oder eine Hausfrau, die beide mit ihrem Geld haushalten müssen, weil sie nicht mehr zur Verfügung haben, ist es dem Staat völlig gleichgültig, wenn das Geld alle ist. Beispiele gibt es genug: Flughafen Berlin Elbphilharmonie usw. Es werden neue Schulden gemacht. Keiner, ausser der Steuerzahler wird dafür bestraft. Aber, dieser Steuerzahler hat natürlich selber Schuld, wenn er eine solch’ verschwenderische Regierung wählt… Mit freundlichen Grüssen Ralf Neitzel

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