Gastautor / 19.10.2016 / 16:00 / Foto: pinkbelt / 4 / Seite ausdrucken

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? – nicht im Jobcenter

Von Rolf Mundt.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sollte doch heutzutage in Deutschland selbstverständlich sein, insbesondere nachdem sich die Politiker gerne dafür  dafür medial feiern lassen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? In ganz Deutschland? Ja, gleiche Bezahlung von Mann und Frau und dergleichen. Nein doch nicht überall! Überall bis auf eine kleine Einrichtung (ein gallisches Dorf?).

Da gibt es „eine Einrichtung“ in Deutschland, da ist es – aufgrund der Besonderheit, dass eine Aufgabe von unterschiedlichen Dienstherren (Kommunale Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit) unter einem Dach wahrgenommen wird – eben keine Selbstverständlichkeit. Das deutsche „gallische Dorf“ heißt Jobcenter! Die Beschäftigten selbst (genau genommen muss von Beschäftigten und Beamten gesprochen werden) werden nach dem jeweiligen Tarifvertrag entsprechend vergütet. Soweit so gut. Doch werden die vergleichbaren Beschäftigten (hinsichtlich Qualifikation und Beschäftigungsdauer) der einzelnen Dienstherren sehr unterschiedlich entlohnt (der Unterschied beträgt bis zu 600 Euro im Monat) und das, obwohl beide die gleiche Arbeit – oft sogar im gleichen Büro – erledigen.

Nun könnte man sagen, dass es halt so ist wie es sei und man keinen Grund sehen würde daran etwas zu ändern, wären da nicht diverse Regelungen von der Regierung getroffen worden, um genau diese Art der Ungerechtigkeit in anderen Bereichen zu unterbinden.
Das „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ sorgt für eine „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Entliehene eine gewisse Zeit fuür ein bestimmtes Unternehmen gearbeitet hat. Auch das Arbeitnehmer Entsendegesetz hat zum Ziel, dass Arbeitnehmer von ausländischen Firmen, die in Deutschland tätig sind, nicht schlechter gestellt werden dürfen als dies der Tarifvertrag für einheimische Beschäftigte vorsieht.

Gleiches Büro, gleiche Arbeit, 600 Euro Unterschied

Da wurde viel Gutes geleistet vom Ministerium für Arbeit und Soziales. Leider wurde dort vergessen die Ungleichbehandlung im „hauseigenen Jobcenter“ zu beseitigen, die seit 2005 besteht und angeprangert wird. Schlimmer noch: Als aus dem Projekt der ARGEn 2011 eine dauerhafte Einrichtung wurde, kamen diese Ungleichbehandlungen im Gesetzgebungsverfahren auf den Tisch und wurden mit dem Hinweis, dass sich die Gewerkschaften dieser Aufgabe annehmen sollen vom selben gewischt. Nach dem alle Probleme beseitigt waren, konnte das Gesetz zur dauerhaften Installation der Jobcenter verabschiedet werden.

Nun könnte man Fragen warum die Gewerkschaften diese Ungleichbehandlung nicht beseitigt haben, wenn doch der Gesetzgeber ihnen diesen Part „aufgetragen“ hat. Ganz einfach: Diese Aufgabe kommt der aus der griechischen Heldensage um die Hydra gleich. Es gibt nämlich nicht nur einen Verhandlungspartner, sondern mehrere (Bund, Länder und Kommunen) und alle haben verschiedene Interessen, allen voran „wir müssen Sparen“.  Für die Gewerkschaften steht dieser Aufgabe als unüberwindbares Hindernis im Wege – anders als bei den Reisen des Odysseus.

Es gibt nur einen Weg, diese Aufgabe zu lösen. Die einheitliche Bezahlung in diesem Bereich muss per Gesetz (etwa im SGB II) geregelt werden, bevor sich die Wirtschaft dieses Modell kopiert, um wieder an den Gehältern bestimmter Personengruppen zu sparen und so alle Regelungen von Frau Nahles auszuhebeln. Diese bestehenden Regelungen schützen die Beschäftigten in den Jobcentern leider nicht, da sie für diese spezielle Konstellation des Jobcenters für nicht anwendbar erklärt wurden.

Rolf Mundt arbeitet im Jobcenter Hamburg

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Leserpost

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Adalbert Jablonski / 20.10.2016

Man sollte nicht eine schwache Gruppe gegen eine andere schwache ausspielen - Hartz-IV-Empfänger gegen Flüchtlinge. Wenn aber 4 Millionen Hartz-IV-Empfänger es nicht schaffen, auf die Straße zu gehen, kann der Leidensdruck nicht wirklich sehr hoch sein - sorry. Zum eigentlichen Thema: Gerade in der öffentlichen Verwaltung - da zähle ich die Pseudoprivatiers Jobcenter dazu - muss die Forderung des Grundgesetzes und darüber des AGGs eingehalten werden: Keine Benachteiligung aufgrund Geschlechts.

JF Lupus / 20.10.2016

Augen auf bei der Berufswahl bzw. bei der Wahl des Arbeitgebers. Sich ins weltweit einzigartig weich gepolsterte Nest eines weltweit einzigartigen Arrapates aus Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst setzen, aber jammern, das haben wir Bürger, die wir das finanzieren müssen, besonders gerne. Ist man als Bürger jedoch auf diesen Apparat angewiesen, erfährt man seine ganze Unwichtigkeit:  buckeln wie zu Zeiten der Feudalherrscher, aber zahlen und Klappe halten.

Thorsten Schmidt / 20.10.2016

@ Judith Hirsch Es ging dem Autor wohl nicht darum, Mitgefühl zu erheischen. Mitgefühl für eine Vielzahl der von Ihnen angesprochenen Personen ist sicher angebracht. Hier war das Thema jedoch “gerechte Bezahlung”, “gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeit”, “equal Pay”. Und es ging darum, das die Bundesregierung einiges daran setzt, gerechte Bezahlung in der Wirtschaft durchzusetzen. Nur für einen Teil der öffentliche Bediensteten soll das offenbar nicht gelten. Und nein - ich bin nicht in einem Jobcenter beschäftigt.

Judith Hirsch / 19.10.2016

Sorry, aber mein Mitgefühl gehört eher den Personen, die von 13 Euro am Tag leben und davon Nahrung, Kleidung, Strom, Telefon, öffentliche Verkehrsmittel usw. zahlen müssen. Mitleid empfinde ich auch eher mit den ALG-2-Empfängern, die von Jobcenter-Mitarbeitern über 3 Monate finanziell gekürzt werden, weil sie nur 18 anstatt 20 Bewerbungen pro Monat vorlegten. Wenn man Flüchtlinge so kontrollieren, stigmatisieren, demütigen und sanktionieren würde, wäre das Geschrei riesengroß.

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