Ludger Weß
„Supermärkte geschlossen, Tankstellen, Restaurants und Kioske auch. Die Bürgersteige menschenleer. Kein Verkehr auf den Straßen. Fallingbostel ist gestern wie ausgestorben. Der Grund: Giftgas-Alarm. Ein Unfall in einer Werkshalle von Kraft Foods hat den größten Katastrophenalarm nach sich gezogen, den die Gemeinde je erlebt hat. Südöstliche Bezirke der 11000 Einwohner großen Kreisstadt in Niedersachsen sind evakuiert worden.
Fahnen mit Milka- und Jacobs-Krönung-Werbung wehen vor dem Werkstor im Wind. Etliche silberne Silos ragen in den Himmel. Irgendwo dazwischen der Tank, der in die Luft zu fliegen droht. Drinnen brodelt es gefährlich. Deshalb spritzen gestern den ganzen Tag über Feuerwehrleute Löschwasser drauf – zur Kühlung. Weil jeden Moment wieder Giftgas austreten kann, tragen die Feuerwehrmänner Atemschutz.“
http://www.mopo.de/regional/chemie-unfall-in-bad-fallingbostel—angst-vor-der-giftigen-chemiewolke,5066728,20613792.html
Da fragen sich die Leser - konditioniert durch jahrelange Berieselung mit Tartarenmeldungen von Greenpeace und Foodwatch über krebserzeugende Gifte, die ruchlose Großkonzerne in unsere Lebensmittel mischen, um ihre Profite zu maximieren - natürlich sofort: was haben “Ultragifte” wie Salpetersäure und Natronlauge in der Lebensmittelindustrie zu suchen? Will Kraft uns alle vergiften? In welchen Produkten finden sich Rückstände dieser Giftstoffe? In Analogkäse, Tiefkühlpizza, Getränkepulver oder Schlankmacherdrinks? Muss man nicht endlich Konsequenzen ziehen, alle Chemiewerke schließen und die Verwendung von Chemikalien in der Lebensmittelindustrie konsequent verbieten? Sterben jetzt alle Fallingbosteler an Krebs? Fragen über Fragen, auf die die Qualitätsmedien von Mopo bis FR bislang wenig Antworten haben.
Noch bevor Greenpeace und Foodwatch aufwachen, ist es Zeit, ganz klar zu sagen: Ja, es ist notwendig, die Lebensmittelindustrie völlig auf Chemikalienfreiheit umzustellen: Produktionsanlagen dürfen nur noch mit Wurzelbürste und Scheuersand gereinigt werden, Schädlinge werden durch Granderwasser-energetisierte Hochpotenzen von bei Vollmondschein zerstoßenen orientalischen Schaben bekämpft, es werden keine Backtriebmittel, keine Pilze, Bakterien, Hefen und sonstige Krankheitserreger mehr eingesetzt, Pökelsalz fällt ebenso weg wie das hoch toxische Sodiumchlorid und das ebenso tödliche Dihydrogeniumoxid H2O (was hat ein Stoff, der in Atomreaktoren und in der Gentechnik verwendet wird, in Lebensmitteln zu suchen?), und alle krebserzeugenden und giftigen Stoffe wie Anthozyane, Kumarine, Phasine, Myristicine und Elemicine werden ebenso verboten wie ätzende Säuren (Folsäure, Zitronensäure, Ascorbinsäure). Und was haben Metalle wie Eisen, Magnesium und Natrium in Essen und Getränken zu suchen?
Dass wir dann auf Brot, Wein, Käse, Bier, Beeren- und Zitrusfrüchte, Marmelade, Wurst, Gemüse, Salat, Salz und Wasser verzichten müssen - kein Problem, dafür ist das wenige, dass wir dann noch essen können, bevor wir verdursten, ganz bestimmt unbelastet.
Liest man die Artikel über die „Giftgas-Katastrophe von Fallingbostel“ („noch keine Toten“!) und die Leserkommentare, so muss man feststellen, dass unsere Schulen Fortschritte machen. Es zahlt sich aus, dass Schüler Fächer wie Chemie und Biologie, in denen doch nur Gehirnwäsche für die Industrie betrieben wird, abwählen können. Und für den homöopathischen Rest der hoffnungslosen Fälle, die noch immer nicht von den naturwissenschaftlichen Fächern lassen können, sollte im nächsten Schritt das NRW-Modell zur Friedenserziehung Vorbild sein: Keine Indoktrination durch Chemie- und Biolehrer mehr, ohne dass ein Greenpeace- oder Foodwatch-Experte anwesend ist, der den Schülern die tatsächlichen Gefahren der Forschung und der mörderischen Lebensmittelindustrie nahe bringen kann!
Bei der Reaktion von Salpetersäure und Natronlauge entsteht übrigens Natriumnitrat (ein Salz) und Wasser. Die Reaktion verläuft heftig (Kühlung ist angebracht), und es können nitrose Gase entstehen. Die sind nicht gerade gesundheitsfördernd, wenn man in der Nähe ist, gehörten aber bis in die siebziger Jahre zum Bestandteil der Luft im Ruhrgebiet, kenntlich an der rotbraunen Verfärbung am Himmel über den Stahlwerken, wenn “abgeblasen” wurde. Wir Ruhrpottkinder leben alle noch, ohne dass wir zweimal täglich evakuiert wurden.
In Fallingbostel war die Feuerwehr war gut beraten, Vollschutz anzulegen, weil nitrose Gase ziemlich ätzend sind, aber man kann die Gaswolken mit Wasser abregnen. Ob es nötig war, die Nachbarschaft zu evakuieren und die A7 zu sperren, darüber lässt sich streiten. Vorsicht ist sicher besser, aber das ganze als Giftgas zu bezeichnen, ist absurd. Am Ende kommt doch nur Nitrat dabei heraus.
Die beste Berichterstattung kam übrigens aus Fallingbostel selbst. Die Fallingbosteler Kreiszeitung veröffentlichte den informativsten und nüchternsten Bericht, der zu dem Zwischenfall zu lesen war: http://www.kreiszeitung.de/nachrichten/landkreis-sfa/walsrode/chemieunfall-fallingbostel-loeste-grosseinsatz-aus-vorsorgliche-evakuierung-weinberg-siedlung-2549770.html - ganz unaufgeregt und ohne Panikmache. Hut ab!