Thomas Rietzschel / 23.02.2018 / 11:31 / Foto: Pixabay / 13 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Barbie im Feldlager

Es gibt ein Foto, darauf sieht man die Bundesministerin der Verteidigung im zartrosafarbenen Kampfanzug. Alles Ton in Ton, die Bluse unter dem kurzen Blazer noch etwas heller als der Rest der Aufmachung, passend dazu die Schühchen in der Trendfarbe „nude“.

Breit lächelnd blickt die Chefin deutscher Verteidigung in die Kamera. Sie ist in die Knie gegangen. Neben ihr ein Zelt, gerade groß genug, dass darin zwei Soldaten auf dem Bauch liegen können. Auch sie lächeln uns an, mit erhobenem Kopf auf die Ellenbogen gestützt. Die Gesichter sind, kontrastierend mit dem Teint ihrer Dienstherrin, dunkel bemalt; bei dem einen ziehen sich schwarze Streifen schräg von der Stirn bis zum Kinn. Die übliche Tarnung.

Bloß gut, denkt man unwillkürlich, bloß gut, dass Ursula von der Leyen gleich nach ihrem Amtsantritt sich darum gekümmert hat, die Spinde in den Kasernen mit „Schminkspiegeln“ auszustatten. Sonst müssten die Männer womöglich mit finsterer, schweißverklebter Miene neben ihr posieren. So aber ist ein Bild entstanden, dass es verdient, in die Sammlung des Deutschen Historischen Museums aufgenommen zu werden. Symbolisiert es doch den Umbau der Streitkräfte in eine Truppe, deren Darbietungen ästhetisch überzeugen müssen, ohne dass sie noch militärischen Anforderungen gerecht werden sollten.

Der bereits als zukünftige NATO-Generalsekretärin gehandelten Oberbefehlshaberin ist es gelungen, aus der Bundeswehr einen „Arbeitergeber“ zu machen, dessen Angestellten die Handhabung funktionierender Waffen zunehmend erspart bleiben wird. Zwar gibt es noch immer, weil das nun einmal zur Darstellung einer Armee gehört, Gewehre, Panzer und anderes schweres Gerät, doch steht vieles davon mittlerweile entschärft im Arsenal.

Es fehlt vor allem an politischem Rückhalt

Der Bestand der einsatzbereiten Ausrüstung ist auf 50 Prozent geschrumpft. Am Standort Munster könnten von 44 Kampfpanzern des Typs Leopard 2 gerade noch zwei ausrücken; von den 14 Schützenpanzern stehen drei zur Verfügung. Winterbekleidung und Zelte müssen notfalls, bei politisch zugesagten Auslandsmissionen, von einer Kompanie an die andere verliehen werden. Von „dramatisch schlechten“ Zuständen spricht der Wehrbeauftragte. Noch deutlicher wird der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, wenn er kurzerhand „die Auflösung der Bundeswehr“ vorschlägt.

Beileibe keine Panikmache eines frustrierten Soldaten, der unbelehrbar aufs Kämpfen versessen wäre, vielmehr die auf den Punkt gebrachte Konsequenz einer Politik, zu deren Vollstreckung Ursula von der Leyen berufen wurde. Dass ihr die Aufgabe auf den Leib geschrieben ist, dass es eines militärischen Dummchens bedurfte, dieses Projekt tatkräftig anzupacken, ändert nichts daran, dass sie sich auf den Konsens aller Parteien berufen kann. Denn tatsächlich fehlt es dem Heer, wie die FAZ schreibt, „nicht nur an Geld und Gerät“, sondern „vor allem an politischem Rückhalt“.

Zielstrebig wurden die Streitkräfte mit Abschaffung der Wehrpflicht und fortgesetzten Sparmaßnahmen über die Jahre hin, seit 1990, zu einem Ensemble umgebaut, das wie in Schillers „Wallenstein“ Armee spielen soll, ausgestattet mit Requisiten, nicht aber mit Waffen, die es den Akteuren erlaubten, zu sein, was sie darstellen. Wann wurden Soldaten jemals derart veralbert? Wer hat sie je zu einer Aufführung verdonnert, die wir unterdessen eher nach theaterkritischen als nach militärischen Kriterien zu beurteilen haben?

Die Vorspiegelung eines lustigen Soldatenlebens

Und das alles, ohne dass ihnen gesagt worden wäre, es gehe doch nur noch um die Attrappe, um einen Auftritt gleich dem der Schweizer Garde vor dem Vatikan, bloß nicht ganz so bunt. Dass die Männer, und mittlerweile auch viele Frauen, dann gleichwohl zu hoch gefährlichen Auslandseinsätzen abkommandiert werden, setzt der Heuchelei die Krone auf.

Es grenzt an Verhöhnung, wenn die Parteien jetzt das große Wehklagen anstimmen und sich scheinheilig über die schlechte Ausrüstung erregen. Oder haben die Roten, die Schwarzen, die Gelben und die Grünen schon vergessen, welche Debatten es jedes Mal gab, sollte eine neue Flinte angeschafft werden: Wozu diese Kosten, wozu überhaupt noch eine Armee, die feuern kann?

Wie kommt die CDU, die Partei der Frau von der Leyen, dazu, sich plötzlich über den „desolaten Zustand der Ausrüstung“ zu ereifern? Woher nimmt Andrea Nahles den Mut, laut zu tönen, dass „die Bundeswehr für ihre Aufgaben gut gerüstet sein muss“? Welche Aufgaben meint sie, wenn die SPD zugleich zu verhindern versucht, dass zukünftig zwei Prozent unseres BIP für die NATO aufgewendet werden? Von welcher Amnesie ist die FDP befallen, dass sie den „erbärmlichen Zustand“ der Bundeswehr beklagt, als sei sie aus allen Wolken gefallen?

Wenn hier etwas „erbärmlich“ ist, dann doch nur eine politische Aufführung, die der Theaterkritiker nach Strich und Faden verreißen müsste. Die Vorspiegelung eines lustigen Soldatenlebens wie auf dem Foto der Verteidigungsministerin mit den lachenden Soldaten. Das Bild passt wie die Faust auf’s Auge: Kasernen-Barbie im Feldlager. Beinahe schon ein Kunstwerk. 

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Andreas Rochow / 23.02.2018

Wie klug und konsequent, dem Verteidigungsministerium dieses “militärische Dummchen” vorzusetzten. Alle Patrioten der Tat, Berufssoldaten, aktive Offiziere, Reservisten, all jene, denen es als prophylaktische Fahnenflucht erschienen wäre, den Wehrdienst zu verweigern, alle müssen sich mit der Tatsache abfinden, dass heute “internationale Solidarität” nur noch mit Geld und guten Worten betrieben wird. Der Ordnungsstaat D verzichtet auf Grenzen und erklärt den Anspruch auf innere Sicherheit zu einer von Rechtspopulisten geschürten Angelegenheit. - Vorreiter-D leistet sich also ganz bewusst und demonstrativ eine Oberbefehlshaberin, die Wehrhaftigkeit, innere Sicherheit und Bündnisverpflichtungen für überflüssig und alle Soldaten für Mörder hält. Was soll man da anderes erwarten als eine Spar-Bundeswehr mit maroder Ausrüstung. Vorreiter eben.

Frank Hilgers / 23.02.2018

Keine Panzer, Zelte und Winterbekleidung. Man könnte meinen es handelt sich um einen Funkspruch von General Paulus aus Stalingrad.

Andreas Rühl / 23.02.2018

Wie hat sich in den letzten 20 Jahren das Verhältnis zwischen Soldaten und Material zum Verwaltungswasserkopf entwickelt? Wir ahnen, wir wissen: es ist Parkinsons Gesetz, das hier waltet. Das übrigens könnte die Arbeitslosigkeit in unserem Land, ja weltweit, gegen Null bringen: wenn nämlich endlich gar kein Soldat, kein Panzer, kein Gewehr mehr einsatzbereit ist, müsste nach Parkinson die Anzahl der Verwaltungsbeamten unendlich sein. Hipp Hipp Hurrah

Werner Arning / 23.02.2018

Wenn man das Foto betrachtet, glaubt man eine Mutter zu sehen, die kurz auf dem Spielplatz vorbeischaut, um ihren jugendlichen Bengeln schnell ein Butterbrot vorbeizubringen und sie ermahnt, heute Abend pünktlich zum Abendessen zuhause zu sein.  Mami hat zwar Verständnis für den Quatsch, den sie da treiben, aber müssen sie sich denn gleich so dreckig machen. Nachher geht es ab in die Badewanne, ihr Lausebengel. Meine Güte, müssen sich die Soldaten, erwachsene Männer und Frauen, veralbert vorkommen von dieser Chefin und ihren Schminkspiegeln im Spind. Spielt noch ein bisschen Räuber und Gendarm mit euren Fake-Gewehren, aber wehe Mami findet ein verbotenes Bild von einem Sodaten in Wehrmachtsuniform. Dann ist aber Schluss mit Lustig.

Alexander Damaskinos / 23.02.2018

“...dass sie sich auf den Konsens aller Parteien berufen kann.” Herr Rietzschel, auch wenn ich die Qualität Ihrer Beiträge sonst sehr schätze - hier verbreiten Sie wahre Fake News. Von ALLEN Parteien kann nicht die Rede sein. Sie übersehen, dass - nicht irgendeine, sondern gleich - die größte Oppositionspartei ganz klar die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr fordert. Das dürfte einem Publizsten Ihrer Qualität nicht passieren. Sorry.

Gabriele Klein / 23.02.2018

Ja, ich frag mich schon lange bei den vielen Pressebildern der Verteidigungsministerin (meist auf Seite 1),  wer jetzt eigentlich für wen da ist. Die Ministerin für die Armee oder die Armee für die Ministerin?

Thomas Weidner / 23.02.2018

Man sollte das alles strategisch überblicken, was in der Berliner Republik abläuft: Löhne kürzen, das kann keinesfalls eine CDU (wegen der Gewerkschaften…) - aber eine SPD, welche mit Gewerkschaftshilfe an die Macht will (Schröder mit der Agenda 2010). Eine Bundeswehr zur Operettenarmee umgestalten kann dafür keinesfalls eine SPD - das kann aber die CDU…

Detlef Dechant / 23.02.2018

Es ist sehr einfach, die Schuld nur der Politik zuzuschreiben. Wo ist der General, der den Hut nimmt, weil er sich nicht mehr in der Lage sieht, seinen Auftrag mit reinem Gewissen zu erfüllen? Sie spielen alle mit, freuen sich auf ihre Pension, um dann aus ihrer sicheren Altersversorgung heraus schlaue Bücher zur Reform der Bundeswehr zu schreiben oder sich entsprechend in Interviews zu äußern. Die haben alle keine Ehre mehr im Leib. Ich konnte es noch erleben (1970er Jahre), wie ein Major während einer größeren disziplinaren Ermittlung einem General offen drohte, sofort die Uniform auszuziehen, wenn sich dieser nicht an die Dsziplinarordung und soldatische Gepflogenheiten halten würde. Er meinte es sehr ernst und er wurde auch ernst genommen! Das Untersuchungsverfahren wurde geändert! Aber heute? Wann ist der letzte General gegangen, weil er sich mit dem, was von ihm verlangt wurde, nicht mehr identifizieren konnte und dafür auch die Verantwortung nicht übernehmen wollte?

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