Katharina Szabo / 27.07.2013 / 15:17 / 3 / Seite ausdrucken

Geschlossene Gesellschaft a la Krömer

Die Frage, wie weit die Grenzen der Kunstfreiheit gesteckt sein sollen, treibt uns immer wieder um. Was darf Kunst also, wie weit darf ihr Ausdruck gehen? Mit diesem Problem schlägt sich derzeit auch der Journalist und Autor Matthias Matussek herum. Bei der Aufzeichnung der ‘Late Night Show’ des Entertainers Kurt Krömer, wurde er vom Gastgeber wiederholt als ‘Puffgänger’ bezeichnet.

Matthias Matussek, der nicht nur verheiratet, sondern überzeugter Katholik ist, einen Puffgänger zu nennen, ist so originell und witzig, wie Charlie Sheen einen Mönch zu heissen. Die Geschmäcker sind verschieden.

Matussek möchte die Ausstrahlung der beleidigenden Passagen gerichtlich verhindern lassen, Kurt Krömer kontert mit Satire- und Kunstfreiheit. Kurt Krömer macht keine Satire. Auch provoziert er nicht, denn Provokation bedeutet, ein Tabu zu brechen oder ein gesellschaftlich totgeschwiegenes Thema aufs Tapet zu bringen. Kurt Krömer zelebriert die Antikommunikation. Dass er uns dabei wissentlich und willentlich einen Spiegel vorhält, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich hat er als Kunstfigur, ähnlich wie Cindy aus Mahrzahn, nur diesen einen Gag auf Lager.

In Sartres Roman ‘Geschlossene Gesellschaft’ begegnen sich drei Personen nach ihrem Tod in einem verschlossenen und fensterlosen Salon. Sie werden von einem Kellner in den Salon geführt, der sie auch mit den Gegebenheiten des Raumes bekannt macht. Die Türe kann nur von außen geöffnet werden, die Klingel funktioniert nicht immer. Bald beginnen die drei mit dem quälend sinnlosen Unterfangen, sich miteinander auseinanderzusetzen. Jeder wird dabei zum Folterknecht des jeweils Anderen.

Gefangen in einem Kreislauf aus Selbstdarstellung, Unechtheit, Gier nach Anerkennung und Ablehnung, beschließen sie zwischenzeitlich, nicht mehr miteinander zu interagieren. Doch auch das bringt keine Erlösung. Der Raum kann nicht verlassen werden. Es gibt kein Entkommen. Die Hölle, das sind die anderen, oder das Urteil der anderen über uns. Die Hölle, das sind auch Jauch, Plasberg, Will und Illner, die öffentlich rechtlichen Zeremonienmeister hohler Phrasen. Und ganz am Ende wartet die Kurt Krömer Show.

Selbst der von sich selbst unerschütterlich überzeugte Jürgen Trittin tut dem gequälten Zuschauer plötzlich leid, wenn er auf Krömers Sofa zu einem hilflosen Nichts zusammenschrumpft.

Jean-Paul Sartre sagte über seinen Roman, ‘Die Hölle sind immer die anderen’, bedeute nicht, dass die Beziehungen zu anderen immer vergiftet seien. Vielmehr hätte er zum Ausdruck bringen wollen, dass Beziehungen, wenn sie verquer sind, dazu führen, dass der Andere zu unserer Hölle wird. Um uns selbst zu erkennen, benutzen wir die Kenntnisse, die die anderen schon über uns haben. Sind meine Beziehungen schlecht, begebe ich mich somit in die totale Abhängigkeit.

Die Personen in Sartres Roman sind tot. Sie können die Hölle nicht verlassen. In seinem Stück, so Sartre, symbolisiere ‘tot’ natürlich etwas. “Ich wollte zeigen, dass viele Leute in einer Reihe von Gewohnheiten und Gebräuchen verkrustet sind, dass sie Urteile über sich haben, unter denen sie leiden, die sie aber nicht einmal zu verändern suchen. Und diese Leute sind wie tot. Insofern sie den Rahmen ihrer Probleme, ihrer Gewohnheiten und ihrer Ambitionen nicht durchbrechen können und daher oft Opfer der Urteile bleiben, die man über sie gefällt hat. Von daher ist es ganz evident, dass sie zum Beispiel feige oder bösartig sind.”

Die Lebenden aber sind frei, jeden Teufelskreis zu durchbrechen. Kurt Krömers Gäste begehren in der Regel nicht auf. Einigen wenigen merkt man an, dass sie selber Spaß an der Sache haben. Der Großteil aber läßt sich schicksalsergeben und widerspruchslos demütigen. Starr vor Angst. Mancher verstummt gar und interagiert nicht mehr. Der Kellner Krömer serviert dabei weiter Getränke und sinnlose Bosheiten, wohl wissend, dass keiner die Bühne verlassen wird. Sie haben sich freiwillig in die Hölle begeben, dort bleiben sie auch. So ist das nun mal. Erfolgreich ist, wer Showgast ist. So kann die Krömer Show also auf immer und ewig weitergehen.

Wenn Kurt Krömers Show Kunst ist, ein Theaterstück ohne Drehbuch, dann ist auch das Handeln der Darsteller von der Kunstfreiheit gedeckt. Matthias Matussek hat bedauert, Kurt Krömer nicht gleich während der Aufzeichnung der ‘Late Night Show’ die Fresse poliert zu haben. Oder einfach von der Bühne gegangen zu sein. Das ist wirklich bedauerlich. Es hätte kein authentischeres Ende des Stückes geben können. Matusseks lebendiger Protest hinterher ist aber auch erfrischend.

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Leserpost

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Ronald M. Hahn / 28.07.2013

Eine schöne künstlerische Provokation wäre es gewesen, wenn Herr Krömer den mohammedanischen Prediger Pierre Vogel in seine “Sendung” eingeladen und dort vor aller Augen als UNGLÄUBIGEN bezeichnet hätte. Wahrscheinlich hat er sich aber gesagt, dass die Katholiban viel gefährlicher sind als die Sturmtruppen der Religion des Friedens, und das Presseecho dementsprechend.

Thomas Schweighäuser / 27.07.2013

Offenbar ist sich die Autorin nicht ganz sicher, ob es sich bei “Huis clos” um ein Drama oder um einen Roman handelt. Schrecklich wäre es, wenn sie nicht einmal wüsste, dass es sich um unterschiedliche Gattungen handelt. Immerhin erfahren wir aber am Ende, welche Meinung Frau Szabo zu der hochwichtigen Causa Matussek vs. Krömer vertritt: einerseits mache Krömer wohl doch so etwas wie Kunst, andererseits aber hätte Matussek ihm ruhig “die Fresse polieren” (das ist das Deutsch des Onlinejournalismus) können.

Dr. Katharina Kellmann / 27.07.2013

Herr Broder hat seinem Freund öffentlich geraten, es sportlich zu nehmen - keine schlechte Empfehlung. Denn letztlich muss jeder wissen was passiert, wenn man als Gast an einem solchen ‘Format’ teilnimmt. Ich habe mir mal eine Sendung angesehen; das Publikum lachte sich richtig in Ekstase. Mir ging es so, wie in den neunziger Jahren mit Helge Schneider: Ich verstand die Begeisterung nicht. Matussek hätte ja auch kontern können, etwa nach dem Motto: Schade, Herr Krömer, wenn man sich früher im Haus mit der roten Laterne begegnete, dann denunzierte man sich später nicht in der Öffentlichkeit. Ob juristische Mittel helfen? Auch die Freiheit der Kunst stößt an verfassungsimmanente Schranken, ja. Aber beide Beteiligten sind Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und möglicherweise wird sich Herr M. vorhalten lassen müssen, dass er als Medienschaffender den Charakter der Sendung hätte kennen müssen. Und im Rahmen einer Unterhaltungssendung mit ‘schrägem Humor’ fallen solche Äußerungen unter Umständen unter den Begriff Kunst. Die Juristen haben nämlich einen anderen Kunstbegriff als (oder wie?) Lessing, der meinte, Kunst käme von Können. Aber es ist schon interessant, was deutsche Prominente so umtreibt: Antifa gegen David Irving; Herr Robbe (als Kriegsdienstverweigerer auch mal Wehrbeauftragter des Bundestages) schwitzt für Israel, und Herr Matussek will Herrn Krömer verklagen. Jetzt fällt mir eines auf: Frau Szabo vergleicht die Sendung mit der Hölle. Wenn das stimmt, dann befand sich der gläubige Katholik Matussek im Fegefeuer. Das ist doch eine Prüfung, die sein geistiger Chef für ihn vorgesehen hat. Nein, da wäre eine Klage noch nicht mal zulässig…

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