Gastautor / 26.05.2013 / 18:29 / 0 / Seite ausdrucken

Gentechnik für alle!

Ludger Weß

In den 1980er Jahren wollten die Grünen und mit ihnen Maschinenstürmer in K-Gruppen und Gewerkschaften die Einführung von ISDN, Computern und Automatisierung verhindern. Sie scheiterten an der Begeisterung der Nutzer. Bei der medizinischen Biotechnologie und der Fortpflanzungsmedizin war es ähnlich: Die Grünen wollten die gentechnische Herstellung von Insulin, die Reagenzglasbefruchtung, Gen- und Stammzelltherapie sowie die Genomanalyse verbieten. Die Patienten schlugen die Warnungen in den Wind, weil die Vorzüge überzeugend waren und sind. Nur bei der grünen Gentechnik ist es anders. Die Grünen und vorgebliche Umweltschützer konnten sie aus Deutschland vertreiben und halb Europa mit ihren Horrorszenarien anstecken.

Der Grund für diesen „Erfolg“ liegt auf der Hand: Die ersten grünen Gentechnik-Produkte, die auf den Markt kamen - länger haltbare Tomaten - waren ein Marketing-Desaster, ebenso wie die heutigen herbizidresistenten oder insektizidproduzierenden Pflanzen. Es gibt in der grünen Gentechnik bislang kein Produkt, das breite Teile der Bevölkerung begeistert.

Das könnte sich jetzt ändern, dank einer unscheinbaren Pflanze namens Acker-Schmalwand. Jeder Mitteleuropäer ist ihr schon hunderte Male am Wegrand begegnet, aber er wird sie kaum wahrgenommen haben. Arabidopsis, so der lateinische Name, ist zwar häufig, aber ein echtes Mauerblümchen-Unkraut, mit einer Blattrosette am Boden, aus der nur ein dünner, kaum verzweigter Stängel emporragt. Die wenigen Blättchen sind schmal, die weißen Blüten nur zwei, drei Millimeter groß.

Jetzt soll dieses Aschenputtel unter den Pflanzen in eine buchstäblich leuchtende Schönheit verwandelt werden. In den USA wollen ein paar junge Biotech-Fans mit 60.000$ den Einbau eines Gens realisieren, mit dem die Pflanze einen phosphoreszierenden Schimmer erzeugen kann, ähnlich dem Meeresleuchten. Ihren Plan stellten sie Anfang Mai auf der Finanzierungsplattform Kickstarter vor. Schon ab 5$ können sich Unterstützer an dem Projekt beteiligen. Wer mindestens 40$ zahlt, bekommt im nächsten Jahr ein Tütchen mit Samenkörnern zugesandt. Daraus lassen sich dann ein paar Dutzend sanft grünlich schimmernde Pflänzchen für die Fensterbank oder den Garten ziehen - ganz legal in den USA, denn die Gentechnik-Gesetze des Landes erlauben Experiment und Freisetzung.

Die Idee fand ein überwältigendes Echo. Innerhalb von 48 Stunden kamen die 60.000$ zusammen; derzeit liegt die Summe bei knapp 390,000$, gespendet von mehr als 6.800 Enthusiasten. Sollten bis zum 7. Juni 400.000$ oder mehr zusammen kommen, will das Team zusätzlich eine leuchtende Rose produzieren.

Das Projekt folgt dem Open Source-Gedanken - keine Lizenzen, keine Patente, komplette Offenlegung der Arbeitsschritte und Gensequenzen. Jeder Hobbybiologe soll das Experiment nachmachen können, und jeder darf die leuchtenden Pflänzchen weiter züchten und Samen und Ableger an Freunde und Bekannte verschenken. Die Forschungsarbeiten sollen in einem Hobbylabor in Kalifornien durchgeführt werden. Bereits 150 Unterstützer haben für je 250$ Baukästen bestellt, in denen alle Geräte, die nötigen Chemikalien und Bakterien, eine Anleitung und das Genmaterial enthalten sind. Sie wollen das Experiment parallel selbst durchführen.

„Gentechnik für alle“ ist tatsächlich keine Utopie mehr. Chemikalien und Gerätschaften sind inzwischen so billig geworden, dass sie auch für Amateure mit schmalem Budget erschwinglich sind. Dienstleister auf der ganzen Welt produzieren und liefern Genmaterial auf Bestellung. Da diese derzeit zumeist (noch) nicht an Privatleute liefern, haben Enthusiasten inzwischen eigene Gensynthese-Geräte für den Nachbau entwickelt oder kaufen gebrauchte bei eBay. Diese Hobby-Gentechniker, die sich gern „Bio-Hacker“ nennen, gibt es inzwischen überall und sie haben mit iGEM (International Genetic Engineered Machine) bereits seit 2004 ihren jährlichen internationalen Wettbewerb. Einen guten Überblick über die Szene haben kürzlich die Journalisten Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg veröffentlicht - einschließlich einer Beschreibung ihrer eigenen Experimente in einem Berliner Journalistenbüro (Biohacking - Gentechnik aus der Garage).

Damit es noch einfacher wird, hat das noch junge israelische Unternehmen Genome" target="_blank" >http://www.genomecompiler.com">Genome Compiler eine auch für Laien verständliche und kostenlos zugängliche Software für gentechnische Experimente entwickelt, eine Art Windows für die Gentechnik. Sie wird genutzt werden, um das beste Design für das Leucht-Gen aus dem Glühwürmchen und dessen Einbau in die Pflanze zu ermitteln. Hergestellt wird das genetische Material mit einer neuen Technologie zum „Drucken“ von DNA mithilfe von weiter entwickelten Laserdruckern. Diese von Cambrian Genomics entwickelte Technik bringt die Kosten auf 25 Cent pro Basenpaar. Das Gen wird ca. 10.000 Basenpaare umfassen, entspricht also Herstellungskosten von 2.500$. Das ist für breite Anwendungen noch zu teuer, aber der Preis pro Basenpaar fällt schneller als die Preise für Mikrochips in den letzten 20 Jahren gesunken sind. In zwei Jahren könnte er bei einem Zehntel des derzeitigen Preises liegen.

Es ist daher an der Zeit, glauben die Macher des Kickstarter-Projekts, eine breite Öffentlichkeit vom Nutzen der Technologie zu überzeugen, sie zu begeistern und zum Mitmachen einzuladen. Initiatoren sind der Pflanzengenetiker Kyle Taylor, Omri Amirav-Drory, Biochemiker und Gründer von Genome Compiler und Antony Evans, Mathematiker und Unternehmensberater. Sie wollen demonstrieren, wie unkompliziert Gentechnik heute ist und welche Möglichkeiten sie bietet, auch anspruchsvolle Projekte mit einfachen Mitteln zu realisieren. „Gentechnik“, sagt Amirav-Drory, „bietet ein ungeheures Potenzial, Ressourcen zu schonen und viele Dinge nachhaltig zu erzeugen. Stellen Sie sich nur einmal vor, wir könnten nachts auf Straßenbeleuchtung verzichten, weil leuchtende Pflanzen uns den Weg weisen.“ Er verweist auf den Personal Computer: „Anfangs konnte man damit nicht viel mehr machen als zu spielen, Texte zu schreiben oder Kalkulationen durchzuführen. Aber sehen Sie sich an, was inzwischen daraus geworden ist - Anwendungen, die sich am Beginn kaum jemand vorstellen konnte.“

Es geht den Initiatoren um nichts weniger, als die Gentechnik zu demokratisieren und „The End of Big“ auch auf diesem Gebiet einzuläuten. „Gentechnik“, sagt Amirav-Drory, „wird nicht mehr lange eine Domäne von akademischen Forschungseinrichtungen und Konzernen sein, sondern schon bald Einzug in Küche und Garten halten. Der unglaubliche Erfolg des Kickstarter-Projekts gibt uns Recht: Es gibt schon jetzt sehr viele Menschen, die sich für die Technik und die Möglichkeiten, die sie bietet, begeistern. Ich bin sicher, wir bringen da etwas ins Rollen, das viele Nachahmer finden wird.“

Nicht nur in den USA: Selbst in Deutschland kommen die sauertöpfischen grünen Spießer gegen das Interesse junger Menschen an der Gentechnik kaum noch an. Die Facebook-Proteste der niedersächsischen Schüler gegen die Beendigung des Modellprojekts HannoverGen, das ihnen gentechnische Experimente im Schullabor ermöglichte, sprechen Bände. Es war genau diese Begeisterung („Akzeptanz“ auf Gründeutsch), die die Grünen so sehr fürchten, dass das Verbot von HannoverGen eine Kernforderung für den Koalitionsvertrag mit der SPD war.

Verbieten ist auch das Mittel, das den amerikanischen Gegnern der Gentechnik das Liebste wäre. Die „Freunde der Erde“ und andere Gentechnik-kritische Organisationen sind in heller Aufregung, denn die üblichen Argumentationsmuster (Gentechnik ist im Interesse von Großkonzernen, benachteiligt Farmer, monopolisiert „das Leben“, vergiftet die Nahrungskette, schädigt Nützlinge) greifen nicht. Zudem soll das Projekt auch noch nachhaltige Ziele unterstützen. Hilflos beschwören „Friends of the Earth“ in einem Brandbrief einmal mehr die Katastrophe einer „großräumigen, zufälligen und unkontrollierten Freisetzung“ von „biotechnologisch verändertem Saatgut und Pflanzen“ herauf, „ohne Evaluierung, Aufsicht, Monitoring und Haftung“. Sie verlangen von Kickstarter und den amerikanischen Aufsichtsbehörden einen Stopp des Projekts und schlagen vor, das eingesammelte Kapital der Entwicklung von Solarzellen zufließen zu lassen.

Die Aussichten sind gering, denn das Kickstarter-Projekt hat sich zuvor von den US-Behörden gut beraten lassen. Die Leuchtpflanzen, die an die Unterstützer verschickt werden, werden mit einer so genannten Gen-Gun hergestellt, bei der das Leucht-Gen in die Pflanzenzellen „geschossen“ wird. Damit sind im Prozess weder Pflanzenschädlinge wie das in der Pflanzengentechnik sonst so beliebte Agrobacterium tumefaciens noch Herbizide oder Pestizide involviert, es werden keine Antibiotikaresistenzen mitübertragen (das Leucht-Gen gilt als so genanntes Marker-Gen) und die Pflanze gilt als Zier- und nicht als Nutzpflanze. Sie fällt daher nicht unter die üblichen Regulierungen und muss von den Behörden auch nicht zugelassen werden.

Und was ist mit den imaginierten Gefahren? Die Möglichkeiten von Auskreuzung und unkontrollierter, weiter Verbreitung in der Natur sind sehr gering, sagt Projektmanager Antony Evans. „Die Pflanze wird weder durch Insekten noch durch den Wind bestäubt und hat nur wenige Verwandte, mit denen sie kreuzungsfähig ist. Anstatt der Pflanze einen Selektionsvorteil zu verschaffen, bürden wir ihr eine zusätzliche Stoffwechsellast auf, die das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung weiter reduziert - die Pflanze wird eher schwächer im Vergleich zu ihren unveränderten Verwandten. Zudem zählt die Pflanze weder zur tierischen noch zur menschlichen Nahrung, und es gibt kein Risiko, dass sie in die menschliche Nahrungskette gerät.“

Auch wenn Herstellung, Zucht, Verbreitung und Freisetzung einer leuchtenden Pflanze Biotech-Enthusiasten in Europa derzeit verboten sind - ist die Pflanze einmal da, wird sich ihre Verbreitung auch in Europa kaum mehr verhindern lassen. Tausende von Menschen werden die Pflanze haben wollen und die Samen entweder schmuggeln oder die Arbeitsanleitung befolgen, und weder die Grünen noch Greenpeace noch die EU-Kommission oder das Bundeskriminalamt werden das verhindern können.

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