Ralf Schuler / 30.05.2013 / 11:29 / 0 / Seite ausdrucken

Genitale Politik

Die drängendsten Probleme zuerst! Der CDU-Abgeordnete Peter Tauber hat dieser Tage den Kongress über Intersexualität „Zwischen den Geschlechtern“ besucht und auf seinem Blog vermeldet, dass der Bundestag das Thema sehr ernst nehme. Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die weiter für das Themenfeld zuständig sein wird, hat sich sehr engagiert auf dem Kongress zu Wort gemeldet.  Der Ethikrat befasste sich bereits Anfang 2012 mit Intersexualität und empfahl die Einführung eines dritten Geschlechts im Personenstandsregister: Weiblich, Männlich „Andere“.

Aber wie viele Menschen betrifft das Problem der Intersexualität nun eigentlich? Nach Angaben von Betroffenen-Verbänden, die für gewöhnlich nicht gerade abrunden, fällt etwa jedes 2000ste Neugeborene unter diese geschlechtliche Besonderheit. Das sind 0,5 Promille.

Nun geht ein guter Christenmensch auch über krasse Einzelschicksale nicht gleichgültig hinweg, aber es ist doch auffällig, mit welcher unverhältnismäßigen Lautstärke und Intensität gesellschaftspolitische Themen im öffentlichen Raum behandelt werden, sobald sie auch nur ansatzweise mit Sex zu tun haben.

Mal abgesehen davon dass die Goldene Palme von Cannes in diesem Jahr an das Epos einer jungen lesbischen Liebe („La vie d’Adèle“) ging und Michael Douglas und Matt Damon dort ihren Film über die Schwulen-Beziehung des früheren US-Stars Liberace („Behind the Candelabra“) vorstellten, schaffte es das erste Homo-Paar in Frankreich dieser Tage sogar auf die Titelseiten deutscher Zeitungen. Die vorangehenden Demonstrationen gegen die Homo-Ehe in Frankreich, fanden sich – wenn überhaupt – weiter hinten.

Etwa 4 Prozent gleichgeschlechtlich orientierte Menschen leben in Westeuropa, und Diskussion über ihre Steuerklassen (Ehegattensplitting) ist über Wochen Debatten-Thema Nummer 1. Während das Interesse am eher ethischen Thema Leihmutterschaft zum Austragen von Kindern für Homo-Paare kaum interessiert, schaffen es Meldungen über Bemühungen in Moskau oder Warschau einen Christopher-Street-Day-Umzug abzuhalten regelmäßig in die Nachrichten.

Mit anderen Worten, nirgends wird so frei und ausgiebig über sexuelle Orientierungen öffentlich debattiert, wie hier. Nirgends kann man seine Neigungen so offen und unbehelligt leben, wie in diesem Teil der Welt. Nirgends nimmt sich die Politik so ernsthaft und hingebungsvoll selbst krassen Rechtsrandgebieten an, auch wenn der zu erwartende Wählerzuspruch der Betroffenen kaum messbar sein dürfte. Nirgends melden sich aber auch die betroffenen Milieus so rabiat und mit kämpferischem Furor zu Wort, wie hier, als gehe es um die Abschaffung der Sklaverei im Nordwesten der zivilisierten Welt. Als Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche (CDU) unlängst öffentlich erklärte, die Zukunft der Gesellschaft liege nicht in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, sondern in den ganz normalen Familien, musste sie ihre Facebook-Seite unter Shitstorm-Beschuss anschließend vom Netz nehmen.

Und die nächste Tagung ist schon in Sicht, wie man dem Blog des „Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien“ (ZtG) der Humboldt Universität“ entnehmen kann: „Sexuelle Vielfalt als wertvolle Verunsicherung“ (13. Juni 2013 in Dortmund). Offensichtlich wird Politik heute auch genital gemacht.

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