Von Peter Bereit.
Ich weiß nicht, wie es ihnen zum Jahreswechsel in Berlin oder anderen Städten erging. Ich und meine Familie hatten bis ein Uhr nachts ein mulmiges Gefühl im Bauch und achteten auf jeden besonders lauten Knall während der Böllerei. Ich musste an Köln denken und daran, was wohl in diesem Jahr am Fuße des Domes ablaufen würde, obwohl ich mir relativ sicher war, dass die Sicherheitsorgane alles unternehmen würden, um Ereignisse wie zum Jahreswechsel 2015/2016 zu verhindern.
Die Augen noch nicht ganz geöffnet, schaltete ich am Neujahrstag das Radio gegen 08.00 Uhr ein und war zunächst erfreut darüber, dass die Feiern in Deutschland relativ ruhig, zumindest ohne Terror, verlaufen waren. In die Freude darüber mischte sich das Entsetzen über den Anschlag in Istanbul. Wieder hatte der Wahnsinn zugeschlagen. Wieder waren viele Menschen aus dem Leben gerissen worden, wenngleich weit von uns entfernt. Obwohl der oder die Täter noch nicht gefasst waren und es bis zum heutigen Tage noch immer nicht sind, braucht man über die Urheber nicht lange zu spekulieren. Zu sehr haben wir uns schon an die nachfolgenden Bekenntnisse einer Spezies gewöhnt, die sich keines noch so grausamen Verbrechens schämt.
Meine Erleichterung über eine ruhige Nacht in Berlin, Köln und anderswo wich einer Art Ekel, als sich zeitnah Frau Peter von den Grünen zu Wort meldete und die Polizei in Köln mit Rassismusvorwürfen konfrontierte. Noch ehe die vielen in der Silvesternacht eingesetzten regulären und zusätzlichen Beamten auch nur ein Wort des Dankes seitens der Politik vernommen hatten oder der Einsatz umfassend ausgewertet worden war, lehnte sich eine der bekanntesten Berufsempörten dieses Landes weit aus dem Fenster und trat die Polizei regelrecht in den Schmutz. Ist das nun Irrsinn oder Methode?
Wo blieb das Polizeiblasorchester?
Ich versetzte ich mich zunächst einmal in die Lage der nordafrikanischen Migranten, die in großer Zahl zum Dom strömten, wo sie von der Polizei abgewiesen wurden. Was ging in ihren Köpfen vor, als sie sich ausgerechnet zu jenem Ort bewegten, wo genau ein Jahr zuvor Unglaubliches geschah? Was hatten sie erwartet? Einen jubelnden Empfang der deutschen Bevölkerung, die genau wusste, dass nur wenige Täter vom letzten Jahr ermittelt und noch weniger verurteilt werden konnten, sich aber möglicherweise erneut unter diesen „Gästen“ befanden? Oder vielleicht den Einsatz des örtlichen Polizeiblasorchesters zu einer zünftigen Begrüßung?
Mal im Ernst. Wie dämlich oder rotzfrech muss man sein, sich unter diesen Umständen an einem Ort zu begeben, an welchem die Erinnerung an eine Schreckensnacht noch immer wach und gegenwärtig ist?
Generalverdacht! höre ich Frau Peter und andere schreien! Spätestens an dieser Stelle rudern die meisten Kritiker zurück, um sich nicht dem Verdacht der Ausländerfeindlichkeit auszusetzen. Sie erfinden allerlei Umschreibungen für das, was in diesem konkreten Falle gegeben war: Ein begründeter Anfangsverdacht gegenüber jenen, die dem äußeren Anschein nach dem Täterkreis des letzten Jahreswechsels entsprachen und - das konnte man nicht unberücksichtigt lassen - zum großen Teil noch immer frei herumliefen. Grund zu der Annahme, dass sie nunmehr geläutert an der Domplatte erschienen waren, um sich zu entschuldigen, hatten nur Frau Peter und einige besonders naive Angehörige der Presse.
Wen hätte die Polizei kontrollieren oder am Betreten des gesicherten Bereichs hindern sollen? Aus Gründen der Abwechslung und der Gerechtigkeit vielleicht Schweden, Franzosen oder Vietnamesen?
Auch der Innenminister hat es nicht geahnt
Es ist nicht lange her, da wehrte sich unsere Politelite gegen die Annahme, Terroristen könnten die Flüchtlingsströme nutzen, um ihre Leute bei uns einzuschleusen. Selbst der Innenminister beteuerte immer wieder, dass keinerlei Hinweise auf solche Absichten existierten. Das mochte man ihm sogar abnehmen, denn dass er oder andere aus der politischen Führungsriege die tatsächliche Lage noch überblickten, glaubte schon damals kaum jemand.
Doch noch einmal zurück zum so bösen Wort Generalverdacht. Die westliche Welt befindet sich in einem Krieg mit Vertretern der extremsten Form des Islam. Daran besteht kein Zweifel. Dass sie zum Ausbruch dieses Krieges selbst beigetragen hat und nach wie vor mit korrupten Regimen eng zusammenarbeitet, sie fördert und irsinnigerweise mit Waffen aller Art ausrüstet, sollte nicht unerwähnt bleiben. Siehe Saudi-Arabien.
Fakt ist auch, dass wir es mit einer Art Krieg zu tun haben, in dem weder der Gegner noch der Frontverlauf genau bestimmt werden können. Eine solche Situation führt zwangsläufig dazu, dass eine generelle Vorsicht gegenüber jenen geboten ist, die auch nur ansatzweise Sympathien für diese Art von Ideologie aufweisen. Das muss man nicht befehlen oder anordnen, das gebietet der gesunde Menschenverstand. Dass davon auch unverdächtige Personen betroffen sein können, ist bedauernswert, lässt sich aber nicht vermeiden. Wenn drei Familienmitglieder vom Blitz erschlagen wurden, wird der Rest der Familie lieber daheim bleiben, als während eines Gewitters im Wald spazieren zu gehen. Wir haben es uns nicht ausgesucht.
Leider steht dem gesunden Menschenverstand in diesem Lande seit Jahrzehnten eine Politik gegenüber, die dem Hohn spricht. Unter Berufung auf das Grundgesetz wurden in Deutschland Bedingungen geschaffen, die einem Schlaraffenland für Terroristen und ihre Hintermänner gleichen. Nach wie vor treten Hassprediger auf, können Missionare wie ein Pierre Vogel ihre unseligen Botschaften unter das Volk bringen. Massenmörder, wie der vom Berliner Weihnachtsmarkt, wurden mit Steuermitteln alimentiert, weil niemand mehr weiß, wer Freund oder Feind ist und alle den Überblick verloren haben.
Wie in Bagdad oder Kabul
Alles was der Regierung, voran der Bundeskanzlerin einfällt, ist der Aufruf: Weiter so! Wir lassen uns unsere Lebensart nicht nehmen und uns nicht einschüchtern. Gelassenheit zeigen! Welch ein Blödsinn. Als hätten wir eine andere Wahl, als im Großen und Ganzen unser Leben so weiterzuführen wie bisher. Dahinter verbirgt sich weder patriotischer Kampfesmut noch eine politische Überzeugung, sondern lediglich eine gehörige Portion Pragmatismus. Im Grunde geht es uns nicht anders als den Menschen in Bagdad oder Kabul. Trotz täglicher Attentate müssen die Menschen ihr Leben weiterleben. Sie haben keine Wahl.
Wie sehr wir unsere Lebensart teilweise schon geändert haben, lässt sich allerdings in jedem Reisebüro erfahren, sobald Sie nach den Buchungszahlen für muslimische Länder fragen, die Golfstaaten mal ausgenommen. Generalverdacht? Ob nun Generalverdacht oder Generalvorsicht, der Unterschied ist bestenfalls akademischer Natur.
Keine Gesellschaft auf diesem Planeten kann eine absolute Sicherheit gewähren. In diesem Punkt mag man unserer Regierung folgen. Was die Menschen jedoch erwarten können, ist eine kompetente Politik zum Schutze und zum Wohle der eigenen Bevölkerung und nicht eine Auflösung der Gesellschaft unter Berufung auf das Grundgesetz.