Dirk Maxeiner / 07.07.2017 / 06:20 / Foto: ilhamrahmansyah / 18 / Seite ausdrucken

Gedankenpolizei: Ab sofort Zensur für Selbstgespräche

Der Schriftsteller Michael Kleeberg schreibt Romane und Essays, ist ein Übersetzer für prominente fremdsprachliche Kollegen und alles in allem ein willkommenes Mitglied des literarischen Betriebs, wovon auch ein gutes Dutzend Literaturpreise zeugt. Er ist, wie sich das gehört, Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, sein Werk wurde ins Albanische, Arabische, Dänische, Englische, Französische, Griechische, Japanische und Spanische übersetzt. Ausgedehnte Aufenthalte im Nahen Osten führten zu seiner nächsten Roman-Idee.

Es könnte also alles wunderbar sein, wenn der Mann nicht angefangen hätte laut zu denken. Das tat er im Rahmen einer Poetik-Dozentur an der Frankfurter Universität. Am Beispiel seines werdenden Romans über den Orient schilderte er gewissermaßen ein Selbstgespräch, das den Schriftsteller zwischen seiner Faszination für den Orient und den Zweifeln an der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik hin und her schwanken lässt.

In einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schildert er das so:

„Der dritte Teil meiner Vorlesung hieß 'Leben und Lesen', und es ging darum, wie das täglich an einem vorbeitreibende Leben und das Lesen nebenbei – also nicht nur das für die Arbeit am Buch zu Lesende, sondern etwa auch die alltägliche Zeitungslektüre – seinen Weg in die konkrete Schreibarbeit findet. Im Rahmen dieser Denkbewegung habe ich beschrieben, wie der Hauptteil der Arbeit am Roman von den Personen, den Ereignissen und den historischen Begebenheiten, die ich erlebt habe, gebildet wird.“

Und dabei hat er offenbar laut das Falsche gedacht. Die Schilderung darüber entnehme ich der Süddeutschen Zeitung, die sich des Themas unter dem vielsagenden Titel „Bockgesang, Unschuldslamm“ annahm:

„Es folgten Töne, wie sie so sonst nur aus dem pseudointellektuellen Umfeld der AfD und auf Schulungsseminaren des Ritterguts Schnellroda, im Braintrust der ‚Identitären Bewegung’, zu hören sind. Die Rede war von einer ‚deutschen Neurose’, die seit den Tagen von Joschka Fischer in der ‚ausschließlichen historischen Fixierung der deutschen Geschichte auf Auschwitz und im Wunsch nach ‚Entschuldung’ bestünde: ‚In der irrsinnigen Hoffnung, dass sich das 'Nazigen' der Deutschen irgendwann in einem großen 'Multikulti-Genpool' vollständig aufgelöst haben' werde, habe ‚die deutsche Regierung’ zuletzt ‚die Grenzen für eine unkontrollierte Einwanderung von Hunderttausenden und im Laufe der nächsten Jahre Millionen Muslimen geöffnet’ - ein ‚Spiel mit dem Feuer’, gleichsam wie auf einer ‚das ganze Land umfassenden Aufführung von Max Frischs 'Biedermann und die Brandstifter'".

Ein mieser Trick, um seine Zuhörer mit gefährlichen Gedanken zu kontaminieren

Daran haben vor der Süddeutschen Zeitung offenbar einige der Zuhörer Anstoß genommen. Dass man derartiges im Frankfurter Universitätsklima nicht ungestraft sagt, ist ja klar. An ein – sagen wir mal – leicht eingeschränktes Verständnis von Meinungsfreiheit in der akademischen Lehre beginnt man sich ja zu gewöhnen. 

Neu ist aber: Solche Äußerungen sollte man nicht nur gegenüber Dritten unterlassen, sondern ab sofort auch nicht mehr zu sich selbst tätigen. Der geschilderte Gedankengang darf noch nicht einmal im Hinterstübchen eines Literaten geführt werden, der gerade an einem neuen Roman arbeitet. Und wenn es trotzdem passiert, dann soll der Herr Schriftsteller es gefälligst für sich behalten und nicht laut denken – auch nicht, wenn es sich dabei um eine gezielte pädagogische Übung für den akademischen Nachwuchs handelt. Vermutlich war es ja ohnehin nur ein mieser Trick, um seine Zuhörer mit gefährlichen Gedanken zu kontaminieren.

Die Universitätsleitung sah sich denn auch zu sofortigem Einschreiten genötigt. Die Organisatorin der Poetikdozentur, die Germanistin Susanne Komfort-Hein, ließ verlauten, dass es „Missstimmungen oder Missverständnisse“ gegeben habe. Des Schriftstellers nächste Vorlesung wurde daraufhin ein Warnhinweis von Frau Komfort-Hein vorangestellt, die sich im Namen der Universität von Kleebergs Ausführungen distanzierte.

Michael Kleeberg wird in Zukunft höchstwahrscheinlich nur noch sehr leise denken. Er  kann sich damit trösten, dass vermutlich die Mehrheit der Bürger dieses Landes inzwischen ebenfalls sehr leise denkt oder es vorsichthalber ganz eingestellt hat. Aber vielleicht ist das ja Stoff für einen neuen Roman.

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Leserpost

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Matthias Braun / 07.07.2017

In diesem neuen,vegifteten, Klima werden bereits Bücher “verbrannt”,die noch nicht einmal geschrieben wurden. Angst ist ein gewaliges “geistiges Feuer”!!!!

B.Kröger / 07.07.2017

Ungeheuerlich! Freies Denken und offener Diskurs wird an einer deutschen Universität nicht mehr zugelassen, bzw. eingeschränkt.  Universitäten sind keine religiösen Schulen! “Betreutes Denken” ist das Ende der Freiheit von Lehre und Forschung!

Ignaz Wrobel / 07.07.2017

“Er kann sich damit trösten, dass vermutlich die Mehrheit der Bürger dieses Landes inzwischen ebenfalls sehr leise denkt oder es vorsichthalber ganz eingestellt hat.” Leider nicht die Mehrheit - es ist zu befürchten, dass nur eine Minderheit gegen die immer weiter um sich greifende Zensur und political correctness eingestellt ist.  Was den obrigen Fall betrifft: Es bedarf nur eines einzigen Teilnehmers, der sich vielleicht noch nicht einmal über das, was Herr Kleeberg sagte, aufregte - es aber in irgendeinem Chat schrieb, der auch von irgendeinem Journalisten gelesen wurde, um schon als Grundlage für einen entsprechenden Artikel in der SZ & Co. zu führen zu können. Ein Großteil des Problems ist auch die Presse - Journalisten - die nach einen ‘Aufreger’ (und damit einer Geldquelle für sich) suchen, um die teilweise stündlich wechselnden Nchrichten und Stories auf Online-Portalen von Zeitungen zu füllen.

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