Der Frühjahrsputz hat begonnen; wir räumen auf. Und dabei ist es uns etwas in die Hände gefallen, das wir immer wieder zur Seite gelegt haben, schwerer Lesestoff: ein Aufsatz von Sigmar Gabriel aus dem Jahr 2011.
Nunmehr, 2014, gebietet es der Respekt, den Gedankengängen des Vizekanzlers zu folgen. Unter dem Titel “Was wir Europa wirklich schulden” schrieb der SPD-Chef damals:
Es ist wahr: Wirtschaftliche und monetäre Umbruchzeiten sind vor allem kulturelle Zeitenwenden. Und genau dies haben weder Politiktreibende noch Kulturschaffende bislang hinreichend begriffen. Wer Europa neu denken und den europäischen Gründungsgedanken neu belegen will, der muss zuerst auch politische und kulturelle Attitüden und Mentalitäten verändern. Nur so wird es möglich sein, die real existierende europäische Zuschauerdemokratie in eine partizipative (sic!) Verantwortungsgemeinschaft von selbstbewussten und selbstbestimmten Europäern zu verwandeln.
Schwerer Lesestoff, wie gesagt. Man muss die verquaste Äußerung zweimal lesen, um die dummdreiste Anmaßung, die sich dahinter verbirgt, zu verstehen. Dass wir erstens unsere Geschichte abstoßen, verdrängen und vergessen sollen, um dann eine kulturelle Identität anzunehmen, die den politisch und monetäre geschaffenen Tatsachen entspricht, genauer noch: die dem genügt, was die politische Klasse durchsetzen möchte.
Neu ist das nicht. So haben die Ideologen zu allen Zeiten gedacht, zuletzt im Machtbereich des »real existierenden Sozialismus«. Dafür wurden die Intellektuellen in Umerziehungslagern interniert. Die Chinesen versprechen sich bis heute davon einiges.
Nun wollen wir dem Genossen Gabriel nicht unterstellen, Ähnliches im Schilde zu führen, müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass er sich berufen fühlt, Europa eine neue Kultur zu verpassen.
Bisher bildete sich so etwas über die Jahrhunderte heraus. In den Ländern Europas haben daran Geistesgrößen wie Homer, Platon, Dante, Michelangelo, Rubens, Spinoza, Cervantes, Newton, Shakespeare, Voltaire, Hume, Lessing, Schiller, Beethoven, Puschkin, Einstein, die Brüder Mann, Sartre, um nur einige aufzählen, in aller Bescheidenheit mitgearbeitet. Und nun? Nun rüstet sich Sigmar Gabriel, »Siggi Pop«, der einstige Pop-Beauftragte der SPD, zur Kulturrevolution. Was da noch auf uns zukommt - nach der Energiewende und dem bereits angedrohten Hausaufgabenverbot zu Beförderung des kulturellen Wandels -, mag man sich ausmalen. Und niemand kann danach sagen, er hätte nicht wissen können, was der Mann vorhatte. Er hat es uns rechtzeitig gesagt.
Gottlob sind wir jetzt noch auf den alten Zeitungsfetzen gestoßen. Es lohnt sich, immer wieder mal aufzuräumen.
Aus dem Buch “Geplünderte Demokratie. Die Geschäfte des politischen Kartells”