Karim Dabbouz / 03.03.2018 / 12:00 / Foto: David Hall / 14 / Seite ausdrucken

Für eine freie Presse braucht es die Öffentlich-Rechtlichen nicht

Nie war die Medienlandschaft so vielfältig wie heute. Jeder kann heute „Nachrichten“ produzieren oder diese kommentieren. Daher auch die Debatte um „Fake News“. Gleichzeitig gibt es da draußen eine Menge toller Nachrichtenquellen, viele davon umsonst. Sie ergänzen das ohnehin schon gute Angebot an Medien zusätzlich.

Um ihre Existenz zu rechtfertigen, werden in Zeiten von „Fake News“ und „Lügenpresse“ die Öffentlich-Rechtlichen als notwendiges Korrektiv in Stellung gebracht. Sie sollen reparieren, was die Menschen mit diesem Internet so alles anstellen. Für das Fortbestehen der ÖR ist das allerdings ein schlechtes Argument, denn diese Mission kann ein Medium gar nicht erfüllen. Zwei Gründe sprechen dagegen:

Erstens: Wer Quatsch glaubt, hat dafür meist gute Gründe und wird seine Ansichten auch dann nicht ändern, wenn die Öffentlich-Rechtlichen rund um die Uhr „aufklärende“ Gegennachrichten in die Welt hinaussenden. Wahrscheinlich bewirken diese sogar das Gegenteil.

Zweitens: Es gibt kein Medium, so gründlich und wohlfinanziert es auch ist, das den Anforderungen einer objektiven, ausgewogenen Nachrichtenquelle gerecht werden kann. Die Mission des ÖR ist unmöglich: Es soll objektive Nachrichten liefern – und das für jeden Menschen in einem Land.

Wer zahlt, will anschaffen

Die meisten Menschen stören sich nicht an unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen, solange sie für deren Verbreitung nicht bezahlen müssen. Anders ist es, wenn sie zur Kasse gebeten werden: Dann müssen die von ihrem Geld produzierten Nachrichten auch ihrer Interpretation entsprechen und alle Einzelheiten abdecken, die für die Rezipienten von Belang sind. Vor allem dürfen sie subjektiv Unwichtiges nicht überbetonen und subjektiv Wichtiges nicht vernachlässigen.

Eine Schlägerei zwischen zwei Männergruppen, davon eine laut Polizeibericht mit Migrationshintergrund, ist je nach Gusto mit Herkunftsangabe zu berichten oder ohne. Eine Meldung über die Schlägerei ohne Nennung des Migrationshintergrunds ist dann objektiv und sachgerecht berichtet, wenn der Migrationshintergrund der Beteiligten für die Ursache der Schlägerei keine Rolle spielte. Man kann ihn aber auch nennen. Wie man es macht, macht man es falsch. Aus der öffentlichen Finanzierung von Nachrichten ergeben sich aber Ansprüche. Sie sind die Wurzel der Kritik an den ÖR.

Wenn der österreichische Vizekanler Hein-Christian Strache den SPIEGEL einer Lüge bezichtigt, dann reibt sich die sprichwörtliche Sau an der Eiche. Ein privates Medium hat eine inhaltliche Ausrichtung. Entweder es berichtet gar nicht über langweilige Schlägereien, es berichtet kurz und knapp oder es recherchiert weiter und wertet etwa Polizeimeldungen dahingehend aus, ob junge Männer mit Migrationshintergrund möglicherweise besonders häufig in physische Auseinandersetzungen geraten.

Die Öffis lassen sich viel leichter unter Druck setzen

Letzteres mag die einen interessieren, die anderen eher weniger. Wenn Strache nun, wie er es tat, dem ORF „Fake News, Lügen und Propaganda“ vorwirft, dann wiegt das weitaus schwerer als der Vorwurf gegenüber einem privaten Medium. Schließlich ist eines der gewichtigsten Argumente für öffentlich-rechtliche Medien ja, dass sie eben ausgewogen und objektiv berichten – und das unabhängig von politischen Prioritäten. Von der Allgemeinheit finanzierte Medien können dies aber gar nicht erfüllen, weil es zwar eine Wahrheit gibt, diese jedoch so facettenreich ist, dass das Weglassen oder Betonen von Details bereits eine politische Färbung transportiert.

Hinzu kommt, dass schon die Auswahl berichtenswerter Meldungen nicht objektiv ist. Wenn ein Politiker private Medien verbiegen wollte, müsste er auch mit ganz anderen Kalibern schießen, als wenn er dies bei öffentlich-rechtlichen wollte. Bei letzteren würde vielleicht schon das Besetzen entsprechender Posten ausreichen, um aus „Fake News, Lügen und Propaganda“ eine „Stütze der Demokratie“ zu machen. Und wenn das nicht klappt, sagt er einfach: “Ihr seid politisch gefärbt, obwohl ihr doch zu Neutralität verpflichtet seid!” Für einen Teil der Bevölkerung hat er damit immer Recht.

Die gute Nachricht aber ist: Öffentlich-rechtliche Medien sind nicht „die Presse“, sondern ein Teil der Presselandschaft. Mehr noch: Von allen Medien sind gerade die öffentlich-rechtlichen am wenigsten Garant für eine von der Politik unabhängige Presse. Sie lassen sich viel leichter unter Druck setzen, wie Strache mit seiner Fake-News-Anschuldigung zeigt. Ein privates Medium interessiert sich nicht für Debatten über seine Existenz. Es ist einfach da und tut, was es tut.

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Leserpost

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Mark Schild / 03.03.2018

WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich schwadroniert davon, dass “die Öffentlich-Rechtlichen Diener einer Gesellschaft sind”. Diener kann man entlassen. Also dann…

Mira Eriksen / 03.03.2018

Das war ein Kuhhandel: Ihr gebt uns die sicheren GEZ-Zwangsbeiträge, deren Höhe wir selbst bestimmen, und wir sind lieb zu euch und eurer Politik. Und wir sind schon deshalb nicht lieb zu eurem inzwischen einzigen politischen Gegner, weil der den Zwang zum Beitrag wieder abschaffen will.

Dr. Günter Crecelius / 03.03.2018

Natürlich haben Sie mit der Bewertung der Öffentlich Rechtlichen im allgemeinen recht. Im Besonderen geht deren Vorgehen aber oft weit darüber hinaus. Ich höre beim Frühstück fast immer das Programm der WDR 5. Dort sind seit ein paar Tagen natürlich das Vorgehen der Essener Tafel Anlaß für alle möglichen Palaver und Empörung . Auffallend ist dabei, daß als Aufhänger immer berichtet wird, diese Tafel schließe Ausländer aus, weil sie bereits einen Ausländeranteil von 75% habe. Erst sehr viel später wird dann -  manchmal -  eher beiläufig nachgeschoben, daß manche/viele der Ausländer junge Männer seien, die sich vordrängen und älter Nutzer und Alleinerziehende Frauen bedrängen, die deshalb wegbleiben.  Dies ist nach meiner Meinung genau die Art, wie üble Propaganda in der ÖR betrieben wird: man hat den wahren Grund ja genannt, nur so gut versteckt, daß er kaum bemerkt wird und man deshalb aus dem Schneider ist, wenn das jemand anmerkt. Die beabsichtigte Botschaft ist aber nicht Information, sondern Diffamierung und Lüge, die natürlich - rein zufällig - im Sinne der Merkel, Barlay und Co. ist. Dies ist ein aktuelles Beispiel, aber bei Weitem kein Neues. Wenn die Bestrebungen einiger Protagonisten der ‘Qualitätspresse’, den selbst verschuldeten Leserschwund und seine finanziellen Auswirkungen durch eine weiter ‘Demokratieabgabe’ zu kompensieren zum Erfolg führen, wird die regierungsfromme Presselandschaft damit nur noch weiter ausgedehnt.

Heiner Gerlach / 03.03.2018

Selbstverständlich interessieren sich private Medien für Debatten über ihre Existenz, spätestens wenn es um die Finanzierung geht. Die Achse hat da ja einschlägige Erfahrung gesammelt. Trotzdem glaube ich, dass der öffentliche Rundfunk auch mit einem Bruchteil des Geldes seiner Aufgabe nachkommen könnte.

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