Vera Lengsfeld / 05.01.2009 / 12:33 / 0 / Seite ausdrucken

Fünfter Januar 1989/2009

Während das „Neue Deutschland“ titelt, dass Wehrdienst im Sozialismus Dienst am Frieden sei , gelingt es einem 34 jährigen Mann in Berlin-Lichtenrade die Grenzanlagen zu überwinden.
Die Diener am Frieden machen von ihren Schusswaffen Gebrauch, glücklicherweise ohne den Flüchtling zu treffen. Wären die Schützen erfolgreich gewesen, hätte es Sonderurlaub gegeben. Leuten, die glaubten, der Dienst am Frieden müsse nicht zwangsläufig das Schiessen auf unbewaffnete Flüchtlinge beinhalten und dies ihrem Vorgesetzten mitteilten, fanden sich im Armeeknast Frankfurt/Oder wieder. Schon die Weigerung, an der Grenze zu dienen, konnte dramatische Folgen für die berufliche Laufbahn haben. An ein Hochschulstudium war dann kaum noch zu denken. Welcher 18jährige, in diesem Alter wurde man in der Regel in die NVA eingezogen, hat die Kraft, sich alle Zukunftschancen zu verbauen?
Es ist bereits in Vergessenheit geraten, dass es in einer Diktatur so etwas wie freie Wahl nicht gibt, es sei denn, man nimmt ein Außenseitedasein in Kauf. Nur wenn man sich das klar macht, kann man begreifen, dass es bis zum Schluss Menschen gegeben hat, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um der DDR zu entkommen.
Die Alliierten und der Westberliner Senat protestierten übrigens noch am selben Tag gegen den Schusswaffengebrauch an der DDR-Grenze und dokumentierten damit, dass es diese Vorfälle tatsächlich gegeben hat. Die Einlassungen der politisch Verantwortlichen für das DDR-Grenzregime lesen sich heute so, als hätte es nie einen Schiessbefehl gegeben. Diese Verantwortungsflucht wird ihnen vom Rechtsstaat leicht gemacht.
Das beherrschende politische Thema des heutigen Tages ist die unvereinbare Haltung der beiden Regierungsparteien , wie das nächste „Rettungspaket“ der Bundesregierung auszusehen habe.
Bei der Union hat sich die CSU mit der Forderung nach marginalen Steuererleichterungen durchgesetzt. Der Steuerfreibetrag soll minimal angehoben werden. Außerdem soll durch nicht näher bezeichnete Maßnahmen verhindert werden, dass sich jede leichte Lohnerhöhung gleich steuerlich bemerkbar macht. Von einer Abschaffung der kalten Progression war nicht mehr die Rede. Was nach der Verhandlung mit der SPD noch übrig bleibt, ist ohnehin mehr als fraglich. Schon jetzt ist Seehofer, der sich in den letzten Tagen gern als neuer Strauss bezeichnen ließ, als Bettvorleger gelandet. Die SPD hält laut Müntefering nichts von Steuererleichterungen wissen, weil viele Menschen eh keine Steuern zahlten. Das genau dies ein Problem ist, kommt dem Chef der Sozialdemokraten nicht in den Sinn. Deshalb will seine Partei mit einem 40-Milliardenprogramm für Schulen, Kindergärten und Sportzentren den Konsum „ankurbeln“. Wer sein zehn Jahre altes Auto gegen ein Neues eintauscht, soll eine Verschrottungsprämie bekommen. Für Eltern soll es zusätzliche 200 € zum Kindergeld geben. Letzteres erinnert wieder sehr an die DDR, wo es ähnliche „Geschenke“ vom Staat gab, in der absurden Erwartung, dass dies die Geburtenrate steigern würde. Fehlt nur noch, dass sich jemand an die zinslosen Kredite für junge Eheleute erinnert, die man „abkindern“ konnte. das heißt, nach drei geborenen Kindern, mussten die glücklichen Eltern nichts zurückzahlen. Heute böte sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau als Vergabestelle an.
Aber ob von der DDR lernen auch siegen lernen heißt, darf bezweifelt werden.

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