Unser Föderalismus treibt manchmal noch schönere Blüten als der zurecht geschmähte Zentralismus andernorts. Zu den Eigenheiten der politischen Verschachtelung gehört, dass jeder Dorfbürgermeister den Eindruck hat, zu allem und jedem etwas sagen zu können. Die dezentralisierte Macht lässt den Dorfbürgermeister zum Minister werden, und, was schlimmer ist, sie verleitet ihn dazu, zu meinen, er sei tatsächlich von ministeriablem Format.
Jochen Hartloff (SPD, und kurz Aktion Sühnezeichen) ist Justizminister in Rheinland-Pfalz. Er war Bürgermeister in Kusel. Für jene, denen zu dieser Topographie nichts einfallen sollte: Es handelt sich um den Mainzer Karneval und die Weinstraße, um den Steingerüttelkopf und die Porta Nigra, um Schloß Stolzenfels und den Hunsrück, um Speyer, den Saumagen und Trier. Der Justiziar dieses Büttenhimmelfahrtsunterfangens könnte natürlich genauso gut als
Dorfbürgermeister im Amt sein, aber kraft der föderalen Struktur darf sich der Mann Minister titulieren. Diese Ermessensfreiheit muss ihm wohl als ein Freibrief für die Gemarkungsüberschreitung vorkommen.
Als Dorfbürgermeister konnte es einem ja früher durchaus passieren, dass man die Welt nicht mehr verstand, es war sogar ein literarischer Stoff. Heute ist man globalisiert, man denkt, wie eine griffige Formel besagt, global und handelt lokal. Ob nun der Minister aus dem Weissweinberg als Minister gesprochen hat oder nur als Dorfbürgermeister, sei dahingestellt. Jedenfalls machte er sich interviewhalber ein paar Gedanken über die Zulassung der Scharia in Deutschland.
Hartloff vermutet, dass sie in Schlichtungsfragen grundsätzlich zulässig sei, gebe es doch auch in anderen Bereichen eigene Rechtsprechung, im Sport oder in den Kirchen, und all dieses Wurzelrebenwerk würde dem inneren Frieden zu Gute kommen. Dem inneren Frieden? Wollen wir uns etwa von islamischen Einwanderergruppen unter Druck setzen lassen ? Es kann nicht sein, dass wir, die Deutschen, immer weiter zurückweichen, weil wir, wie es heißt, ideologisch erpressbar sind.
Zu den Errungenschaften der deutschen Gesellschaft gehören nicht zuletzt die Autorität des Grundgesetzes und die Beständigkeit des Rechtsstaates. Sie sind tragende Säulen unserer Leitkultur. Islamische Schiedsgerichte, wie sie der Mainzer anstrebt, sind verfassungswidrig. Sie untergraben unsere Rechtsstaatlichkeit. Dass der Justizverwalter von einem modernen Islam spricht, macht die Sache nicht besser, es verrät bloss seine Naivität in der Frage unserer kulturellen Selbstgarantie.
Bezeichnend ist, dass sich an diesen Diskussionen die Gegenseite überhaupt nicht beteiligt, statt dessen halten die deutschen Akteure im aktuellen Affentheater ihre Einbildung für das wahre Leben - und schon vertragen sich Scharia und Säkularität. Wie heißt es doch so schön? Der Vernünftige gibt nach? Und die Folgen?