Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 24.08.2007
Es gibt Begriffe, die kommen so sanft und freundlich lächelnd daher wie eine Gruppe buddhistischer Mönche auf dem Weg ins Kloster. Ein besonderes Wohlgefühl stellt sich beispielsweise ein, wenn die „Zivilgesellschaft“ mit „bürgerschaftlichem Engagement“ die „partizipative Demokratie“ verwirklicht. Dabei entfalten „Nicht-Regierungsorganisationen“, in der englischen Abkürzung auch NGO’s genannt, ihre uneigennützigen Kräfte zum Wohle der Verbraucher, der Armen und der Entrechteten. Ein besonders artenreiches Biotop für solche Einrichtungen ist Brüssel, wo die europäische Union eine ganz besondere Zuneigung zu diesen Organisationen entwickelt.
Ein Schlaglicht auf deren Funktion warf eine kleine Meldung, die wir in dieser Woche entdeckten. So hat die EU-Komission im vergangenen Jahr alleine die Aktivisten-Gruppierung “Friends of the Earth Europe”, deren deutsche Niederlassung der BUND ist, mit der ziemlich sagenhaften Summe von 831.000 Euro finanziert. Das mit 25 Aktivisten besetzte Lobby-Büro streitet damit gegen dies und jenes, vor allem aber gegen Globalisierung und die freien Märkte, gegen Gentechnik und Atomkraftwerke. Das ist ihr gutes Recht, die Frage lautet allerdings, warum der Steuerzahler dafür aufkommen sollte? Die Nicht-Regierunsorganisation Maxeiner und Miersch streiten ja auch gegen dies und jenes, beispielsweise gegen den Abschied von der Aufklärung und ökologistische Glaubenslehren. Wo bleibt eigentlich unser Scheck aus Brüssel für dieses verdienstvolle bürgerschaftliche Engagement?
Na ja, vielleicht waren wir auch nur zu blöd einen Antrag zu stellen. Wir brauchen da wohl noch etwas Nachhilfe. Zum Beispiel haben wir nicht begriffen, warum Organisationen, die von Regierungen ausgehalten werden, nicht Regierungs-organisationen sondern NICHT-Regierungs-Organisationen heißen. Gibt es irgendwo einen Grundkurs für postdemokratische Dialektik, auf dem man das lernen kann? Wir haben auch nicht begriffen, dass die partizipatitve Demokratie offenbar darin besteht, möglichst partizipativ in den Steuertopf zu langen.
Angeblich bezeichnet der Begriff Zivilgesellschaft einen öffentlichen Bereich zwischen Staat, Markt und Familie. Tatsächlich handelt es sich um eine Fatah Morgana. Zunächst einmal regiert der Staat immer mehr in Markt- und Familie hinein. Zum Ausgleich soll sich der Bürger dann in der Zivilgesellschaft austoben. Und dafür wird er vom Staat oder der EU-Kommission bezahlt, wenn er keine dummen Fragen stellt. Das ganze firmiert unter „mehr Demokratie“.
Und wie das funktioniert lässt sich in Brüssel beobachten. Die vorgebliche Zivilgesellschaft fungiert dort vielfach als Vorfeld-Organisation der EU-Kommission selbst. Man lässt den Nicht-Regierungs-Organisationen den Vortritt bei der Forderung nach immer neuen Regulierungen und staatlichen Eingriffen, die man in den meisten Fällen ohnehin längst betreibt. Man spielt über Bande. Die nationalen Parlamente dürfen dabei zuschauen und das Ergebnis der Inszenierung nur noch zur Kenntnis nehmen und absegnen.
Und weil das so prima klappt, sieht der bisherige Entwurf der EU-Verfassung auch eine ausdrückliche Stärkung dieser „Zivilgesellschaft“ vor. Neben der europäischen Kommission, die nicht gewählt, sondern von Politikern eingesetzt wird, soll also eine weitere nicht demokratisch legitimierte Mitspracheebene eingeführt werden. Laut dem Verfassungsentwurf soll ihre Bedeutung im Entscheidungsprozess der Gemeinschaft weiter zunehmen. Der tschechische Präsident Václav Klaus warnt eindringlich vor einem „NGOismus“ und der „Vernebelung demokratischer Prinzipien“. Er nennt dabei beispielsweise den „Ökologismus“, der „Privilegien für organisierte Gruppen“ beanspruche. Die Zivilgesellschaft ist zu einem Tummelplatz gut organisierter Minderheiten geworden. Man könnte es auch so sagen: Wir sind auf dem Weg zu einer Re-Feudalisierung der europäischen Gesellschaft.