Manfred Haferburg / 07.02.2017 / 12:14 / Foto: Guy Courtois / 16 / Seite ausdrucken

Fremdschämen für die CDU-Abgeordneten

 „Bild“ hat ein Bild veröffentlicht, das mich sehr nachdenklich macht. Dieses Bild veranlasst mich, viele Fragen an Dich zu haben, lieber konservativer CDU-Abgeordneter. Die Fragen mögen Dir unangenehm sein, ja sogar schmerzhaft. Du musst nicht einverstanden mit ihnen sein, aber vielleicht regen sie Dich ja zum Vordenken an.

Auf dem Bild sieht man die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach auf einem einsamen Stuhl hinter der letzten Sitzreihe der Abgeordneten sitzen, noch hinter einer Schulklasse. Der Stuhl wurde dort extra für sie angeschraubt – ohne Tisch und Telefon, zurückgesetzt und ausgegrenzt, sozusagen an den Pranger.

War es das, was Ihr als CDU-Fraktion erreichen wolltet? Die Abtrünnige herabwürdigen, ein Exempel statuieren? „Schaut alle her, das passiert mit denen, die nicht mit uns sind“? Es ist der Fraktion gelungen. Die Botschaft richtet sich an die Abgeordneten, nach innen. Aber - habt Ihr in der CDU-Fraktion so wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Kraft dieses Bildes auf die CDU-Mitglieder und die Wähler wirkt? Bedenkt doch: Erika Steinbach ist den Bürgern als redlich bekannt. Sie war über 40 Jahre in Eurer Partei tätig. Sie war 15 Jahre in Eurem Bundesvorstand. Sie hat das Bild Eurer CDU mitgeprägt. Gab es in der Fraktion niemanden, der den Mut aufbrachte, diese Respektlosigkeit zu verhindern?

Ach nein, lieber konservativer CDU-Abgeordneter, da war wohl keiner stark genug. Ihr und Eure delegierten Parteifreunde klatscht ja lieber nicht enden wollenden Beifall für Eure Vorsitzende. Noch ein Parteitag und die 15 Minuten rhythmisches Klatschen sind erreicht. Kommt Dir das nicht etwas merkwürdig vor? Erinnert es Dich nicht an etwas?

Frau Merkel wollte Euch zeigen, wer in der CDU die Hosen anhat

Überhaupt mutet diese überwältigende Begeisterung auf den CDU-Parteitagen mich als Außenstehenden sehr seltsam an. Seid Ihr wirklich so begeistert von einer Frau, deren Credo die alternativlose Alternativlosigkeit ist, so alternativlos, dass sogar die neue Erzfeind-Partei sich „Alternative für Deutschland“ nennen kann? Und dankt die Große Euch Euren Jubel? Habt Ihr nicht gerade auf Eurem Parteitag mehrheitlich beschlossen, den Doppelpass abzuschaffen? Und hat nicht die Parteivorsitzende schlichtweg den Beschluss ignoriert, weil sie mal eben anderer Meinung war? Wie fühlte sich das abgekanzlert werden an: "Ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben." Sie hätte auch nur schweigen können, aber sie sprach, ungewöhnlich klare Worte. Sie wollte Euch zeigen, wer in der CDU die Hosen anhat. Gelbe Karte, CDU, von der Parteivorsitzenden.

Wie fühlt es sich für Dich an, konservativer CDU-Bundestagsabgeordneter zu sein? Hast Du schon mal die Faust in der Tasche geballt? Ihr von der CDU im Bundestag dürft vielleicht mal über eine Katzensteuer abstimmen, oder über Multisextoiletten. Aber zu den wichtigen Fragen, die das Land bewegen, scheint die Kanzlerin Eure Zustimmung nicht zu brauchen. Sie braucht Euch überhaupt nicht, denn sie kann auch mit den Stimmen einer „Opposition“ weiterregieren, die dasselbe will, wie sie, nur mehr davon. Deshalb fragt sie Euch erst gar nicht. Sie entscheidet und Ihr dürft klatschen: starken, stürmischen, nicht enden wollenden Beifall. Frau Dr. Merkel hat die CDU erfolgreich in eine linke Partei umgewandelt.

Nun bin ich naiv und kann mir einfach nicht vorstellen, dass es unter den über 300 CDU/CSU Abgeordneten nur noch Jasager und Zujubler gibt, die alle stets voll und ganz der Meinung des Parteivorstands sind. So war das bei der SED, so ist das in Nordkorea. So aber ist es doch nicht im Deutschen Bundestag bei der CDU? Was ist passiert mit Euch und Euren Bedenken? Ihr schreibt Ihr einen Brief, natürlich mit den nötigen Ergebenheitsbekundungen versehen. Und was geschieht? Nichts. Die Schwesterpartei droht sich die Lunge aus dem Hals und macht sich für alle Zeiten lächerlich, weil jeder merkt: die CSU springt als Tiger und landet als Bettvorleger.

Gibt es niemanden unter Euch Abgeordneten, der genug von Naturwissenschaften versteht, dass er die physikalischen Konstruktionsfehler der Energiewende begreift und sagt: „Liebe Parteifreunde, lieber Herr Altmaier, das kann gar nicht funktionieren“? Oder gibt es keinen unter Euch, der dem Schäuble sagt: „Das von Euren Wählern hart erarbeitete Steuergeld, das Ihr unter Bruch der Europäischen Vereinbarungen an die Griechen weitergereicht habt, ist futsch. Haltet ausnahmsweise Mal Euer Versprechen und schiebt kein neues Geld nach“. Merkt keiner, das die „Rückzahlungen“ der Schulden Griechenlands, die nun im Jahr 2070 beginnen sollen – also in mehr als 50 Jahren – nichts weiter sind, als eine Täuschung der fleißigen deutschen Sparer? Und wenn ja, warum wagt es keiner zu sagen? 65 CDU-Abgeordnete stimmten im Juli 2015 gegen ein weiteres Griechenland Packet. Wo seid Ihr als „Abweichler“ Denunzierten geblieben, als das Geldpacket mit den Stimmen der „Opposition“ durchgedrückt wurde?

Wie halten Abgeordnete diese Demütigungen aus?

Wie halten Abgeordnete die Demütigungen aus, zu den drei Affen degradiert worden zu sein, die nichts hören, nichts sehen und nichts sagen dürfen. Ihr muckt noch nicht einmal auf, wenn die Kanzlerin die Grenzen Eures Heimatlandes abschafft und allen Ernstes Deutschland zum Sozialamt der Welt machen will. Ihr seht zu, wie sich das Land, das Ihr regiert, zu einem Paradies für die Kriminellen der Welt wandelt und das zum Schaden der Flüchtlinge, die wirklich auf Hilfe und Asyl angewiesen sind. Ihr klatscht, während Euch die Parteimitglieder in Scharen davonlaufen und die Wahlprognosen trotz aller Schönrechnerei in den Keller sinken? Ihr seht zu und schweigt, wenn Eure Lokalpolitiker Notrufe und Brandbriefe absetzen, weil sie in den Resultaten der desaströsen Politik der großen Alternativlosen absaufen.

Ja, ich weiß, die Karriere. Politiker sind heute Spitzen(ver)diener. Wer aufmuckt, wird von der Fraktion abgestraft, bekommt keinen „Listenplatz“ oder wird anderweitig kaltgestellt. Da sind die Kauders und Taubers gnadenlos. Dann sind die 9.327,21 Euro Aufwandsentschädigung und die steuerfreie Aufwandspauschale von 4.318,38 Euro weg. Macht und Geld sind ein süßes Gift, das süchtig macht. Ich verstehe, dass auch CDU-Abgeordnete ein Recht auf Feigheit haben. Aber haben sie nicht auch eine Verantwortung ihren Wählern gegenüber? Im Deutschen Grundgesetz steht im Artikel 38Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Da steht nichts von „Fraktionszwang“, da steht noch nicht einmal etwas von „Fraktionsdisziplin“. Da steht nichts von Taubers: „Wer nicht für Merkel ist, ist ein Arschloch und kann gehen“. Jeder Abgeordnete soll "bei Reden, Handlungen, Abstimmungen und Wahlen seiner Überzeugung und seinem Gewissen" folgen“. Findest Du es etwa absurd, wenn sich eine Regierung für das Wohl des Volkes einsetzt, das sie gewählt hat?

Habe ich die Angst oder hat die Angst mich?

Nach der nächsten Wahl werden weniger Pfründe zu vergeben sein. Die Fraktionsdisziplinierer haben ein gutes Gedächtnis. Das ist Dein Dilemma als konservativer CDU-Abgeordneter: Habe ich die Angst oder hat die Angst mich? (Biermann). Es könnte ja auch sein, dass Du eines Tages für das Nicht-Handeln geradestehen musst. Wer zu spät handelt, den bestraft das Schicksal.

Ich verstehe nicht, warum der Stuhl von Frau Steinbach noch so einsam hinter der letzten Reihe im Deutschen Bundestag steht. Wenn nur ein paar Dutzend redliche CDU-Abgeordnete ihre Angst überwinden würden, dann gäbe es plötzlich hinter der letzten Reihe im Bundestag eine neue letzte Reihe. Wir hätten dann endlich wieder so etwas wie eine Opposition im Parlament. Und vielleicht würde es sogar ein wenig einsam um diejenigen CDU-Abgeordneten, die heute so selbstsicher und bräsig in der ersten Reihe sitzen.

In seiner Thronrede zur Reichstagseröffnung sagte einst Kaiser Wilhelm der Zweite: „Möge Gottes Segen auf dem Hause ruhen, möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel sein, das alle zur Arbeit in seinen Räumen Berufenen in selbstverleugnender Treue anstreben!

Vielleicht würde die letzte Reihe in diesem Sinne sogar zu Ehrenplätzen? Vielleicht würde mit dieser neuen letzten Sitzreihe im Parlament sogar ein Motto der Politik wieder gültig, das seit 1894 über dem Eingang des Deutschen Reichstages prangt und unter dem die Abgeordneten täglich ein und ausgehen: DEM DEUTSCHEN VOLKE.

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Patrik Zimmer / 07.02.2017

Mir aus der Seele gesprochen. Als Mitglied einer Familie mit einer seit Jahrzehnten andauernden konservativen Weltanschauung nur dieser eine Satz: SHAME ON YOU, CDU!!!

Elisabeth Zillmann / 07.02.2017

Danke für diesen außerordentlich wichtigen Text.Ich hoffe, daß jeder CDU-Abgeordnete dies liest und darüber nachdenkt,in sich geht.Wünschen würde ich,daß sie den Text als Brief jedem einzelnen persönlich zusenden.Das wär doch gut?!

Michael Reber / 07.02.2017

Sehr lesenswerter Artikel. Nur eine Korrektur möchte ich anbringen: “das seit 1894 über dem Eingang des Deutschen Reichstages prangt und unter dem die Abgeordneten täglich ein und ausgehen: DEM DEUTSCHEN VOLKE” Dieser Schriftzug wurde erst während des 1. Weltkrieges, im Jahre 1916, angebracht.

Christine Bast / 07.02.2017

Das beste, was ich heute gelesen habe. Danke.

Michael Fasse / 07.02.2017

Völlig naiv, zu glauben, aus den Reihen der CDU-Claqueure würden Konservative ihrem Gewissen folgen und den Aufstand wagen. Darum gibt es für konservativ-demokratische Wähler bei den diesjährig anstehenden Wahlen nur die Möglichkeit, das Kreuzchen bei der AfD zu machen!

Johannes Schaefer / 07.02.2017

Diese Praxis ist für fraktionslose Abgeordnete üblich. Wo sollen sie auch sonst sitzen? Ohne Fraktionsgemeinschaft hat ein Abgeordneter eine andere Stellung. Das hat nichts mit Frau Steinbach, Frau Merkel oder den konservativen CDU-Abgeordneten zu tun. Das ist die Ordnung der Dinge. Dem Autor wäre das klar, wenn er sich informiert hätte.

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