Daß die Schreiber im Dienste von “Mens Health” wirklich das glauben, was sie da schreiben, davon ist nicht auszugehen. Das ist auch nicht notwendig. Wichtig ist, daß die Leser es als “wertvolle Info” einschätzen. Die Leser sind Menschen, deren Leben sich hauptsächlich darum zu drehen scheint, “Fett in Muskeln” zu wandeln, und Sixpacks nicht nur regelmäßig leerzutrinken, sondern sich auch persönlich eins im Bauchbereich zuzulegen, was in Kombination nicht ganz einfach ist, in vielen Fällen sogar lebenslange Aufgabe, d.h. unmöglich. Nach all dem Gehampel und Gehantel im Fitnesscenter bleibt wenig Zeit über für die Wandlung von Fett in ein Weltbild mit Tiefe… den größten Blödsinn für bare Münze nehmen zu müssen ist also letzten Endes ein Kolateralschaden der ständigen Fett-zu-Muskel-Wandlung. Da der “Mens Health”-Leser bzgl. Frauen auch nicht immer auf dem Kenntnisstand stehen bleiben möchte, bei dem er zwar weiß, wie weibliche nackte Models aussehen (nach dem Photoshoppen), aber auch nicht viel mehr, wird das allmonatliche “Aufklärungs"artikelchen zu Annäherungsstrategien an die Frau, das unbekannte Wesen, gern rezipiert. Daß es sich um Potpourris der lächerlichsten Klischees handelt (ist das bei Graf von Tilly wirklich auch so gewesen?), können offensichtlich nur Menschen bemerken, die ihr Leben nicht ganz überwiegend der Fett-zu-Muskel-Wandlung gewidmet haben. Was der “Mens Health”-Leser sich über Frauen erträumt (dreimal darf man raten, was das ist), muß dabei immer als völlig im Bereich des Möglichen behauptet werden, denn Entmutigung in dieser Sache bedeutet u.U. Abonnenten- oder Käuferverlust. Deswegen wären viele der Behauptungen der Mens Health-Autoren über Frauen eine ideale Blaupause für die künftigen Konstrukteure von Sexrobotern für Männer. Allerdings werden alle eher lästigen Hürden wie etwa “Verführung” dann sicher wegfallen, denn die werden dann einfach einen Knopf mit der Aufschrift “68er-Modus” einbauen, der nur gedrückt werden muß, und dann geht die Post ab. Mehr als denkwürdig ist der Oberbegriff, unter dem dieses Erzeugnis im Handel geführt wird: Lifestyle-Magazin! Irgendwie ist mir, als ob es da noch Unterkategorien geben müsste: Lifestyle Light oder besser noch Lifestyle Lite Extreme oder so ähnlich.
Sie waren 5 Jahre als Dani Cohn-Bendit die 68er erfand? Na, das hat doch gepasst.
Ich sehe da doch einen Unterschied zwischen den großen Kurtisanen und der angeblich so attraktiven “reifen Frau” von “Men’s Health”: Während die Kurtisane vom König großzügig ausgehalten wurde inklusive Landhaus, häufiger auch Kinder hatte, dürfte in unseren Zeiten “Men’s Health” auch als financial health zu interpretieren sein, wo eine sog. reife Frau nach jahrelanger Arbeit oder auch im Witwen- oder Geschiedenenstadium zweifellos lukrativer ist als eine Jüngere. Wenn der Mann aus der Vorstandsetage vertrieben wird, kann er sich hier gesunden. Ein gutverdienender Mann würde sich niemals mit einer Älteren abgeben, wenn er auf sexuelle Abenteuer aus ist. Die Ältere ist also das Geldsäckel für den unglücklich Verarmten. Ein wenig Aufpeppen schadet nicht, dann fühlen sich beide wohler. Was Sie sonst beobachten, Frau Sievers, nämlich eine Abnahme des Glücksfaktors, wird viel beschrieben,und PsychlogInnen haben gut zu tun. Die Liebe scheint von einem Zustand der Glückseligkeit mit der Folge von Begehren in einen Zustand von primärem Begehren und nachfolgender emotionaler Verarmung gerückt zu sein. Dies dürfte der SS-Industrie zu verdanken sein - Sex Sells, ohne Schmarren. Jedes einzelne Geschäft, ganz gleich welches, wird über Werbung, Medien und Hype, aufgebaut. Später setzt eine Absättigungsphase und Langeweile ein. Der sexuelle Bereich ist davon nicht ausgenommen. Einzig die Liebe hält Überraschungen bereit. Sex ohne Liebe, vermarktet: Auch nicht anders als zwei Wochen im Urlaub dasselbe brillante Frühstücksbuffet: Irgendwann fad. Da dankt man gelegentlich, dass man dem entgangen ist und noch primär an die Liebe und Romantik glauben durfte, fürchtet ein wenig für das Seelenheil seiner Kinder und betont zuweilen, dass das Wichtigste heutzutage der Ehevertrag ist.
Liebe Antje, “Men’s health” kann man(n) sowieso nicht ernst nehmen: Geschrieben FÜR Jungs, die noch NIE Sex hatten - VON Jungs, die FAST schon mal Sex hatten! Dazu diese ständigen Waschbrett-Bäuche auf JEDEM Cover. Seltsame Zeitschrift…
Sehr geehrte Frau Sievers, die Redakteure der erwähnten Zeitschrift haben einfach zu viele Pornovideos zu Cougars und zu Milfs gesehen. Und sie glauben auch an einen “free lunch”. Gruß peter luetgendorf
Tja, Frau Antje, tragen Sie’s mit Humor. Wie lautet doch eine alte Seemannsweisheit: “Auf alten Fregatten ist gut segeln lernen. “
Solche “Gebrauchsanweisungen” gibt es seit geschrieben wird. Exemplarisch möchte ich die Memoiren des Alexander Graf von Tilly erwähnen, in deren sechstem Kapitel folgende Themen abgehandelt werden: Nichtigkeit und Eitelkeit der Liebe. — Ueber die Verführungskunst. — Wie man den Frauen gefällt. — Ueber die Frauen, ihre Natur, ihre Neigungen, ihren Urcharakter, ihr Gemüt… bemerkenswert ist doch eher die relative Armut an reziproker Ratgeberliteratur. Es scheint sich um ein unidirektionales Problem zu halten.
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