Frau Steinbach, behalten Sie bitte Ihr Mandat! Die Demokratie muss und wird Sie aushalten.
Zwar hätte ich Sie nie gewählt - noch würde ich es in Zukunft tun, doch bitte lassen Sie sich nicht beeindrucken, nicht vom CICERO, von niemandem!
Ich halte es aber mit dem von Evelyn Beatrice Hall Voltaire in den Mund gelegten Satz: „„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“
Spätestens seit Trumps Wahl wissen wir alle, dass es für uns alle um Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, um die Wahrung unserer demokratischen Institutionen geht.
Wer heute in Deutschland die Angst befeuert, dass sich der Institutionenkritiker Trump der Vereinigten Staaten von Amerika bemächtigt, der muss Abgeordneten wie Ihnen sagen:
„Stehen Sie zu Ihrem direkt gewonnenem Mandat! Beweisen Sie, dass die Institution Bundeswahlgesetz mit Erst-und Zweitstimme über den Tag hinaus Gültigkeit haben muß!“ Imperative Mandate sind vom Grundgesetz nicht vorgesehen.
Wir brauchen starke Abgeordnete. Starke Abgeordnete hätten 2015 die Kanzlerin gezwungen, sich die Völkereinwanderung von der Versammlung der Bundestagsabgeordneten, dem Deutschen Bundestag, vorher genehmigen zu lassen. Es fehlte leider an starken Abgeordneten, die ihr Mandat neben ihrer Parteimitgliedschaft vor allem auch als Mandat der Bevölkerung ihrer Wahlkreise verstanden. Geben Sie deshalb den bald zu wählenden Abgeordneten ein glühendes Beispiel nichtimperativer Mandatswahrnehmung.
Sie zogen die CDU faktisch mit hoch
Ein Wechsel zu einer anderen Partei würde dies allerdings beschädigen. So habe ich Sie auch nicht verstanden. 2013 gewannen Sie in der Erststimme für und mit der CDU Ihren Wahlkreis mit 36,3 Prozent während die CDU mit Ihnen in der Zweitstimme mit 33,9 Prozent gegenüber Ihnen noch Luft nach oben verspürte. Zweifelsfrei lässt sich sagen, die CDU gewann mit Ihnen und Sie gewannen mit der CDU Ihren Wahlkreis. Auf Grund Ihres persönlichen Ergebnisses trugen Sie maßgeblich zum positiven Abschneiden der Union in Ihrem Wahlkreis bei, Sie zogen die CDU faktisch mit hoch.
Ohne Sie und Ihr persönliches Ansehen hätte die Union im Wahlkreis Frankfurt II nicht 33,9 Prozent erreicht. Ihr Mandat ist ein Gemeinschaftsmandat mit leichten Vorteilen für Sie. Dies gilt es ohne Neid anzuerkennen. Auch hatten die CDU-Wähler 2013 mit Sicherheit keine Kanzlerin wählen wollen, die für Energiewende und scheunentoroffene Grenzen stand. Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, nicht Sie sondern Frau Merkel hat die Frankfurter Wähler hinter die Fichte geführt. Ist doch so, oder?
Ich schreibe dies auch vor dem Hintergrund eigenen Erlebens. 2005 gewann ich meinen Direktwahlkreis ohne Landesliste mit dem sachsenweit besten SPD-Einzelergebnis ebenfalls mit Vorsprung vor dem SPD-Zweitstimmenergebnis. Dies hatte insofern größere Bedeutung, da Leipzig seit dem März 2003 zur Anti-Hartz-IV-Demonstrationshauptstadt Deutschlands avancierte und ich gemeinsam mit meinen verstorbenen Kollegen Rainer Fornahl ausdrücklich zur AGENDA 2010 stand und wir diese offensiv verteidigten.
Nachdem es der Linksaußenpartei zweimal 1998 und 2002 mit Hilfe von „Täve“ Schur nicht gelang, mir das Direktmandat abzunehmen, sollte es 2005 ein sachsenweit bekannter Stasifreund mittels sozialistischen Geheuls endsieglich gegen mich schaffen. Was nicht gelang. Es gelang auch nicht, weil das Wahlvolk selbst in parteipolitisch festgelegten individuellen Positionen zuweilen nicht den Blick für die Achtung anderer Leistungen verliert.
Direktwahlsiege sind auch persönliche Erfolge zugunsten der größeren Truppe
Während des Wahlkampfes kamen Leute auf mich zu, die sagten, meine Meinungen fänden als PDS-Wähler zum Teil ziemlich ärgerlich, doch so wie ich zu meinen Themen und in meinen Themen stünde, so müssen sie das in der Wahl honorieren. Es ginge gar nicht anders.
Selbstverständlich weiß ich, dass ich ohne das in der Bevölkerung vorhandene Ansehen der Altvorderen wie Ferdinand Lassalle, Eduard Bernstein, Philipp Scheidemann, Friedrich Ebert sen., Otto Wels, Kurt Schumacher, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Annemarie Renger und unendlich vielen anderen Sozialdemokraten nicht die Basis für meinen persönlichen Triumph gehabt hätte. Selbstverständlich gab der Sog pro Gerhard Schröder den Hauptausschlag für meine Direktwahlsiege 1998, 2005 und 2005.
Wobei 2005 auch in dieser Hinsicht ein sehr spezifisches Wahljahr gerade in Leipzig war.
Auch war die sachliche, unideologische Arbeit der Mitglieder der SPD-Landesgruppe Sachsen im Deutschen Bundestag, der ich von 1990 bis 2005 als Sprecher vorstehen durfte, eine überaus wichtige Komponente sozialdemokratischer Erfolge in Sachsen und damit auch Zufluss zu meinem Ansehen in der Region Leipzig-Borna.
An dieser Stelle ist es mir wichtig, meine wichtigsten Wegbegleiter im Bundestag aus Sachsen zu nennen: Rolf Schwanitz, Gerald Thalheim, Christian Müller, Renate Jäger, Simone Violka, Jürgen Wieczorek, Detlef Müller und der bereits genannte Rainer Fornahl.
Politik ist Teamarbeit und wir waren ein gutes Team. All das ist mir völlig klar. Dennoch sind und bleiben Direktwahlsiege auch persönliche Erfolge zugunsten der größeren Truppe, zu der man freiwillig gehört.
Zum Thema Direktwahlsieg gäbe es noch viel zu schreiben. Mir fällt das klägliche SPD-Hessen-Jahr 2008/2009 dazu ein.
Frau Ypsilanti wollte entgegen ihrer Vorwahltagzusagen nach der Wahl mit den Sudelroten und den Grünen eine Koalition eingehen. Sie machte die Rechnung ohne vier gerade gewählte SPD-Landtagsabgeordnete, denen so eine Koalition nicht im Traum einfallen wollte und die ihre Wähler an dieser für die Demokratie sehr sensiblen Stelle nicht enttäuschen wollten. Eine Koalition mit einer Linksaußenpartei kam für Carmen Everts, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Jürgen Walter nicht infrage. Sie retteten die Ehre der Hessen-SPD und wurden dafür abgestraft. Selbst der drohende Mandatsverlust bewog sie nicht zum Bündnis mit den SED-Nachfolgern und Kommunismusgläubigen.
Selbst ein Mandatsverzicht wurde von der direkt gewählten Dagmar Metzger gefordert! Pfui Deibel!
Auch in der Bundestagsfraktion diskutierten wir darüber. Als der Solarpapst und Wirtschaftsminister in spe Hermann Scheer den Mandatsverzicht erneut ansprach, meldete ich mich zu Wort. Sinngemäß sagte ich, dass es mich schon sehr erstaunt, wenn ein Kollege, der den Begriff Direktwahlsieg nur aus der Literatur kennt, so einen Verzicht postuliert. Im Übrigen gehören nicht die sogenannten Abweichler vor ein Parteigericht sondern die Hessen-SPD müsste vorgeladen werden. Alldieweil diese ein imperatives Mandat fordert und mit einer Linksaußenkoalition gegen die eigene Geschichte verstößt und die eigenen Kommunismus-Opfer vergisst.
Soweit der Ausflug in meine Sicht auf Ihr Direktmandat, sehr geehrte Frau Steinbach. Sie wissen schon, dass Sie der Bundeskanzlerin mit Ihrem Austritt den größten anzunehmenden Gefallen getan haben? Dabei war es doch die CDU unter Angela Merkel, die seit 2013 in großen Schritten aus der CDU austrat. Sie hätten bleiben können. Sie sind immer noch CDU.