Manfred Haferburg / 30.10.2017 / 13:36 / Foto: U.S.N.A.R.A / 11 / Seite ausdrucken

Französischer Butter-Notstand sucht WELT-online heim

"Den Franzosen geht die Butter aus" ist die Schlagzeile der Welt Online, die mich elektrisiert: „In Frankreich herrscht große Aufregung. In den Ladenregalen ist keine Butter mehr. Schon der Anblick der leeren Supermarktregale rührt an eine Urangst vieler Franzosen. Da, wo sich eigentlich die Butterpäckchen stapeln sollten, hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Buttermangel von unbegrenzter Dauer“. In Großbuchstaben!“

Jeder Franzose verzehrt im Durchschnitt 8 Kilogramm Butter im Jahr und schaut mit Verachtung auf das deutsche Weichei herab, das es nur auf 6 Kilogramm bringt. Butterverlust-Urangst in Frankreich, wie jetzt? Das Ende der Zivilisation ist nahe? Und dabei zeigt Welt ein Bild, das an einen Supermarkt in Armenien im Jahre 1980 erinnert: der Butterbereich leer, nitschewo, niente, rien. „Drohender Butter-Engpass wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr“, gruselte sich der „Figaro“. Himmel hilf, Schock und Horror, zweiter Weltkrieg? Ich bin doch wegen der Croissants au Beurre extra nach Frankreich ausgewandert. Und nun das!

In Panik renne ich los. Baskenmütze aufgesetzt, den Figaro konspirativ unterm Arm: investigativer Journalismus für die Achse. Und ich, der mutige Korrespondent aus Paris, der direkt vom Untergang der Grande Nation berichtet.

Gleich um die Ecke meine Lieblingsbäckerei, aus der es 30 Meter gegen den Wind wie immer – heute wohl trügerisch – nach butterigem Gebäck duftet. Auf meine Frage hin, ob es denn Croissant au Beurre gäbe, schaute mich die nette Verkäuferin, eine Chinesin, verständnislos an: „Natürlich, Monsieur, ganz frisch. Und Croissant au Chocolat auch.“

Croissants mit extraviel Beurre handmassiert

"Und ist da auch wirklich ganz viel Beurre drin, Mademoiselle?“ Ob dieser impertinenten Unterstellung holte sie den Chef der Bäckerei, einen Libanesen. Der versicherte hoch und heilig, dass seine Croissants mit extraviel Beurre handmassiert und die besten von Paris seien. Misstrauisch kaufte ich eines, obwohl ich mir das sonst nur einmal in der Woche gestatte – wegen der Kalorien. Und ja, der Bäcker hat nicht gelogen. Das Croissant zergeht mit seinem butterigem Blätterteig bröselnd auf der Zunge, mit einem Hauch von Salz im Abgang. In meiner Bäckerei ist die große französische Butterkrise Gott sei Dank noch nicht angekommen. Aber kann man da schon aufatmen?

Also investigativer Journalismus, weiter zum nahen Supermarkt. Beim Butteregal angekommen stockt mir der Atem: eine supermarkt-amtliche Bekanntmachung, kleiner Zettel und nicht in Großbuchstaben: „Der Milchfettmarkt ist seit einigen Monaten durch eine geringere Produktion und einen höheren Verbrauch angespannt. In der Folge sind wir von einer Knappheit betroffen. Wir bitten um Verständnis, wenn daher einige Produkte zeitweise nicht im Angebot sind“.

Und tatsächlich, ich zähle nur 24 verschiedene Sorten Butter, die dieser sonst wohl besser sortierte Supermarkt im Regal hat, gleichwohl jede Sorte in reichlicher Menge. Vorsichtshalber kaufe ich ein viertel Pfund gesalzener Butter von Guérande aus der Bretagne, obwohl Butter ganz oben auf der Blacklist meiner Frau steht und mich ein missbilligender Blick erwartet. Man weiß ja nie!

Das mit den leeren Regalen in Frankreich sind deutsche Zeitungsenten. Der französische bûche de Noël ist wohl nicht wirklich in Gefahr. Außerdem mag ich den gar nicht. Der erinnert mich immer an die mörderfette Buttercremetorte meiner Tante, die so schwer war, dass ein runterfallender Krümel direkt zum Erdmittelpunkt durchfiel. Auch die Croissants werden die herbeigeredete Butterkrise überstehen. Die leeren Butterregale wie in der Nachkriegszeit kann man wohl nur aus der fernen Berliner Welt-Redaktion ausmachen.

Der deutsche Kräuterschnaps ist aus!

Trotzdem sitzt mir der Schreck tief in den Knochen. Um den herunter zu spülen, kaufe ich mir, wenn ich schon einmal hier bin, doch lieber ein gutes Tröpfchen aus Deutschland. Ein Kräuterlikör soll es sein, dessen Namen etwas mit einem Jäger zu tun hat, der es zur Meisterschaft brachte. Den gibt es nämlich hier immer.

Und jetzt kommt die wirkliche Sensation aus Frankreich: es gibt einen Engpass, den die Weltredaktion noch nicht ausgemacht hat: Das Regal im Supermarkt hält eine Unmenge an geistigen Getränken aus aller Herren Länder bereit, aber der Platz für den deutschen Kräuterli ist verwaist – leer, nitschewo, rien, niente. Und kein Schild klärt den entsetzten Kunden auf, dass auf Grund durch womöglich geringere Produktion – wer geht schon Kräutersammeln - und höherem Verbrauch – womöglich in deutschen Zeitungs-Redaktionen - der Kräuterschnaps nicht vorhanden ist.

Ich kenne den Grund nicht. Es ist auch nicht so wichtig, Regal leer, es ist, wie es ist. Jetzt helfen nur noch Solidaritäts-Pakete aus Deutschland mit literweise Kräuterli zur Aufrechterhaltung des hochkarätigem investigativen Journalismus in Paris. Und darauf einen Dujardin.

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U.L. Kramer / 30.10.2017

>>>>Der Milchfettmarkt ist seit einigen Monaten durch eine geringere Produktion und einen höheren Verbrauch angespannt.<<<< Geringere Produktion ist das Eine, aber woher kommt der gestiegene Verbrauch? Wer ißt denn mit einemmal so viel Butter in Europa? Danke für den Artikel, einfach herrlich geschrieben.

Jochen Grünhagen / 30.10.2017

Heute ist die Butter knapp, vor rund drei Jahren wurde das Ende der Bananen ausgerufen und ein Jahr später sollte es die Tomate sein die knapp wird, eine überregionale hessische Zeitung sah mindestens eine Verdoppelung des Ketchup Preises voraus. Ich konnte von all dem nichts feststellen und warte auf die nächste Sau die durch den Blätterwald getrieben wird. Vielleicht werden ja in Kürze die Pommes frites knapp. Die Kartoffelernte der Pommes Kartoffeln ist in unserer Region arg ins Stocken geraten. Eigentlich wäre die Ernte jetzt beendet, aber in diesem Jahr sind noch etwa ein Drittel der Kartoffeln im Boden.

Fritz Hoffmann / 30.10.2017

Uuuaaahhh, Himmel und Hölle, Gipfel und Abgrund gleich in einem Atemzug. Croissant au beurre in der einen und Leberkleister in der anderen Hand.

Dirk Jungnickel / 30.10.2017

Könnte es sein, dass in Frankreich ein Ernährungswissenschaftler wieder einmal die Gesundheitsschädlichkeit von Butter neu berechnet und dies ein investigativer   Journalist mangels Themen aufgegriffen hat um sozusagen eine hausgemachte Panik auszulösen, deren Wirkung darin besteht, dass sich die Franzosen in vorauseilendem Gehorsam butterresistent und damit enthaltsam verhalten ?

Archi W Bechlenberg / 30.10.2017

Dass es keinen Kräuterschnaps mehr gibt, kann nur an einem liegen: am Glyphosat. Schließlich rottet das alles aus, was der gemeine Bauer als unnütz ansieht, das kundige Kräuterweiblein hingegen als segensreich erkennt und in magenfreundliche Spirituosen verwandelt. Hinzu kommt, dass das Jagen ja auch schwer in Verruf geraten ist und M. Dupont längst nicht mehr so leger nach der Flinte greift wie früher. Ich bin sicher, es wird auch eine schlimme Hasen-, Enten- und Fasanenknappheit um Weihnachten herrschen. Da werde ich jetzt wohl bereits in den nächsten Tagen einen Kapaun vorbestellen, um überhaupt etwas Festliches auf dem Teller zu haben. Der ist zudem so fett, dass er auch ohne Butter kross wird. Und zur Verdauung muss dann eben mal Melissengeist herhalten.

Rüdiger Kuth / 30.10.2017

Na klar, keine Butter mehr, keine Eisberge, keine Insekten, kein Winter, Sommerdürre von Mai bis September in Deutschland,...... so geht Qualitätsjournalismus. Da wundern die sich über desinteressierte Leser und abbestellte Abos. Als einzige Folgerung aus der Nachricht: Die Milchbauern können sich vielleicht mal über steigende und angemessene Erzeugerpreise freuen.

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