Gastautor / 04.10.2015 / 13:00 / 4 / Seite ausdrucken

Flüchtlinge früher und heute (2)

Von Eva Ziessler

“Hannover (dpa). Mit einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge in deutschen Städten rechnet der Vizepräsident des Städtetages und hannoversche Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg. Die Reserven in vielen Großstädten und Ballungsgebieten seien erschöpft. Das gelte sowohl für den Wohnungs- als auch für den Arbeitsmarkt, sagte er. Bremen werde nicht die einzige Stadt bleiben, die eine weitere Aufnahme verweigere. “Wir sind in eine Lage gekommen, die auf Dauer nicht verkraftet werden kann”, sagte Schmalstieg.”

Nur wer weiß, dass Herbert Schmalstieg seit 2006 nicht mehr Oberbürgermeister von Hannover ist, erkennt vielleicht, dass dieses Zitat keine Zeitungsmeldung der, sagen wir, letzten drei oder vier Wochen ist. Es stammt aus der Freien Presse Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) vom 10. November 1989 und ist nicht von der Deutschen Presseagentur, sondern von der DDR-Nachrichtenagentur ADN. In der Originalmeldung steht, statt “Flüchtlinge”, “Über- und Aussiedler”. Und es heißt auch nicht “in deutschen Städten”, sondern “in Städten der BRD”. Mit den Über- und Aussiedlern sind natürlich nicht DDR-Bürger gemeint, die nach dem Mauerfall in Scharen in den Westen umzogen, d.h. migrierten – dafür war es am 10. November noch viel zu früh. Nein, es geht um die deutschen Aussiedler vor allem aus Polen und aus Rumänien, die schon in den 1980er Jahren zuhauf in die Bundesrepublik kamen und von denen keineswegs alle Deutsch sprachen oder verstanden, die aber zum größten Teil eine gute Ausbildung – wenn auch im Sozialismus – genossen hatten.

Auch sie mussten die ersten Wochen in Deutschland in “Erstaufnahmelagern” verbringen und wurden anschließend von den Behörden, wie heute die Flüchtlinge, “umverteilt”. Das heißt, sie durften sich ihren Wohnort in Deutschland nicht selbst aussuchen. Das, obwohl sie deutsche Staatsbürger waren – ein Skandal erster Güte, der bis heute kaum thematisiert worden ist: Am 15.7.1989 war das “Wohnortzuweisungsgetz” in Kraft getreten, das diesen deutschen Staatsbürgern ihre grundrechtlich garantierte Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG einfach vorenthielt. Das Gesetz war selbstverständlich verfassungswidrig, wurde aber trotzdem umgesetzt und erst 2009 aufgehoben. Ausdrücklich wurde damit der Zweck verfolgt, Familien zu trennen, um der “feststellbaren regionalen bzw. kommunalen Konzentration von Aussiedlern durch den Zuzug zu bereits in Deutschland lebenden Verwandten und Bekannten…entgegenzuwirken”, wie 2013 in einem Forschungbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) freundlicherweise noch einmal erklärt wird. Die deutschen Staatsbürger wurden “für eine festgelegte Zeit einem bestimmten Wohnort zugewiesen. Dabei handelte es sich zunächst um zwei Jahre, dann um eine unbefristete Zeit und schließlich seit dem Jahr 2000 um drei Jahre”.

Ganz ähnlich war auch mit den DDR-Flüchtlingen vor dem Mauerbau verfahren worden. Danach kamen nur noch so wenige, dass sich das Verfahren nicht mehr lohnte. Da weder der Gesetzgeber noch die deutsche Verwaltung von den 1950er Jahren bis 2009 auch nur die leisesten Hemmungen hatten, Millionen Deutsche de facto ihres Grundrechts auf Freizügigkeit im Bundesgebiet zu berauben, braucht man sich auch nicht zu wundern, dass es heute mit den Flüchtlingen nicht anders ist. Der Planungswahn nimmt eben auf Menschen und ihre Familien keine Rücksicht.

Zuerst erschienen auf Eva Ziesslers Blog hier

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Leserpost

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Max Wedell / 06.10.2015

Die Umstände einer Einwanderung haben nicht nur Auswirkungen auf das Leben der Einwanderer, sondern auch Auswirkungen auf das Leben der Einheimischen. Es sind daher nicht nur ausschließlich Wünsche der Einwanderer von der Politik zu berücksichtigen, und Wünsche der Einheimischen unter den Teppich zu kehren, auch wenn das für gewöhnlich die Auffassung von Linken oder Grünen zu sein scheint. Ein völlig legitimes Interesse der Zielgesellschaft einer Einwanderung ist es, eine bestmögliche Integration der Neubürger zu erreichen. Die Bildung von Parallelgesellschaften steht dieser Integration entgegen, aber wenn der Zuzug staatlich ungeregelt ist, entstehen automatisch Ballungen von Neubürgern, die als Magnete weiterer Neubürgeransiedlung dienen, was am Ende die Entstehung von Parallelgesellschaften stark begünstigt… was eigentlich vermieden werden sollte. Da die Abhängigkeit von Sozialhilfe oder anderen Unterstützungsleistungen mindestens in der Anfangsphase überdurchschnittlich hoch ist, werden zusätzlich dann auch die Kommunen außergewöhnlich stark belastet, in denen sich die Neubürger ballen… ein aktuelles Beispiel, sowohl für das Abdriften in Parallelwelten als auch die kommunale Totalüberforderung, ist Duisburg-Marxloh. Deutschland machte den Spätaussiedlern ein ganz außergewöhnliches Angebot… als Deutscher zu meinen, das eigene Land, das sich so ganz außergewöhnlich offen und gebebereit zeigt, dürfe im Gegenzug vom Einwanderer nicht auch eine Bereitschaft zur einen oder anderen Unbequemlichkeit fordern, wenn dies vernünftige, nachvollziehbare Gründe rechtfertigen, kommt mir wirklich sehr masochistisch vor, und in dieser Sache das “Verwehren eines Grundrechts” zu bejammern, reichlich hysterisch.

Paul H. Ertl / 06.10.2015

Vielleicht hätten Sie auch Absatz 2 lesen (und posten) sollen: 2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist. Ein Gesetz, nämlich das “Wohnortzuweisungsgesetz” gab es offensichtlich, das bestreiten Sie ja auch nicht und wohl auch nicht sein verfassungskonformes Zustandekommen, die Frage ist nunmehr, ob dieses Gesetz das Recht nach Art. 11 Abs. 1 GG rechtmäßig eingeschränkt. Das, Frau Ziesller, verneinen Sie anscheinend. So weit, so gut. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht auf seine eigenen Fakten (D. Rumsfeld); leider (aus Ihrer Sicht) ist die Faktenlage diese: Das BVG hat entschieden, daß die Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit in diesem Fall rechtmäßig war, wie Sie also auf das schmale Brett kommen, dieses Gesetz als verfassungswidrig zu bezeichnen, will sich mir nicht so recht erhellen. Oder hat am Ende “Mutti” beschlossen, das jetzt jeder, der “Sachkenntnis” reklamiert (und “hilfreich” ist), das BVG im Alleingang korrigieren darf ? Ihrer Einschätzung der Folgen des “Planungswahns” (der hier aber nicht vorliegt) ist nichts hinzuzufügen.

Fritz Blumer / 06.10.2015

Schon bald nach Frau Ziesslers erstem Erscheinen auf der Achse wurden Rufe laut, man möge ihre Beiträge hier doch bitte nicht mehr wiedergeben. Dieser Bitte möchte ich mich hiermit in aller Form anschliessen. Ihre Meinung sei Frau Ziessler unbenommen, aber die journalistische Qualität ihrer Wortmeldungen ist für Achse-Leser eine Zumutung.

Karl Helger / 04.10.2015

Ein illegaler Einwanderer hat keinen Anspruch auf irgendeine Freizügigkeit. Vielleicht erst mal ein Basis-Jurawissen aneignen bevor man so einen Mumpitz schreibt. Und Analogien zwischen der Einwanderung von Ostdeutschen und muslimischen Arabern zu ziehen ist bestenfalls unbedarft wenn nicht gefährlich.

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