Ulli Kulke / 23.01.2013 / 08:41 / 0 / Seite ausdrucken

Film über Naturzerstörung durch vermeintlichen Klimaschutz

Viel wird dieser Tage gesprochen und geschrieben von der Zerstörung unseres Globus’ durch den Klimawandel. Der Filmemacher Ulrich Eichelmann, 17 Jahre lang engagiertes Mitglied bei österreichischen WWF und Jahrzehnte im Naturschutz tätig, dokumentiert uns jetzt in seinem aufrüttelnden Film „Climate Crimes“, dass der Zusammenhang eher umgekehrt gilt: Er zeigt, wie sehr weltweit viele Biotope, Arten, Lebensräume und auch das kulturelle Erbe tatsächlich bedroht sind – allerdings „nicht vom Klimawandel, sondern vom Klimaschutz und dem, was in seinem Namen geschieht“, wie er resümmiert. Vor allem Wasserkraft und Bioenergie sind es seiner Ansicht nach, die wertvolle Teile der Natur unseres Planeten gefährden.

Dass heutige Klimaschutzmaßnahmen in vielfältiger Hinsicht dem Naturschutz nachhaltig schaden, ist keine neue Erkenntnis, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen. Noch niemand allerdings hat dies bisher so eindringlich und im Weltmaßstab zusammengestellt wie Eichelmann. Der knapp einstündige Film, der dieser Tage in mehreren Kinos im Land – und auch im österreichischen Fernsehen – gezeigt wird, ist das Ergebnis einer zweijährigen Arbeit, die sein Team unter anderem nach Brasilien, in die Türkei und den Irak sowie nach Indonesien führte, aber nicht zuletzt auch in das Musterland des Klimaschutzes, nach Deutschland, wo der Frevel an der Natur besondere Blüten treibt.

Eichelmann fühlt sich durch das, was er im Zuge seiner Recherche zusammengetragen hat, besonders betroffen, weil er viele Jahre, wie er sagt, sich für den Kampf gegen den Klimawandel engagiert habe, bis er vor einiger Zeit feststellen musste, „es läuft hier etwas schief“.

Die einzelnen Stationen des Films:

Brasilien: Schon immer waren die gewaltigen Staudämme des südamerikanischen Landes, die jeweils viele Dutzend Quadratkilometer Regenwald für die Gewinnung von Strom unter Wasser setzten, ein Problem für die Natur des Amazonasbeckens. Aber jetzt, da der Impetus des Klimaschutzes hinzukommt, sind offenbar alle mühsamen Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten Zug um Zug aufgebaut werden konnten hinsichtlich der Naturverträglichkeit, auch alle Moratorien, mit einem Schlag dahin. 60 Megadämme von mehreren Kilometern Länge und mehrere Hundert mittlere Dämme sind für die nächsten Jahre im Amazonasbecken geplant. Allein einer davon, der Belo-Monte-Damm am Xingu-Fluss, soll Urwald auf einer Fläche größer als der Bodensee überschwemmen, bedroht 200 Fischarten, zwingt 20.000 Menschen zum Umsiedeln. Auch einer der sehr seltenen großflächigen Brutplätze der Amazonasschildkröten wird dem Damm zum Opfer fallen. Der dort tätige katholische Bischof Erwin Kräutler bezeichnet die derzeitige Energiepolitik Brasiliens als den „Todesstoß“ für den Amazonas-Regenwald.

Türkei: Eine der ältesten Städte Anatoliens, Hasankeyf, berühmt für seine ausgedehnten Höhlensiedlungen und anderen Bauten aus dem vierten Jahrhundert, errichtet im Grenzgebiet zwischen Ostrom und dem Land des persischen Sassanidenvolkes, soll einfach von der Landkarte verschwinden. Der Grund: Der Ilisu-Damm, der dort errichtet wird, um „sauberen Strom“ zu produzieren, wird dafür sorgen, dass der Tigris die Stadt regelrecht verschluckt. Mit Glück könnten die oberen Spitzen der alten Minarette noch aus dem Stausee herausschauen.

Übrigens: Erinnern wir uns noch an die weltweite Empörung über die Taliban, als die die riesige Buddha-Statue von Bamiyan zerstörten? Diese Barbaren, hieß es damals! Der Verlust von Hasankeyf dürfte ungleich größer sein, bislang bleibt die Empörung außerhalb der Türkei aus – stillhalten im Namen des Klimaschutzes.

Irak: Groß war die Empörung ebenfalls weltweit, als der irakische Diktator Saddam Hussein in seinem Land Mitte der 90er Jahren die riesigen mesopotamischen Sümpfe bei Basra trocken legte, aus Rache, weil er bei den dort ansässigen Bewohnern den nötigen Kampfgeist im ersten Golfkrieg vermisst hatte. Mühsam wurde später das Feuchtbiotop, in dem viele Arten leben und Menschen ihr landwirtschaftliches Auskommen haben, zum Teil wieder renaturiert. Jetzt soll es endgültig verschwinden, weil Staudämme oberhalb das Wasser abgraben.

Deutschland: Kaum mit Worten zu widerzugeben ist der Frevel an der deutschen Flur, wie sie Eichelmann im Film beschreibt. Das Land verödet zur artenfeindlichen Monokultur von Maisfeldern bis zum Horizont, auch Biosphärenreservate werden davon nicht verschont. Alles nur, damit genügend Biogas produziert wird, um die Klimaziele zu erfüllen. Im Namen einer vermeintlich sauberen Energie. Viele Vogelarten sind bereits vollends verschwunden, andere werden folgen. Feldhasen und andere Bodenbewohner wird man nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die größte Biogasanlage im Land benötigt 1000 Tonnen Mais pro Tag. 7000 Anlagen stehen bereits, pro Jahr kommen im Durchschnitt etwa 1000 hinzu. Die Maisbauern können – letztlich aus subventionierten Einnahmen – jede Pacht bezahlen, deshalb haben sich die Pachtpreise mehr als verdoppelt, bäuerliche Betriebe machen pleite. Übrigens: 2011 konnte Deutschland zum ersten Mal seinen Getreidebedarf nicht mehr selbst decken.

Indonesien: Noch größer ist der Flächenfraß in der Natur in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo, wo die Palmölplantagen – nicht zuletzt für die Biodieselproduktion –  den Regenwald schon fast vollends vernichtet haben. Die letzten Orang Utan verlieren ihren Lebensraum.

Eichelmann führt in seinem Film Rechnungen vor, nach denen fast jedes einzelne der vorgestellten Projekte, jener „Crimes“, dafür verantwortlich sei, dass unter dem Strich mehr Kohlendioxid oder Methan ausgestoßen wird anstatt die Emissionen zu senken. Obwohl er sich inzwischen vom Kämpfer gegen den Klimawandel in einen Kämpfer gegen solche Art von Klimaschutz gewandelt hat, geht er nach wie vor davon aus, dass Treibhausgase das Weltklima bedrohen. Er sieht die einzige Chance darin, das globale Wirtschaftswachstum in Frage zu stellen. Nur auf diesem Weg, so lautet seine Argumentation, könnte man die „Climate Crimes“, die er vorführt, verhindern.

Man muss – wie der Blogger – die Strategie des Wachstumsverzichts nicht teilen, um den Film beeindruckend und vor allem glänzend und umfassend recherchiert zu finden. Gerade die Entwicklung des Weltklimas, die Erwärmungspause in den letzten eineinhalb Jahrzehnten und die Prognosen für die nächsten Jahre könnten andeuten, dass es zwar sinnvoll ist, langfristig die Energieversorgung umzustellen, dass es aber kein Grund gibt, heute beim Klimaschutz „das Kind mit dem Bade auszuschütten“, wie es im Film der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech ausdrückt. Oder eben auch „den Klimaschutz als Deckmantel für Umweltverbrechen“ gelten zu lassen.

Meine Befürchtung ist allerdings, dass ein Wachstumsverzicht auch nichts anderes wäre, als das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es ist eben so: Nur wachstumsorientierte Ökonomien haben es sich leisten können, die Umwelt zu schützen. Diesen historischen Zusammenhang zu lösen ist zwar theoretisch nicht unmöglich, könnte aber in ähnlich fragwürdige Experimente münden wie die dokumentierten „Climate Crimes“.

Wir müssen uns die Zeit schon nehmen, vernünftig zu planen und keine Hals-über-den-Kopf-Maßnahmen zu forcieren. Hüten wir uns vor übertriebenen Weltuntergangs-Prophezeiungen und schützen wir die Natur.

So oder so, Wachstum oder Verzicht, Treibhaus-Hysterie oder kühler Kopf: Climate Crimes ist einer der sehenswertesten und mutigsten Filme zum Thema.


Die Termine von „Climate Crimes“:

23.Januar           Hamburg, 20h im Abaton Kino, Allendeplatz 3 / Grindelhof, anschließend   Diskussion mit Niko Paech, Ökonom und Wachstumskritiker

24. Januar         Potsdam, 20h im Thalia Kino, Rudolf-Rudolf-Breitscheid-Str. 50

29. Januar         Berlin, 20h im Hackesche Höfe Kino, Rosenthaler Straße 40/41, anschließend Diskussion mit Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND

31. Januar         Bremen, 20h im City 46, Birkenstraße 1

05. Februar         ORF2 um 22.30 in der Sendung “kreuz und quer”  (Wiederholung: 07.2., 12 Uhr)

22. Februar         Köln, 20h im Filmforum im Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, anschließend singen die Tsaziken (http://www.tsaziken.de)

Laut Eichelmann kommen bisweilen neue Termine hinzu: Für den Fall von Aktualisierungen: http://riverwatch.eu/climate-crimes/termine

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