Die Verhältnisse haben sich gewandelt: Der doktrinäre, rassistische Antisemitismus der Nazi-Zeit ist durch den Holocaust heute weitgehend diskreditiert – der neue Antisemitismus tarnt sich vielfach mit der Maske legitimer antizionistischer Israel-Kritik. „Man wird doch noch Kritik an Israel über dürfen“ heißt es dann, meint aber damit etwas ganz anderes. Denn hinter der vermeintlichen Israel-Kritik verbirgt sich nicht selten eine „Dämonologie“ des jüdischen Staates. Deutlich wird das etwa dann, wenn diese „Kritik“ nicht vor NS-Vergleichen zurückschreckt: Rund die Hälfte der Deutschen stimmt dem Vergleich der Politik Israels mit jener des NS-Regimes zu. In Österreich sind 42 Prozent der Meinung, dass sich „die Israelis den Palästinensern gegenüber genauso unmenschlich verhalten wie damals die Nazis gegenüber den Juden.“
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Der Zionismus sei „das einzige sozialistische Experiment, das nicht gescheitert ist“, somit sei Israel „für diejenigen, die sich an die Idee des Sozialismus klammern, eine unerträgliche Provokation“. Zum „deutschen Schuldgefühl“ komme der „linke Neidkomplex“. Das scheint doch etwas spekulativ. Präziser ist Broders Analyse des derzeit grassierenden Vergleichs von Antisemitismus mit „Islamophobie“. Den Unterschied könne man „am einfachsten mit dem Unterschied zwischen dem ,Ritualmord‘ und dem ,Ehrenmord‘ erklären. Der ,Ritualmord‘ existierte nur in der Fantasie der Antisemiten, sogenannte Ehrenmorde aber gibt es tatsächlich.“
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Heftig kritisierte er in diesem Zusammenhang den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der Israel als Apartheidstaat bezeichnet habe. “Ich glaube nicht, dass Gabriel ein Antisemit ist, sondern ein Dummkopf”, sagte Broder. “Wenn er nach Israel fährt, dann sind Dick und Doof im Nahen Osten unterwegs - in einer Person.” Die dem Deutschen eingelernte politische Korrektheit machte der Autor verantwortlich für Diskussionen wie jene darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat oder “nur” eine Diktatur gewesen sei: “Da kriege ich die Krätze. Man kann auch ein Blutbad herunter differenzieren, bis nichts mehr übrig bleibt”, so Broder.
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