Bisher habe ich den Begriff “Aufklärungsfundamentalismus” für so bekloppt gehalten, dass mir eine Steigerung unmöglich erschien. Und jetzt haben wir den “Aufklärungsfaschismus”. Ich muss zugeben: Mir fehlte einfach die Fantasie, mir dieses Stück Wortpornografie auszumalen. Aber nun ist es auf dem Markt und es findet schon die ersten Abnehmer. Bitte sehr. Die Geschmäcker sind unterschiedlich.
Mir selber ist allerdings zum Brechen zu Mute, wenn mir das Wort Aufklärungsfaschismus aufgetischt wird.
Würde man sich ernsthaft mit dem Begriff auseinandersetzen, müsste man wohl darauf hinweisen, dass der Faschismus das absolute Gegenteil der Aufklärung ist, also die Antiaufklärung schlechthin.
Aber ich denke nicht im Traum daran, mich ernsthaft mit diesem Stuss zu befassen. Ich nehme dieses absurde Stück Wortpornografie lieber als Vorlage für ein paar ergänzende Beklopptheiten. Denn was könnte es nicht alles geben, wenn es einen Aufklärungsfaschismus gäbe!
Ein naher Verwandter wäre sicherlich der Freiheitsfaschismus als Bezeichnung für Leute, die es sehr mit der Freiheit halten. Auch der Demokratiefaschismus würde in den Bereich des Möglichen rücken, um Menschen zu kennzeichnen, die eine ausgeprägte Vorliebe für die Demokratie haben. Menschen, die andere Menschen lieben, gerieten, ohne es zu ahnen, in Gefahr, Liebesfaschisten zu werden.
Wem das zu abstrakt ist, dem empfehle ich ein paar greifbarere Faschismen. Denn wer den Faschismusbegriff so locker vom Hocker verwendet wie der Erfinder des Aufklärungsfaschismus, macht die Bahn frei für ein buntes Allerlei an Faschismen. Wie wär’s also mit Klamottenfaschisten für Modebewusste? Tanzfaschisten für heftige Tänzer? Speisefaschisten für Gourmets? Weinfaschisten für Rotwein trinkende alte Knaben? Reisefaschisten für Globetrotter? Schreibfaschisten für Leute, die viel schreiben? Nichts ist mehr unmöglich.
Bei so viel Faschismen steigen in mir nach und nach antifaschistische Gefühle auf. Könnte es sein, dass ich zum Antifaschismusfaschisten werde?
Man müsste darüber nachdenken. Moment mal. Nachdenken? Da ist Vorsicht am Platze. Es besteht die Gefahr, dass einer, der gelegentlich nachdenkt, ehe der den Mund aufmacht, zum Denkfaschisten wird.
Und wer will das schon?