Henryk M. Broder / 25.02.2017 / 15:24 / Foto: Bundesarchiv / 6 / Seite ausdrucken

Faschismus und Fanatismus, da kann man sich schon mal vertun

Deutschlandradio Kultur meldet heute, "ausländische Regisseure" klagten über den "Fanatismus" in den USA. Vor der Verleihung der Oscars hätten sechs Filmemacher, unter ihnen auch die deutsche Filmemacherin Maren Ade, das "Klima des Fanatismus und Nationalismus" in den USA kritisiert. "Führende Politiker" säten Furcht, indem "sie uns nach Geschlechtern, Hautfarben, Religionen und Sexualitäten trennen".

Offenbar wurde im Show-Business bis vor Kurzem nicht nach Geschlechtern, Hautfarben, Religionen und Sexualitäten getrennt; für die Besetzung einer Rolle spielten Geschlecht, Hautfarbe, Religion und Sexualität keine Rolle. Alte, weiße, jüdische, heterosexuelle Männer konnten junge, schwarze, lesbische Mormonen-Frauen spielen, ohne dass sich jemand daran gestört hätte. Seit Trump per Dekret regiert, hat sich das total geändert. Plötzlich kommt es doch auf Geschlecht, Hautfarbe, Religion und Sexualität an. Wohl deswegen hat einer der sechs Regisseure, der Iraner Asghar Farhadi, angekündigt, die Oscar-Gala zu boykottieren.  Denn anders als in den USA gibt es in seiner Heimat weder Fanatismus noch Nationalismus, jeder Mann und jede Frau kann sich das Geschlecht, die Hautfarbe und die Religion, der er/sie angehören möchte, frei aussuchen und autonom entscheiden, welche Art von Sexualität er/sie praktizieren möchte.

Die Geschichte stand auch auf ZEIT ONLINE, sogar mit einem Link zur New York Times, wo sie einen Tag zuvor erschienen war: Foreign-Film Nominees Unite to Denounce ‘Rise of Fanaticism’. Man wisse nicht, wie "der Brief" zustande gekommen sei, gab die NYT zu bedenken, ein "publicist" der Filmemacher habe erklärt, sie hätten sich untereinander verständigt.

Auch ZEIT ONLINE schloss ihren Bericht mit einer Pointe namens Anmerkung der Redaktion ab: In einer frühen Textversion hatten wir von einer "Kritik am Faschismus" statt "Fanatismus" berichtet. Diesen Fehler hatten wir in der Nacht von einer unserer Nachrichtenagenturen übernommen. Wir haben ihn mittlerweile korrigiert und bitten vielmals um Entschuldigung.

So verwandelte sich "Fanatismus" in "Faschismus", bevor jemand in der Redaktion von ZEIT ONLINE auf den Link zur NYT drückte und aus dem "Faschismus" wieder "Fanatismus" machte. Aber was macht das schon. Der Faschismus ist ein Produkt des Fanatismus, so wie die ZEIT ein Produkt des Zeitgeistes ist. Seit Reinhard Lettau im Jahre 1971 seine Notizen aus den USA unter dem Titel "Täglicher Faschismus" veröffentlichte, also lange vor Bush und Trump, dient "Faschismus" deutschen Intellektuellen als Synonym für "USA", egal wer grade im Weißen Haus logiert. 

Aber vielleicht hat auch Lettau "Fanatismus" gemeint, sich nur vertippt, und keiner hat's bemerkt.

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Leserpost

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Helmut Driesel / 25.02.2017

Na ja, Faschismus ist fanatisierter Eigennutz, und das im großen nationalen oder sogar internationalen Stil. So ganz weit weg ist das politische Geschehen in den USA davon nicht. In Europa war ja Berlusconi genau auf diesem Pfad unbegreiflich lange unterwegs. In den Vereinigten Staaten scheint es aber einen weitreichenden Konsens darüber zu geben, offenbar hoffen große Teile der Bevölkerung auf eine Art Polyfaschismus, der sich aus der Nähe betrachtet immer als american way of live darstellt. Wo sich also die verschiedenen egoistischen Radikalitäten immer rechtzeitig und effektiv neutralisieren. Ob man sich darauf verlassen kann?

Dirk Jungnickel / 25.02.2017

Die deutsche (Kultur)politik treibt schon die lächerlichsten Blüten, wenn Promis - sprich Mimen - sich stellvertretend für des Volkes Stimme in den Medien zu den kompliziertesten Sachverhalten glauben äußern zu müssen. Wenn sich aber eine Maren Ade, gegen die ich persönlich nichts habe, hochgepuscht zur Oscar - Anwärterin in die USA - Innenpolitik einzumischen erdreistet, dann zieht es mir die Socken aus. Es ist schon peinlich genug für Deutschland, wenn ihr völlig mißratener “Toni Erdmann” zur Oscar - Nominierung eingereicht wurde.  Es bleibt zu hoffen, dass die Oscar - Juroren nicht auch noch auf den albernen Langweiler hereinfallen. So wie einige Feuilletonisten, denen niemand mehr zu widersprechen wagte. Vielleicht engagiert sich Frau Ade ja demnächst ebenso (in-)  kompetent in der deutschen Innen - und Außenpolitik und sorgt für ein angenehmes Klima.

Karla Kuhn / 25.02.2017

“Wohl deswegen hat einer der sechs Regisseure, der Iraner Asghar Farhadi, angekündigt, die Oscar-Gala zu boykottieren.  Denn anders als in den USA gibt es in seiner Heimat weder Fanatismus noch Nationalismus, jeder Mann und jede Frau kann sich das Geschlecht, die Hautfarbe und die Religion, der er/sie angehören möchte, frei aussuchen und autonom entscheiden, welche Art von Sexualität er/sie praktizieren möchte.” Herrlich Herr Broder,Satire pur.  Sogar Kokolores will gelernt sein.

Richard DAWSON / 25.02.2017

Oscar Wilde was once asked whether Hamlet was mad or merely pretending to be mad. To which he replied, Are the commentators on Hamlet mad or merely pretending to be mad. Substitute Hamlet with Trump and you get the picture.

Beate Dreher / 25.02.2017

Das Buch liegt auch noch in meinem Kellerfundus.Jaja,wir Alten!

Dirk Jäckel / 25.02.2017

Ich bitte Sie: Das, was unter dem Namen der ehemaligen ZEIT firmiert, verdient heutzutage eher Mitleid als Verachtung (O.K., einmal monatlich ein Artikel, der dem früheren Niveau entspricht). Dass der ehem. Spiegel von noch beeindruckender intellektueller Schlichtheit ist, ändert daran nichts.

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