Henryk M. Broder / 15.04.2017 / 11:00 / Foto: heb / 13 / Seite ausdrucken

Tagesschau mit kleinen Korrekturen der Wirklichkeit

Gestern hat die Tagesschau in ihrer 20-Uhr-Ausgabe die Debatte über Fake News um zwei schöne Beispiele bereichert. Klicken Sie auf den Link, fahren Sie auf 7:47 vor und schauen sich den Beitrag über den Start der diesjährigen Ostermärsche in Deutschland an. Der Ort, den sich die Tagesschau als irgendwie repräsentativ ausgesucht hatte, heisst Gronau und liegt in Westfalen. 47.000 Einwohner leben in umittelbarer Näher einer Urananreicherungsanlage. Deswegen wird in Gronau und um Gronau herum immer wieder gegen die Atomkraft demonstriert. Gestern waren es, Achtung!, 250 Demonstranten, also ein halbes Prozent der Bevölkerung. Dabei hatten "rund 30 Organistionen" zum Protest aufgerufen.

Man merkt es der Geschichte an, wieviel Mühe der Reporter der Tagesschau hatte, ein paar Bilder zusammenzukratzen, die dem Anlaß angemessen waren. Am Ende des Berichts hört und sieht man eine Squaw, die schon bei den Demos gegen den NATO-Doppelbeschluss dabei war, ein Lied zur Gitarre singen. Das ist rührend. Und es zeigt, wo die Ostermarschbewegung angekommen ist - in der absoluten Bedeutungslosigkeit. Warum also berichtet die Tagesschau über ein Non-Event, das sie mit Schweigen übergehen würde, wenn es 250 Eisenbahnfreunde wären, die sich einmal im Jahr treffen, um Erinnerungen an den TEE auszutauschen? 

Aber es kommt noch besser. Bei 14:42, also ziemlich zum Schuss, berichtet die Tagesschau über eine "Karfreitagsprozession in Berlin", bei der an die Opfer der Anschläge auf koptische Kirchen am Palmsonntag in Ägypten erinnert wurde. "An der ökumenischen Schweigeprozession nahmen unter anderem der evangelische Bischof Dröge, der katholische Erzbischof Koch und eine Vertrerin der Muslime teil", sagt eine Stimme aus dem Off, während die Kamera auf eine weißhaarige Frau mittleren Alters zoomt, eben die "Vertreterin der Muslime", deren Namen zu nennen die Redaktion für unnötig hielt.

Ich kann die Info nachholen. Es war die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates, eine wunderbare Frau, die unter anderem das Buch Der Islam braucht eine sexuelle Revolution geschrieben hat. Seyran Ates eine Vertreterin der Muslime zu nennen, ist so frivol und so irreführend, als würde man über Beate Uhse sagen, sie sei eine Vertreterin der Deutschen Bischofskonferenz gewesen. An der ökumenischen Schweigeprozession hat kein Vertreter des Koordinierungsrates der Muslime teilgenommen, der seinerseits die vier größten islamischen Organisationen in Deutschland vertritt. Warum sollte ein Muslim an einer Karfreitagsprozession teilnehmen? Es war auch kein Vertreter und keine Vertreterin der Juden dabei. Aber ökumenisch klingt gleich viel schöner, wenn es die Religion des Friedens inkludiert.

Merke: Fake News sind nicht gefaked, wenn sie von der Tagesschau verbreitet werden. Sie geben nur die Sicht der Redaktion wieder.

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Leserpost

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Klaus Staps / 16.04.2017

“Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt.” Georg Christoph Lichtenberg Dem ist nichts hinzuzufügen! Danke, Herr Broder!

Klaus Peter / 15.04.2017

Vielen Dank Herr Broder, dass Sie sich offensichtlich freiwillig immer wieder in “die erste Reihe” des “Ersten” setzen, um sich die Aktuelle Kamera 2.0 anzutun. Respekt!

Clemens Anatol Schreiber / 15.04.2017

Wenn ich ihnen jetzt zustimme (hatte die gleichen Gedanken bei diesem unsäglichen Aktuelle Kamera Spot), werde ich dann verfolgt, gelöscht oder direkt pulverisiert? Kann man Aktuelle Kamera Beiträge nachträglich löschen lassen oder die Verbreiter zu Schadensersatzklagen heranziehen? Genau genommen ist das was aktuell passiert an Lächerlichkeit nicht zu überbieten und durch vernünftige Kritik auch nicht mehr gerade zu biegen. Verstehen Sie mich sehr geehrter Herr Broder nicht falsch, ich freue mich immer von ihnen “zu lesen”, aber meiner Meinung nachbringt es “alles” nichts mehr, der Haustürschlüssel kann gefechtslos übergeben werden, da dieses “Spiel”  gelaufen ist.

Jahn, bernd / 15.04.2017

Es ist richtig das Tagesgeschehen sollte nicht aus den Augen verloren werden. Nur sind das im Grunde kleine Facetten deren Bedeutung sich relativieren wenn über die Ursachen nachgedacht wird. Im Jahre 2001 im Herbst gab es ein Ereignis welches seit dieser Zeit die Welt bewegt und als Rechtfertigung für Kriege dient.  Für dieses Ereignis gibt es ein offizielles Untersuchungsergebnis welches bis heute ohne große Widersprüche gültig ist, obwohl selbst für Laien eklatante unhaltbare Widersprüchlichkeiten darin enthalten sind. Wenn also das große Schweigen über diese Angelegenheit herrscht, obwohl für jeden halbwegs klar denkenden Menschen diese Diskrepanz offensichtlich ist, fragt sich der Einzelne doch ob wir die Vorstellungen eines Orwells nicht heute schon leben. Es gab vor einigen Zeiten einmal so eine Einrichtung wie die “Vierte Gewalt” mit Regeln, ich glaube da war die Rede von “journalistischer Sorgfalt” oder so ähnlich, nur scheint die auf den Weg zur NWO auf der Strecke geblieben zu sein.

Jochen Brühl / 15.04.2017

Herr Broder, besten Dank für die Aufklärung. Ich hatte den Beitrag auch gesehen, die Muslima gesucht und nicht gefunden. Nun weiß ich, weshalb nicht. Dass die Seyran Ates gemeint war, darauf konnte ich nicht kommen. Engagiert sich die nicht sogar bei der Bewegung der Ex-Muslime?

Karla Kuhn / 15.04.2017

“Seyran Ates eine Vertreterin der Muslime zu nennen, ist so frivol und so irreführend, als würde man über Beate Uhse sagen, sie sei eine Vertreterin der Deutschen Bischofskonferenz gewesen.”  Fake hin oder her, wenigstens kommen die Leser in den Genuß dieses herrlichen Satzes.  VIelen Dank, so fängt Ostern wenigstens lustig an.

Ellen Widmaier / 15.04.2017

Danke, Herr Broder. Sehr gutes Beispiel für Fake News à la tagesschau. “Gelenkte Nachricht” - man spürt die Absicht und man ist verstimmt.

Wilfried Paffendorf / 15.04.2017

Wieder ein Beispiel dafür, dass sich die Berichterstattung der ÖR-Medienanstalten die Bezeichnung “Lügenpresse” redlich verdient. Herr Broder, ich erinnerte mich beim Lesen des Artikels unwillkürlich an die Rechtfertigung der TV-Nachrichtenmavher, warum man über den Mord an der Freiburger Studentin Maria L. nicht berichtete, nämlich dass dieser nur von lokaler Bedeutung gewesen sei. Der Miniauflauf in Gronau ist dagegen für die Fernseh-Größen von globaler Bedeutung.  Gut dass die Damen und Herren TV-Macher genau wissen, was für mich persönlich und für die Allgemeinheit von Bedeutung ist. Dass man es dort bei der Auswahl des Bildmaterials nicht so genau nimmt, dürften inzwischen die Spatzen von den Dächer zwitschern.

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