Michael Miersch / 16.06.2007 / 22:17 / 0 / Seite ausdrucken

Exzellenter Nachtrag zu Heiligendamm

Heribert Seifert in der NZZ über „Schurken, Heroen und Clowns auf der Tagesschau-Bühne“.

Auszüge:
…Der Protest hat die vier zentralen Ressourcen, über die er verfügt, optimal eingesetzt: Er zeigt Masse und demonstriert damit Legitimität. Er tritt radikal auf, was auf starke, ernstzunehmende Motive schliessen lässt. Kreativität in den Formen macht ihn attraktiv für die mediale Wahrnehmung, und der Schulterschluss mit Prominenten verschafft Zugang zu einem medial leicht ausbeutbaren «Aufmerksamkeitskapital». Die argumentative Ausrichtung der Themen nach dem Muster schlichter Oppositionen (Gut gegen Böse, Unten gegen Oben, Reich gegen Arm) kommt dem weitverbreiteten Bedürfnis nach einfacher Weltdeutung entgegen…

…Der Demonstrationsbetrieb an der Ostsee zeigte, dass die Akteure aber immer noch so tun, als müssten sie um Sichtbarkeit kämpfen…

…Auch die Medien haben Grund, ihre Rolle neu zu bedenken. Vor allem das Fernsehen erweist sich als anfällig, wenn es darum geht, kritische Distanz zur Protestbewegung zu halten. Fixiert auf die Unterscheidung zwischen friedfertigem Protest und abzulehnenden Gewaltakten, zeigte sich in der Berichterstattung des Bildermediums eine grosse Nähe zur Performance der Tanz- und Clowns-Gruppen sowie zum Räuber-und-Gendarm-Spiel der Bannmeilenbrecher. Wenn es nur friedlich war, dann zählten allein die bewegten Bilder von kreativen jungen Leuten, die gelegentlich ihre schlichten Welterlösungsbotschaften ins Mikrofon riefen. Warum manche dabei ausgerechnet unter den Fahnen der kubanischen Diktatur für eine bessere Welt kämpften, war keine Nachfrage wert…

…Noch fataler wirkt sich die Einmischung von Popstars aus. Als Anne Will Herbert Grönemeyer in den «Tagesthemen» seine ebenso arrogante wie aggressive Politikerbeschimpfung vortragen liess, lag nur Bewunderung für die klare Haltung in ihrem grossen Auge. Die Ablösung der Intellektuellen durch die Helden der Rock- und Popszene führt zur Unterwanderung der politischen Berichterstattung durch einen People-Journalismus, der jede kritische Vernunft im Kult der Haltung verdampfen lässt…

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