Das dreitägige G8-Treffen von Umweltministern der führenden Industrie- und Schwellenländer ist am Wochenende ohne erkennbaren Durchbruch zuende gegangen. Zwar erklärte sich Umweltminister Gabriel mit den erreichten Ergebnissen zufrieden. Hinter den Kulissen aber zeichnet sich ein Stocken der Klimaverhandlungen ab. Vorerst bleibt somit unklar, wie die in Potsdam offen zutage getretenen nationalen Interessensgegensätze überbrückt werden können.
An eine diplomatische Lösung der festgefahrenen Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll ist beim anstehenden G8 Gipfeltreffen Anfang Juni jedenfalls nicht zu denken. Das hat Umweltminister Gabriel offen eingestanden. Mit einem Beginn umfassender Klimaverhandlungen wird, so Gabriel, nicht vor dem Ende des Jahres zu rechnen sein - und selbst dieser Zeitrahmen scheint interessierten Beoachtern eher optimistisch.
Das Ziel der EU, ein Kyoto-ähnliches Nachfolgeabkommen zu vereinbaren, scheint in der Tat mit zunehmenden Schierigkeiten konfrontiert. Da ist zunächst einmal das gescheiterte Kyoto Protokoll selbst: Trotz aller Anstrengungen ist es der EU nicht gelungen, die vereinbarten Emissionskürzungen vorzunehmen. Das politische Versagen der EU hat die europäische Verhandlungsbasis verschlechtert, ein peinlicher Umstand, den sich chinesische Regierungsbeamte nicht entgehen lassen. http://www.welt.de/politik/article766032/Chinesischer_Funktionaer_attackiert_den_Westen.html
Die USA hingegen scheinen in den vergangenen Jahren - mit Hilfe neuer Technologien - mehr Erfolg bei der Reduzierung von CO2 Emissionen gehabt zu haben. Kein Wunder also, daß sich die USA weigern, einem Kyoto-ähnlichen Abkommen zuzustimmen. Ebenso entschieden lehnt die Bush-Administration eine Teilnahme am europäischen Emissionshandels ab.
Amerikanische Klimadiplomaten wissen nur zu gut, daß der Emissionshandel in einer strukturellen Krise steckt und bisher weitgehend versagt hat. Sie setzen bei den Verhandlungen auf die Entwicklung neuer Technologien die durch marktwirtschaftliche Anreize, nicht durch Energiepreis- und Steuererhöhungen, Erfolg gezeigt haben. So sind die US Emissionen im Vergleich wesentlich stärker zurück gegangen als in der EU die auch technologisch weit hinter Japan und den USA zurückliegt.
Vor dem Hintergrund festgefahrener G8 Verhandlungen, haben europäische Unternehmensverbände unterdessen vor gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen und Folgeschäden der unilateralen EU Klimapolitik gewarnt. http://www.euractiv.com/en/climate-change/climate-action-useless-global-support-business-leaders/article-162543 Die zentrale Herausforderung, der sich die deutsche und europäische Klimadiplomatie gegenübersieht, ist, wie es der EU gelingen kann, sowohl die USA, als auch die wichtigsten Schwellenländer zu einem neuen Klima-Abkommen zu verpflichten. Dabei steht eine in Fragen der Klimapolitik gespaltene EU drei wirtschaftlich und politisch erstarkenden ‘Supermächten’ gegenüber.
China und Indien sind keinewegs zu bindenden Klimaschutzmaßnahmen bereit, solange ein solches Abkommen ihr eigenes Wirtschaftswachtum gefährdet. Diese Erkentniss scheint EU und internationalen Klimadiplomaten dazu bewogen zu haben, diesen Ländern weitreichende Zugeständnisse anzubieten. Das in Potsdam offenbar ausgebreitete Angebot eines Wohlstands- und Technologietransfers der G8 Länder an die Schwellenländer als Preis einer Klimaunterschrift wurde von der US-Delegation zurückgewiesen.
Noch weiter ging der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, der China und Indien offenbar angeboten hat, ganz auf verbindliche Emissionsreduzierungen zu verzichten: “I don’t think you could realistically expect China and India to reduce their emissions because they have other priorities like economic growth and poverty eradication.’’ http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601087&sid=agIqPBPZyvD8&refer=home
Derart waaghalsige Sonderangebote mögen zwar Chinesen und Inder ködern. Sie können sich aber auch als ein diplomatischer Boomerang erweisen. Denn einseitige Zugeständnisse an China und Indien stellen nicht nur die jetzige US Administration, sondern vielleicht noch mehr die oppositionellen US Demokraten vor einer Bredouille. Denn ungeachtet aller Rhetorik, werden Demokratische Senatoren keinesfalls einem Abkommen zustimmen, das der asiatischen Konkurrenz einseitige wirtschaftliche Vorteile zugesteht.
Europas Klimadiplomatie sieht sich somit einem nahezu unüberbrückbaren Dilemma gegenüber. Ein allzu starkes Entgegenkommen gegenüber China und Indien dürfte die USA weiter entfremden und isolieren. Ja, eine solche Strategie würde aller Wahrscheinlichkeit nach dem republikanischen Wahlkampf freie Munition liefern. Denn die zunehmend isolationistischen Demokraten haben vor asiatischer Konkurrenz und dem Verlust von Arbeitsplätzen noch mehr Angst als die Bush-Administration.
Bereits vor zehn Jahren machte Al Gore, der damalige US Vize-Präsident, klar, warum die USA nicht bereit seien, das Kyoto Protokoll ohne Teilnahme der Entwicklungsänder zu ratifiziert: “As we said from the very beginning, we will not submit this agreement for ratification until key developing nations participate in this effort,” Gore declared. “This is a global problem that will require a global solution.” http://edition.cnn.com/ALLPOLITICS/1997/12/11/kyoto/
Frau Merkel und andere G8 Vertreter wären gut beraten, daran zu denken, daß sich an dieser grundsätzlichen Haltung der USA seither nichts Wesentliches geändert hat.