Rainer Bonhorst / 29.05.2010 / 14:57 / 0 / Seite ausdrucken

Europa im Machbarkeitswahn

Die Europaabgeordneten machen gerade eine Machbarkeitsstudie. Wenn so eine Machbarkeitsstudie gemacht wird, wird es mir immer gleich mulmig. Denn am Ende bedeutet das meistens, dass die dann auch etwas machen. Wenn es machbar ist, machen sie es. Und dann haben wir den Salat.

Ich bin Anhänger eines faulen Parlaments. Fleißige Parlamentarier sind meist kein Segen für die Bürger, die sie vertreten sollen. Wenn ein Parlament schon damit angibt, dass es wieder Mal jede Menge Gesetze verabschiedet hat, bin ich versucht zu sagen: Lasst doch den Quatsch. Es ging doch ohne auch ganz gut.

Tony Blair, um nicht immer nur deutsche Beispiele zu nennen, hatte ein so fleißiges Parlament an der Hand, dass es ihm in seiner Amtszeit gelungen ist, weit über tausend neue Straftatbestände zu schaffen. Bei so viel Fleiß  soll ein normaler Bürger noch wissen, ob er ein Gauner oder eine ehrliche Haut ist. Wenn man noch hinzu nimmt, was die Europäische Union alles verbietet, kommt im Grunde keiner mehr ungeschoren davon.

Da ist es mir schon lieber, die Parlamentarier konzentrieren sich, wenn sie denn schon so fleißig sein müssen, auf bloßen Quatsch.

Detlef Drewes, der Brüsseler Korrespondent der Augsburger Allgemeinen, berichtet, dass die Europaabgeordneten jetzt eine Machbarkeitsstudie machen, die in die vergleichsweise harmlose Kategorie Unfug gehört. Die Studie soll klären, ob es machbar ist, dass jeder Europaabgeordnete ein iPad bekommt. Das soll den Papierverbrauch verringern. Also im Grunde handelt es sich um einen Sparvorschlag. Etwas störend ist dabei allerdings die Tatsache, dass alle 736 Abgeordneten erst vor kurzem aus dem gleichen Grund (Papiereinsparung) ein Dienst-Laptop erhalten haben.

Machbar wäre die Sache mit dem iPad am ehesten, wenn die Abgeordneten sich die Dinger selber kaufen würden. Sie könnten ja einen Teil der saftigen Diäten- und Mitarbeiterpauschalen-Erhöhung dazu nutzen, die sie sich für dieses europäische Sparjahr genehmigen. Doch das steht, glaube ich, nicht in der Machbarkeitsstudie.

Aber vielleicht ist die Sache ja gar nicht machbar. Das wäre sicher kein Fehler. Es würde allerdings bedeuten, dass die Abgeordneten dann etwas anderes machen. Und wer weiß, was das wieder wird.

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