Henryk M. Broder / 23.12.2006 / 12:14 / 0 / Seite ausdrucken

Europa versucht es mit Gefühl und Härte

Schon drei Tage alt aber immer noch saustark: Der Mittwochaufmacher der FR:
“Europa entsetzt über Todesurteile in Libyen”
Ja, damit hatte Europa echt nicht gerechnet, dass ein unabhängiges libysches Gericht fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt, die seit Februar 1999 in Haft gehalten werden, zum Tode verurteilt, nachdem sie schon einmal in erster Instanz zum Tode verurteilt worden waren. Womit Europa vielmehr gerechnet hatte, war, dass der libysche Staatschef Ghaddafi im Gerichtssaal auftaucht, die Verteidigung der sechs Angeklagten übernimmt, auf Freispruch plädiert und die Freigesprochenen anschließend eigenhändig mit seinem VW Passat Combi zum Flughafen fährt, jedem eine Million Dollar Taschengeld gibt und alle in die nächste Maschine der LH nach Frankfurt setzt, wo sie von Außenminister Frank-Walter Steinmeier abgeholt und zu einem von der Aktion “Mitmensch” gestifteten Reha-Aufenthalt nach Bad Oeynhausen gebracht würden. Europas Erwartungen und Entsetzen stammen vermutlich daher, dass Libyen eine Weile den Vorsitz in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen führte, die erst 2oo6 wegen extrem erfolgreichen Wirkens aufgelöst wurde. Und wer in einer solchen Runde den Vorsitz hat, der wird natürlich vor allem darauf achten, dass es in seiner eigenen Hütte ordentlich zugeht.
Wie man der Gewalt beikommen kann, ohne selber gewalttätig zu werden, macht die FR in derselben Ausgabe auf Seite 28 klar:
“Mit Gefühl und Härte gegen die Kriminalität”
Im Gegensatz zu New York, wo man mit der Methode “Zero Tolerance” gute Ergebnisse erzielt hat, setzen deutsche Kommunen darauf, “Sicherheit und Ordnung durch soziale Projekte zu verbessern”. Jede Kommune geht dabei anders vor, die einen versuchen es mit “Mediation”, die anderen mit Musik. In Hamburg zum Beispiel wird die Bahnhofshalle mit “klassischer Musik beschallt”, um Drogenabhängige und Obdachlose abzuschrecken, die bekanntlich nur Mozart noch mehr hassen als Methadon und sofort die Platte putzen, sobald die “kleine Nachtmusik” ertönt.
Ein geniales Konzept, mit dem man vermutlich auch das libysche Problem lösen könnte. Indem man über dem Wüstenzelt von Präsident Ghaddafi einen Hubschrauber kreisen läßt, aus dem passend zur Jahreszeit Tschaikowskis “Nußknacker” gespielt wird - in der Fassung von Frank Zappa. Mit Gefühl und Härte kommt man eben weiter. So wie es die Feministinnen vorgeschlagen haben, als sie die Parole “Mit Zorn und Zärtlichkeit” ausgaben, worauf es nur noch 3o Jahre dauerte, bis Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt wurde.
Derweil freilich geht es ganz praktisch darum, das Leben der fünf bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes zu retten. EU-Präsident Barroso ließ über seinen Sprecher erklären: “Präsident Barroso und die EU-Kommission sind von dem Urteil geschockt. Es ist schlicht nicht akzeptabel.” Und Steinmeier drohte: “Wir werden weiter Druck machen…, dass Libyen eine Lösung herbeiführt.”
Jetzt sollten die fünf bulgarischen Krankenschwestern und der palästinensische Arzt anfangen, sich Sorgen um ihre Zukunft zu machen.

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