Markus Somm, Gastautor / 01.01.2018 / 06:15 / Foto: Stefan Klinkigt / 19 / Seite ausdrucken

Es war einmal ein Clown in Amerika

Wer es nicht gesehen hat, sollte sich diese letzte Sitzung des amerikanischen Kabinetts vor Weihnachten auf Youtube anschauen: Andächtig sitzen die Minister der mächtigsten Regierung der Welt neben ihrem mächtigsten Präsidenten, er heißt Donald Trump – rechts von ihm der eher nachdenklich wirkende Rex Tillerson, Außenminister, links von ihm Jim Mattis, der stählerne Verteidigungsminister; der Präsident sitzt im Mittelpunkt des Geschehens, er plaudert und macht sich über die anwesenden Journalisten lustig, bis er seinem Minister Ben Carson das Wort erteilt mit dem Auftrag, ein Gebet zu sprechen.

Carson, einer der weltbesten Neurochirurgen, bevor er Wohnungsbauminister unter Trump geworden ist, setzt an und dankt dem „lieben Vater im Himmel" für diesen Präsidenten und die vielen Minister, die so mutig sind, dass sie sich dem Gegenwind stellen, auch dass sie nun eine Steuersenkung beschlossen haben, die hoffentlich das Wirtschaftswachstum befördern wird, und Carson erwähnt weitere Dinge, die er für segensreich hält, um mit dieser Bitte an Gott zu schließen: „Gib uns den Geist der Dankbarkeit, des Mitgefühls und des gesunden Menschenverstandes, und gib uns die Weisheit, damit wir diese grosse Nation in die Zukunft führen können, darum bitten wir Dich, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen." Alle murmeln: „Amen."

Carson ist schwarz und im Ghetto von Detroit ohne Vater aufgewachsen, die Mutter litt unter Depressionen; das Kind aber war hochintelligent und hochbegabt – und so brachte Carson eine Karriere zustande, die beispiellos ist. Er war einer der jüngsten Chefärzte Amerikas, seine Operationen etwa an siamesischen Zwillingen wurden gepriesen und diskutiert. Ihm hat niemand zu erklären, wie es sich anfühlt, ganz unten zu leben. Carson ist zutiefst religiös, evangelikal, und wenn er betet, dann klingt das, wie man sich das vorstellt: Eine tiefe, sonore Stimme sucht Gott. Trump dankt und übergibt das Wort seinem Vizepräsidenten Mike Pence, der ihm gratuliert und dankt und ihn weitere lange Minuten lobpreist. Halleluja.

Comedians fällt es schwer, gute Witze über Trump zu erfinden

Für den durchschnittlichen Europäer und manchen Amerikaner wirkt das alles wie eine zweitklassige Satire-Sendung, ja, mein Eindruck ist, dass es den meisten amerikanischen Comedians inzwischen schwerfällt, gute Witze über Trump zu erfinden, weil die Wirklichkeit witziger erscheint als jede Übertreibung, die sie versuchen. Man kann Trump gar nicht karikieren: Der Mann ist ohne jeden Zweifel grotesk.

Er besitzt Eigenschaften und steht dazu, die man eigentlich in besseren Kreisen verbirgt: Wenn er etwas geleistet hat, es mag noch so erstaunlich sein, lobt er sich und lässt sich auf eine so unverschämte Weise loben, dass man am Ende gar nicht mehr erkennt, was er überhaupt getan hat. Wenn ihn jemand kritisiert – und es kann sich um wirklich kleine, kleine Dinge handeln –, dann wird dieser arme Kritiker verfolgt, in die Hölle verjagt, auf Twitter verdammt, mit Gemeinheiten verprügelt, bis er sich nicht mehr rührt. Wenn Trump bescheiden sein will, dann tut er das auf eine so aufdringliche Art und Weise, dass man sich nach der Bescheidenheit eines ägyptischen Pharaos sehnt. Jede Pyramide wirkt dann kleiner und sinnvoller als der Trump Tower und sein Bewohner.

Dennoch – und das macht seine Kritiker so verzweifelt und blind zugleich – hat dieser Präsident in seinem ersten Jahr wohl mehr fertiggebracht als jeder andere konservative Präsident seit Ronald Reagan. Trump hat mehr konservative Richter ernannt als jeder seiner Vorgänger, Trump hat mehr unsinnige, wirtschaftsfeindliche Regulierungen aufgehoben, als sich das je ein Präsident getraut hat zu tun – und er hat dies mit einem Tempo vollbracht, das verblüffend ist.

Schließlich haben Trump und seine Republikaner im Kongress eine Steuerreform durchgebracht, so tief greifend wie kaum eine Reform zuvor seit 1986. Seit diesem Jahr wurden die Steuern nie mehr dermaßen gesenkt und die Steuergesetze nie mehr derart einschneidend umformuliert. Trump hat die USA aus dem untauglichen Klimaabkommen von Paris zurückgezogen, und er hat den überfälligen und richtigen Schritt vollzogen, Jerusalem als Hauptstadt von Israel anzuerkennen.

Schließlich haben er und seine Generäle, wenn auch kaum beachtet von den Medien, den blutigen Islamischen Staat, den IS, besiegt, was Trump seinerzeit, während des Wahlkampfes, zum großen Gaudi seiner Kritiker stets angekündigt hatte. Niemand hielt das für möglich, lächerlich fanden die gescheiten Experten schon nur die Idee. Nun rennen die Kämpfer des IS um ihr Leben.

Ausgerechnet ein solcher Mann mit einer solchen Frisur

Vielleicht ist das die größte Kränkung, insbesondere für uns Journalisten, die wir so viele Politiker so oft nach ihrem Äußeren oder nach der Eleganz ihrer Statements beurteilen: Dass ein solcher Mann mit einer solchen Frisur zu mehr imstande ist als etwa jener Präsident, der vor ihm kam. Barack Obama sieht besser aus, wirkt klüger, redet klüger, aber hat kaum etwas erreicht.

Von ihm werden die Historiker sagen, dass er der erste schwarze Präsident Amerikas war, und? – sehr viel mehr wird ihnen nicht einfallen. Trump hat schon jetzt deutlich mehr Wirtschaftswachstum ausgelöst als Obama, die Arbeitslosenzahl geht zurück, die Börse jubelt, und die meisten Amerikaner werden schon im Februar feststellen, dass sie weniger Steuern bezahlen müssen.

Zwar stellen die Demokraten das alles in Abrede, doch selbst ein linksliberaler Thinktank wie das Tax Policy Center kam zum Schluss: 90 Prozent der Mittelschichtsangehörigen werden eine Steuersenkung erfahren; und die wirklich armen Leute zahlen ohnehin keine Steuern. Entscheidend aber ist, dass die amerikanischen Firmen spürbar entlastet werden, auch das dürfte die Wirtschaft weiter befeuern, selbst die Schweizer Unternehmer, die so zahlreich nach Amerika liefern, dürften davon profitieren.

Woran liegt es, dass ausgerechnet diesem angeblichen Clown von Präsidenten so vieles gelingt, was seine – konservativen – Vorgänger kaum fertigbrachten? Vermutlich ist der unmögliche Charakter von Trump auch dafür verantwortlich, dass er das Unmögliche schafft. Ihn scheint nichts peinlich zu berühren: Das ist eine Schwäche, wenn es ihm darum ginge, bei den Anständigen, Raffinierten und Intelligenten gut anzukommen, das ist aber eine Stärke, weil Trump sich so auch traut, Dinge auszusprechen und danach zu handeln, die manche Vertreter der Elite für peinlich halten, selbst wenn sie insgeheim das Gleiche denken oder wissen, dass man schon längst hätte in diesem Sinne handeln müssen.

Umsetzen, was man den peinlichen Wählern versprochen hat

Besonders für die Konservativen, für die Republikaner, diese unglücklichen Verbündeten von Trump, gilt das. Es ist bitter: Wie viel linksliberalen Unsinn haben sie widerwillig mitgemacht, aus lauter Angst, von den linksliberalen Medien dumm hingestellt zu werden? Kurz, es war ihnen peinlich, in Washington, dieser elitären, hochgebildeten, reichen Stadt, das umzusetzen, was sie ihren peinlichen Wählern im Mittleren Westen versprochen hatten.

Die meisten Amerikaner lieben Donald Trump nicht, auch sie stoßen sich an seinem unaufhörlichen Strom von Twitter-Meldungen, auch sie sehen, dass Trump die Politik zeitweise zu einer Soap-Opera, zu einer Seifenoper für einen pensionierten Fernsehstar umgestaltet hat, auch sie hätten gerne einen Präsidenten, den alle Welt bewundert wie seinerzeit Obama.

Doch von dieser Bewunderung hatten sie nichts. Sie verloren ihre Jobs, sie verarmten, und ihr Land büßte überall auf der Welt schneller und mehr Einfluss ein als je zuvor. Man bewunderte vielleicht Obama, aber niemand bewunderte Amerika.

Im Grunde ist Trump für viele Amerikaner jener unangenehme Gast am Familientisch, den man meidet, von dem man sich distanziert – und dennoch immer wieder einlädt, weil es nur mit ihm so richtig wild und lustig zu- und hergeht. Auch das Essen schmeckt besser. (Basler Zeitung)

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung.

Foto: Stefan Klinkigt

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Thomas Lanzerstorfer / 01.01.2018

Lieber Herr Rochow erlauben SIe mir eine kleine Richtigstellung: Aus Wikipedia (da man das einfach zitieren kann): Paul Watzlawick (* 25. Juli 1921 in Villach, Kärnten; † 31. März 2007 in Palo Alto, Kalifornien) war ein österreichisch-amerikanischer Er studierte in Venedig. Von 1951 bis 1954 absolvierte er eine Ausbildung in Psychotherapie am Carl-Gustav-Jung-Institut in Zürich. Danach ging er nach Indien. 1957 erhielt Watzlawick einen Ruf an die Universität El Salvador. 1960 wurde er nach Palo Alto geholt. Paul Watzlawick war also geborener Österreicher, der 3 Jahre in der Schweiz lebte, vieleicht kommt Ihr Irtum in diesem Punkt daher.

Anders Dairie / 01.01.2018

Helmut Kohl postulierte: “Es zählt was hinten rauskommt!”  Bei Trump scheint mir, und das ist konkreter: “....wieviel hinten rauskommt!” Folgender Aspekt:  Die USA erzeugt mit 56.000 Dollar ein BIP von der vierfachen Höhe Russlands (trotz Öl)  sowie der achtfachen Höhe RotChinas.  Danach müssten die USA zwischen 1,2 und 2,4 Milliarden Bürger haben.  Vielleicht wird langsam klar, warum solch ein Koloss Weltkriege gewinnt.  Und die deutsche Politik macht sich vor, solchen Verbündeten entbehren zu können?

Gabriele Schulze / 01.01.2018

Ich nehme an, bei Welt online z. B.  hat man extra jemanden abgestellt, der Material für’s tägliche Trump-Bashing zusammensucht. Gut, der Mann bietet ja auch was. Aber wie erbärnlich kommt das rüber! Wie Mobbing auf dem Schulhof, fehlt nur noch “ätschi, bätschi”.  “Send in the clowns…  “

Michael Dreßler / 01.01.2018

Sowohl der Artikel als auch die Kommentare höchst lesenswert. Hier in Deutschland wird ständig nur überlegt, ob man darüber nachdenken könne, zu prüfen. Mehr machen, weniger quatschen! Am Tag vor der Wahl wurde uns noch suggeriert, 80 Prozent wären für Killary. Als am nächsten Tag Trump gewann, wusste ich, der ist richtig.

Ralf Ehrhardt / 01.01.2018

Sehr geehrter Herr Somm, eine sehr gute Analyse. Genau so ist es. Man muss Trump nicht lieben, aber man MUSS ihn respektieren. Trump works (!)

Thomas Dornheck / 01.01.2018

Ob Trump nun gut oder schlecht für die USA ist, ist mir egal. Wenn ich aber sehe, mit welcher Inbrunst eine große Mehrheit deutscher Journalisten versucht, Donald Trump “aus dem Amt zu schreiben”, dann werde ich mißtrauisch. Ständig arbeiten sich deutsche Schreiberlinge an ihm ab. Aber zu den deutschen Problemen mit Einwanderern wird nichts gesagt, stattdessen abgelenkt und Trump vorgehalten, er mache alles falsch. Merkwürdig, diese Inbrunst. Solange Trump keine Kriege beginnt, soll er heuern und feuern und zwitschern wie ein Berserker. Ich lebe in Deutschland und will deutsche Probleme gelöst sehen. Diese pathologische, diese langanhaltende Kampagne ist verdächtig, finde ich.

Viola Heyer / 01.01.2018

Trump ist der einzige einlflussreiche Politiker in der westlichen Welt, der sich ohne wenn und aber klar gegen die islamische Welt positioniert. Und das ist gut so. Schade, dass er dafür angefeindet wird. Schwäche war noch nie der richtige Weg.

Rudolf George / 01.01.2018

Donald Trump ist zwar der älteste Mann, der je zum Präsidenten gewählt wurde, er ist aber auch der modernste, indem er scheinbar als erster erkannt hat, dass das althergebrachte Politmodell (Kungelei zwischen Politikern und Medien zu beiderseitigem Vorteil) obsolet geworden ist. Dies ruft natürlich Entsetzen in den Medien hervor, da ein Ende ihres allzu bequemen Geschäftsmodells absehbar ist. Und - ja - Trump hat die Ungezogenheit seine Schadenfreude öffentlich zu zelebrieren.

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