Henryk M. Broder / 10.02.2012 / 01:28 / 0 / Seite ausdrucken

Es geht nichts über ein persönliches Gespräch!

Wenn ein 22 Jahre junges Würstchen, das von seiner buckeligen Verwandtschaft zum Kreisvorsitzenden einer Sesselpupser-Partei gewählt wird, fällt das eigentlich nicht ins Gewicht. Es sei denn, der Nachwuchs-Pirat ist so blöd, sich die Blöße zu geben und der Welt per Twitter mitzuteilen, er finde “den juden an sich unsymptahisch”. Dann geht in und um Heidenheim die Post ab, worauf der frisch gekürte Kreisvorsitzende zurücktritt und erklärt: “Ich distanziere mich hiermit von jeglicher Art von Antisemitismus und bitte dafür nochmals um Entschuldigung.”

Ja, das sind klare Worte, er distanziert sich von sich selber und bittet dafür um Entschuldigung.

In Heidenheim wird aus dem Jung-Stürmer nix mehr, er könnte es allenfalls mal in Aachen versuchen, wo die grüne Bürgermeisterin ebenfalls keine Antisemitin sein will, auch wenn sie so redet: “Herr Broder schürt Ressentiments und die Angst vor dem Islam. Es muss aber möglich sein, auch die israelische Politik zu kritisieren, etwa eine Regierung, die dem israelischen Volk schadet.” - “Er polarisiert, und seine Polemik ist gefährlich. Wir brauchen keine Hetze von dieser Seite.” - “Wir haben hier in Aachen schon genug mit rechtsradikaler Hetze zu tun - dieses Geschreibsel eines Herrn Broder brauchen wir ebenso wenig.” - ““Er spaltet und bringt Streit, davon lebt er.”

Man kann natürlich darüber geteilter Meinung sein, ob das schon Antisemitismus oder noch hilfloses Gutmenschen-Geplärre einer überforderten Politikerin ist, die mit den Neonazis vor der eigenen Tür nicht fertig wird, aber das israelische Volk vor Schaden bewahren möchte. Das Experten-Gremium des Bundestages definiert Antisemitismus weniger als die Ablehnung des einzelnen Menschen als vielmehr “der gesamten jüdischen Gemeinschaft”, der als Gruppe “kollektiv negative Eigenschaften zugeschrieben” werden. Nach dieser Definition wäre der Heidenheimer sehr wohl ein Antisemit, weil er “den Juden an sich” nicht leiden kann, die Aachenerin aber nicht, weil sich ihre antisemitische Rhetorik nicht gegen eine Gruppe, sondern gegen einen einzelnen Juden richtet, der davon lebt, dass er hetzt und spaltet und Streit provoziert. Das heisst: “Der Saujude” wäre keine antisemitische Äusserung, “die Saujuden” sehr wohl. So viel zum Sachverstand der Experten.

In Aachen jedenfalls ist derzeit die wilde Wutz los, was man nur deswegen nicht mitbekommt, weil sich die Aachener Zeitung und die Aachener Nachrichten (zwei Stühle, eine Meinung) darauf verständigt haben, über die ganze Sache erst einmal nicht zu berichten. Der OB seinerseits soll seine grüne Stellvertreterin sehr nachdrücklich aufgefordert haben, dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Geschirr zerdeppert wird. Deswegen hat sich die Bürgermeisterin an die jüdische Gemeinde in Aachen gewandt, mit der sie am Wochenende “ein persönliches Gespräch” führen wird. Das wiederum bedeutet: Sie möchte von den Juden “gekaschert” werden.

Mazal Tov!

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