Peter Grimm / 05.01.2017 / 15:01 / 8 / Seite ausdrucken

Es fährt ein Zug von Brüssel nach Berlin

Es war einmal normal, dass man sich als Bahnreisender einen Fahrschein kaufte, in einen Zug einstieg und mit selbigem an sein Ziel fuhr. Diese Möglichkeit gibt es noch, nur wer heutzutage etwas sparen will, muss seinen Namen und seine Zugverbindung registrieren lassen. Doch vielleicht ist es mit dem freien, anonymen und unregistrierten Bahnfahren bald vorbei. Es gibt erste Vorstöße, die Fahrgäste dazu zu zwingen, ihren Namen und ihre Verbindung preiszugeben, wenn sie mit einem Zug mitfahren wollen.

In Belgien bekommt der Bahnreisende ab 18. Mai einen Vorgeschmack davon. An diesem Tag tritt ein Gesetz in Kraft, nach dem sich jeder Passagier auf grenzüberschreitenden Strecken namentlich registrieren lassen muss. Verkehrsunternehmen dürfen für diese Verbindungen nur noch personalisierte Tickets ausstellen. Verstoßen sie gegen diese Regel, droht für jeden Verstoß eine Geldstrafe von bis zu 50 000 Euro.

Begründet wird diese Verschärfung mit der Gefährdung der inneren Sicherheit durch Terroristen. Die Gefahr islamistischer Anschläge wird natürlich niemand bestreiten. Ebenso unbestreitbar ist die Zahl der „Gefährder“ in Europa mit der unkontrollierten Masseneinwanderung ab dem Spätsommer 2015 gewachsen. Hochmoralisch wurden Bedenkenträger seinerzeit mit dem Argument zum Schweigen gebracht, dass offene Grenzen zu unserer Freiheit gehörten. Doch den Kontrollverzicht bei der Zuwanderung bezahlen wir nun mit Freiheitseinschränkungen im Alltag für alle, die Gefahren des Missbrauchs der so erhobenen Daten inklusive.

Zu oft wurde bis dahin Undenkbares beschlossen

Droht ähnliches auch in Deutschland? Vielleicht über den Umweg einer EU-Verordnung? Vertreter der Regierungsparteien geben sich arglos: „Bislang liegen uns keine Erkenntnisse vor, die eine Kontrolle aller Personen notwendig machen würden, die mit Bus, Bahn oder Schiff ins europäische Ausland fahren“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der Union im Bundestag, Stephan Harbarth, der Mitteldeutschen Zeitung. „Das wäre ein Einschnitt, der nur mit einer extremen Gefahrenlage gerechtfertigt werden könnte. Eine solche Lage sehe ich derzeit nicht.“

Zwei Wochen nach einem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt klingt das etwas zu optimistisch. Zu oft hat die Bundesregierung in den letzten Jahren zuvor Undenkbares beschlossen, weil es aufgrund der „besonderen Lage“ plötzlich „alternativlos“ geworden ist.

Wenn der Bahnverkehr nicht mehr zu nutzen ist, ohne Personalien zu hinterlassen, dann wird es für Reisende, die Wert auf Diskretion legen – vielleicht sogar legen müssen – allmählich schwer, sich durch Europa zu bewegen. Fliegen geht nur personalisiert und Autos müssen bald in der EU mit dem Notrufsystem e-call ausgerüstet sein, mit dem sich aber jeder Wagen auch orten lässt, was ebenfalls komplette Bewegungsprofile technisch möglich macht, ohne dass sich der Betroffene wehren kann. E-Call gilt zunächst allerdings nur für Neuwagen. Wer gern anonym reist und sich nicht auf die eigenen Beine, das Fahrrad oder das Pferd beschränken mag, der sollte sich vielleicht noch rechtzeitig ein E-Call-freies Auto kaufen.

Aber man soll doch nicht so schwarz sehen. Vielleicht kommt es ja gar nicht so schlimm. Vielleicht scheitert das belgische Experiment ja auch.

Quelle aller Zitate hier.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier.

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Leserpost

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Bärbel Schneider / 06.01.2017

Das funktioniert nur im Sinne der Erfinder, wenn die Ausweispapiere, mit denen man sich ausweist, echt sind. Oder wenn man nicht mehrere zur Auswahl hat. Oder man sich nicht einfach weigern kann, Fahrkarten vorzulegen.

Hanns-Jürgen Mostert / 06.01.2017

Ich fahre nicht mit der Bahn (unzuverlässig in jeder Beziehung).. aber Danke ! für diesen tollen Song, der seit meiner Jugend zu meinen persönlichen Top 50 gehört.

Johann van Rushyn / 06.01.2017

Früher gab es Kontrollen an den Grenzen und möglichst viel Freiheit für die Bürger eines Landes.

Michael Scheffler / 06.01.2017

Interessant an der Geschichte ist, dass Diejenigen, die man vorgeblich schnappen will, ja in Deutschland oftmals gar nicht über eine Fahrkarte verfügen, da kostenfreie Mobilität ja zur Willkommenskultur für die, die noch nicht so lange hier leben, gehört. Genauso wie die Möglichkeit, mit mehreren Identitäten durch unser schönes Land zu reisen, Der. der schon länger ier lebt, muss sich dagegen seit 2015 nach 14 Tagen mit Unterschrift des Wohnungseigentümers beim Ortsamt melden.

Peter Zentner / 05.01.2017

Ich verstehe die Aufregung (die freilich nicht Ihre ist) nicht, Herr Grimm. Als abgehärteter, aber immer noch treuer Bahnfahrer, der seit zahlreichen Jahren mit seiner BahnCard online bucht und ausdruckt, weiß die DB AG stets um alle meine Reiserouten und persönlichen Daten. Warum auch nicht? Und ich muss mich nicht nur mit meiner BahnCard, sondern oft auch mit Reisepass oder Personalausweis identifizieren, wenn das Zugpersonal die eh schon personalisierten Tickets checkt. Allerdings: Am Fahrkartenschalter, so man noch einen findet, geht’s immer noch anonym, wenn bar bezahlt wird. — Angesichts der interessanten Zeiten, in denen wir leben, finde ich die belgische Regelung überfällig, nicht nur bei grenzüberschreitenden Reisen. Deutschland macht wie immer auf Rumpelstilzchen oder Dornröschen: bis zum nächsten anonym, unerkannt und ungehindert reisenden Mörder.

Andreas Horn / 05.01.2017

Die Frage ist ja, für WEN sind diese Bewegungsprofile interessant, WER wertet sie aus, wozu werden dann diese Daten benutzt?  Noch interessanter ist bei diesen Machenschaften, daß sich Leute trotzdem 14 Identitäten zulegen können, ohne das es “auffällt” (?) oder ausgewertet wird.

Gundolf Almeling / 05.01.2017

Seit Jahren fahre ich mit BahnCard 50 und muss mich bei jeder Fahrschein-Kontrolle legitimieren. Ich verstehe die Bedenken also nicht.

Herbert Dietl / 05.01.2017

“„Bislang liegen uns keine Erkenntnisse vor, ...” - “Keiner hat die Absicht…”

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