Anabel Schunke / 02.04.2018 / 06:25 / Foto: Anabel Schunke / 50 / Seite ausdrucken

Erklärung 2018: Je suis ein alter weißer Mann

Vor drei Tagen stellte Henryk Broder auf achgut fest, dass die Erklärung 2018 angesichts des medialen Echos, die diese zwei Sätze mit sich brachten, einen Nerv getroffen hatte. „Noch nie, nie! sind zwei Sätze aus insgesamt 33 Wörtern und 273 Zeichen, einschließlich der Leerzeichen, so aufgeregt und so umfänglich kommentiert worden.“

Viele der vorgestellten Kommentare richteten sich gegen den Terminus „illegale Migration“. Andere störten sich daran, dass die Erklärung nicht vom abgehängten Ostdeutschen, sondern von Ärzten und Rechtsanwälten unterzeichnet wurde. Auch die geringe Frauenquote gab Anlass zur Sorge und bestätigte doch auf beruhigende Art und Weise das eigene Weltbild über den „rechten Mob“, das angesichts der Akademikerdichte kurzfristig ein wenig ins Wanken geriet.

Vermutlich war es auch jener geringen Frauenquote geschuldet, dass sich sowohl Juli Zeh als auch Silke Burmester in den vergangenen zwei Tagen dazu berufen fühlten, den „alten weißen Mann“ aus der Mottenkiste mit der Aufschrift „2015“ zu holen und für ihre tiefenpsychologische Analyse über die Beweggründe der Unterzeichner zu revitalisieren.

Juli Zeh verkauft diese bahnbrechende Wiederentdeckung sogar als eigene „Theorie“, so wie es auch ihre eigene Theorie ist, dass die seit fast drei Jahren stattfindende illegale Migration nach Deutschland von Artikel 16 des Grundgesetzes gedeckt sei und es sich folglich bei allen Menschen, die hier Asyl erhalten hätten, um politisch Verfolgte handele.

Allein im All

Den eigentlichen Kern der Argumentation des SPD-Mitglieds Zeh bildet jedoch der „absolute Identitätsverlust“ im 20. Jahrhundert, der anscheinend vor allem den alten weißen Mann total orientierungslos im Universum zurück ließ. Folglich kam es bei einigen zu einer „Neukonsolidierung der Identität“ durch Abgrenzung. Wir hätten es hier also eher mit einem Problem auf der Ebene der Individualpsychologie denn mit Politik zu tun, denn von Politik haben in der Welt von Juli Zeh nur Linke eine Ahnung. Der Rest hat einen psychologischen Dachschaden.

Silke Burmester wird im Deutschlandfunk noch deutlicher. Während sich der eine oder andere angesichts der vielen perspektivlosen jungen muslimischen Männer im Land darum sorgt, dass man mit den Flüchtlingen auch nicht wenige tickende islamistische Zeitbomben ins Land geholt hat, verortet Frau Burmester die tickenden Zeitbomben – Sie ahnen es bereits – eher im Spektrum der alten weißen Männer.

Die kürzlich erfolgte Trennung der ZEIT vom ehemaligen Richter Thomas Fischer treibt sie um. Es könnte zu einer Blitzradikalisierung kommen, an deren Ende eine „Umarmung mit den Henryk M. Broders dieser Welt“ steht. Grund für die Abkehr von der eigenen linken oder „liberalen“ Haltung sei laut Burmester nicht etwa der gesunde Menschenverstand, sondern vermutlich die eigene abnehmende Potenz, die für schräge Ergüsse (hier vermutlich konservative Positionen) und Destruktivität sorgen würde.

Im Abklingbecken der Bewegung

Der sich daraus zwangsläufig ergebende Ausschluss aus der Volksgemeinschaft der linken/guten/nicht-schräges-Zeug-Schreibenden, zu der unter anderem Frauen wie Juli Zeh und Silke Burmester gehören, sorge daraufhin für eine Hinwendung zum reaktionären Spektrum, in dem man sexuelle Übergriffe oberhalb des Kompliments, Messerattacken, Burka und Zwangsehen nicht als kulturelle Bereicherung und Zeichen bunter Vielfalt ansieht. War es früher nur die WELT, die ein „Abklingbecken“ für vom Glauben abgefallene SPIEGEL-Redakteure darstellte, so sind es heute die wenigen Print- und zahlreichen Onlinemedien der „rechts-konservativen Bewegung“, die einer „abgehalfterten männlichen Journalisten-Elite zu neuer Strahlkraft“ verhelfen.

Es sind exakt diese Zeilen, die offenbaren, in welch argumentativem Vakuum sich die journalistische Linke mittlerweile befindet. Die wenigen inhaltlichen Auseinandersetzungen zum Begriff der „illegalen Migration“ sind von einer beispiellos dünnen Gegenargumentation geprägt, oder, wie im Falle der Juristinnen Zeh und Bednarz, gleich völlig falsch.

Der Rest speist sich aus persönlichen Diffamierungen bis hin zu Mutmaßungen über die Potenz und küchenpsychologischen Ausführungen weiblicher Journalisten und Autoren, die, würde man ihnen einen aus der eigenen Frustration resultierenden Männerhass unterstellen, sicherlich als erste ‚Sexismus’ krakeelen würden. Es sind Zeilen, die zugleich deutlich machen, wie sehr sich die vermeintlich „bessere“ intellektuelle Elite dieses Landes bei der Ursachenfindung abquält.

Das linksintellektuelle Spektrum hat fertig

Statt die ersichtlichen Gründe wie die gestiegene Kriminalität, die damit einhergehende wachsende Unsicherheit auf den Straßen und den zunehmenden Einfluss des konservativen Islams in Form von genereller Intoleranz und Antisemitismus an Schulen, Ehrenmorden und Verschleierung zu benennen, werden erneut pseudopsychologische Studien über den „alten weißen Mann“ angefertigt – breit publiziert auf den Plattformen der Öffentlich-Rechtlichen. Als könne man damit noch irgendjemanden überzeugen.

All dies gibt jedoch Anlass zur Hoffnung. Das linksintellektuelle Spektrum hat fertig. Es ist ihm nicht möglich, Antworten auf die Probleme der Menschen zu geben und damit sinnstiftend zu wirken. Die Fassade mag vor allem dank der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die diesen Firlefanz tatsächlich als ernstzunehmende Analysen veröffentlichen, noch stehen, aber auf der Straße, im Alltag der Menschen, spielen die „Theorien“ der Zehs und Burmesters dieser Welt genauso wenig eine Rolle wie korrekt gegenderte Toiletten.

Es ist diese Entfremdung vom normalen Bürger, der eigene „absolute Identitätsverlust“ der Linken, der sie zu derartigen verbalen Entgleisungen verführt, nicht die vermeintlichen Unwahrheiten der aus der Gemeinschaft ausgestoßenen „Hetzer“. Insofern bleibt uns nur die Aufgabe des Beobachters und Kommentators bei der Dekonstruktion eines Weltbildes, das so lange ungestört vor sich wuchern konnte.

Eine Aufgabe, der wir, impotente alte Männer und Frauen, gerne nachkommen. 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Norbert Rahm / 02.04.2018

Treffende Beschreibung. Trotzdem ändert sich politisch und auch beim Bürger immer noch nichts: Der Politiker redet nicht darüber oder in Allgemeinplätzen, der Bürger auch nicht. Wie schnell man zum alten, weißen Mann oder Rechtsradikalen erklärt wird, haben die Beispiele Broder und Tellekamp gezeigt. Deswegen Vermeiden, Verdrängen, leider wird wirren Ideologien das Feld überlassen. Wie diese Migration Deutschland nützen soll, und wie man mit den tickenden Zeitbomben einer kulturell inkompatiblen moslemischen Jugend (siehe Berliner Schulen) und Hartz IV statt Beitrag zum schwächelnden Rentensystem umgehen will, nun, das wird nicht diskutiert. Dafür werden Broder, Tellekamp, AfD und “besorgte Bürger” (der Begriff an sich ist mittlerweile schon eine Vorverurteilung geworden) in die rechte Ecke gedrängt und, O-Ton, bekämpft.

Dr.Otto Auburger / 02.04.2018

Im NDR-Interview von Herrn Deppe ( nomen est omen ?) vom 27.03.2018 mit der “studierten Juristin” Juli Zeh zur “Erklärung 2018” sieht diese als solche gefragt keine juristischen Probleme , die in der Erklärung benannt werden, als existent an.  Dies erinnert an Ludwig Thoma`s Bonmot ” Guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand” . Noch wesentlich aufschlussreicher zur Lage als das Interview selbst finde ich die nachstehenden Leserbriefe dazu : Beispiel 1 “Schade, dass Sie die betreffenden Autoren nicht direkt gefragt haben. Herr Matussek zum Beispiel hat verlauten lassen, dass er sich gern geäussert hätte. Es ist doch besser miteinander zu sprechen als übereinander, nicht wahr?” Beispiel 2: “Ich habe gerade unterschrieben, weil solche Menschen wie Frau Zeh nicht begreifen wollen, welche Rolle sie im heutigen System spielen. Würden die heutigen Rollen in der Gesellschaft wirklich aufgelöst. dann kämen wir zur Anarchie, also Freiheit in Verantwortung, ohne das es dazu eines Gesetzes bedürfte. Wenn Bürger sich gegen eime realitätferen Politik anfangen zu wehren, dann kann man das nur untersützen, auch wenn der Schritt viel zu klein ist.” Beispiel 3 :“Herr Deppen, vielleicht sollte man mit den Personen direkt reden und nicht über sie!” Sehr geehrte Frau Schunke,  deshalb glaube und hoffe ich dass sie recht haben mit der Feststellung “Das linksintellektuelle Spektrum hat fertig.” Hoffentlich können wir das nutzen.

Henner Majer / 02.04.2018

Toller Artikel. Wo waren Sie so lange, Frau Schunke? Beim Lesen bekam ich direkt einen Kick und dachte, “da ist sie ja wieder, wunderbar”.

Katrin Ufer / 02.04.2018

Je suis eine mittelalte weiße Frau: ich zweifle noch immer - bin ich verrückt oder sind es die Anderen (z.B. Frau Burmester). Jeden Tag frage ich mich dies aufs Neue. - Da sich aber der Geisteszustand der Andersdenkenden stündlich verschlechtert, halte ich mich für gesund. An alle Gesunden: Schreibt nicht nur hier, sondern kapert auch die Foren der Online-Ausgaben all der ...........Verrückten!

Maja Schneider / 02.04.2018

Wären die sogen. Leitmedien nicht ein Teil des linksintellektuellen Spektrums sondern Medien, die hinterfragen und recherchieren, und zwar ohne vorgefertigte Meinung, wäre es in Deutschland gar nicht bis zu diesem Punkt gekommen, den wir jetzt erreicht haben. Ich teile Ihre Auffassung in allen Punkten, liebe Frau Schunke, und mit Ihnen auch die Hoffnung, dass immer mehr Bürger und Bürgerinnen die verfehlte, von den Medien so massiv unterstützte Politik erkennen und die lang ersehnte Wende eintrifft. Es wäre nur wünschenswert, wenn dieses Ziel bald erreicht werden könnte, auch wenn das einen sehr schmerzhaften Prozess für aktuelle Politker und MSM bedeuten würde.

Manfred Beyer / 02.04.2018

Nachdem ich in diversen Diskussionen stets nazifiziert wurde, lasse ich mich darauf nicht mehr ein. Ich sage, ich hätte aus den Medien schon 2015 gelernt, dass alle Migranten eine gute Ausbildung genossen hätten und sehr viele Ärzte, Ingenieure, Rechtsanwälte dabei sind. Ich würde gar nicht verstehen, wieso überhaupt Probleme diskutiert werden. Selbst die fanatischsten Gutmenschen sind dann ein wenig skeptisch, lassen mich aber in Ruhe.

Belo Zibé / 02.04.2018

»Die Linkskurve wird zum Verhängnis«  lautete die Überschrift eines Fotos im Lokalteil einer Zeitung, welches ein im Wald stehendes,verbeultes Auto nach einem Unfall zeigte.Nomen est omen,dachte ich,es könnte auch der Titel aktueller politischer Vorgänge in Deutschland sein.

Clementine Binet / 02.04.2018

Vielen Dank für Ihren Artikel. Nach allem was ich jetzt aus dieser mittlerweile jahrelangen Diskussion gelernt habe, gehört auch der alte weiße Mann zu Deutschland, genauso wie DER Islam, DEN es doch angeblich nicht gibt. Also was soll die Aufregung all der “linken/guten/nicht-schräges-Zeug-Schreibenden”? Diese Leute entlarven sich selbst, wenn sie dem alten weißen Mann gegenüber nicht auch tolerant sind. “Je suis ein alter weißer Mann” - Moi aussi!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Anabel Schunke / 14.06.2023 / 15:00 / 37

Der Fall Julana

In der Stadtbibliothek München fand gestern eine Vorlesestunde für Kinder mit Dragqueens und -kings statt. Eigentlich sollte auch das Transkind Julana auftreten. Alles an ihrem…/ mehr

Anabel Schunke / 25.05.2023 / 17:00 / 20

Nachruf auf Tina Turner: „What‘s love got to do with it“

Am Mittwochabend verstarb das Stimmwunder Tina Turner im Alter von 83 Jahren. Ihr Weg zum Erfolg war steinig, ihre musikalischen Triumphe umso größer. Tina Turner…/ mehr

Anabel Schunke / 25.09.2021 / 06:15 / 53

In bester antisemitischer Gesellschaft

Wer in Deutschland einen Eindruck davon bekommen möchte, wie groß das Problem des Antisemitismus ist, sollte sich einmal – am besten während einer erneuten Eskalation…/ mehr

Anabel Schunke / 25.08.2021 / 14:00 / 84

Afghanistan: Weltrettung ohne jeden Zweifel 

In Afghanistan herrschen wieder die Taliban. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. In der deutschen Presse werden die Zahlen der ausgeflogenen Afghanen durchgegeben wie die…/ mehr

Anabel Schunke / 11.08.2021 / 12:00 / 73

„Keine Ahnung, wie man Männer besser integrieren kann“ 

Elke Breitenbach (Linke) hat etwas gesagt, das vielen übel aufgestoßen ist. Die Berliner Senatorin für „Soziales, Arbeit und Integration“ störte sich gegenüber dem Tagesspiegel jüngst…/ mehr

Anabel Schunke / 20.07.2021 / 14:00 / 80

Weil ich Bock dazu habe 

„Autofreie Innenstädte“ ist eine immer mal wieder aufflammende Diskussion. Sie wird aber, wie so oft, rein moralisch und nicht praktisch geführt. Außerdem: Ich muss mich…/ mehr

Anabel Schunke / 29.06.2021 / 17:28 / 89

Kein Zeichen gegen den Islamismus beim DFB

Vier Tage sind seit dem islamistischen Attentat eines somalischen Asylbewerbers in Würzburg vergangen. Drei Frauen verloren ihr Leben, als der 24-jährige Abdirahman J. „seinen Beitrag…/ mehr

Anabel Schunke / 01.05.2021 / 14:47 / 123

Die Angst vor Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen kandidiert für den Bundestag, und die deutsche Presse, deren Vertreter überwiegend nicht Schwarz, sondern Grün wählen, läuft Sturm und ist sich sicher, dass…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com