Der kanadische Umweltaktivist Patrick Moore hat mit seinem amerikanischen Nachnamensvetter, dem filmenden Politclown Michael M., ungefähr so viel zu tun wie CO2-Emissionen mit Erderwärmung. Also nicht besonders viel, wie P. Moore auf seinen Vorträgen zum immergrünen Thema Mensch, Umwelt und Klima gern betont. Aus dem mittels Eiskernbohrungen gesammelten Wissen um die Klimavergangenheit des Planeten, so Moore, gehe nämlich relativ gesichert hervor, dass die globalen Temperaturen und die CO2-Werte während der letzten 500 Millionen Jahre in keinem kausalen Zusammenhang standen.
Oft hätten sie nicht einmal korreliert, sondern sich über zig Millionen Jahre in verschiedenen Richtungen entwickelt. Dagegen wiesen Speiseeiskonsum und Haiattacken auf Menschen zwar ebenfalls keine Kausalität auf, würden aber wenigstens korrelieren. Wenn nämlich schönes Wetter ist, essen viele Leute Eis, und viele gehen schwimmen. Mit harten Fakten und schrägen Vergleichen sägt der subversive Mr. Moore fleißig am Glaubensgerüst von Zeitgenossen, die sich in der Church of Global Warming versammelt haben.
Für (sich tatsächlich so nennende) „Klimaretter“ ist Moore das, was George Orwell, Arthur Koestler oder Manès Sperber einst für moskauhörige Apparatschiks waren. Ein Renegat, pain in the ass. Schlimmer noch: ein „Klimaleugner“. Letzteren Begriff haben PR-Profis der Energiewendebranche ersonnen; er soll an „Holocaust-Leugner“ gemahnen. Manche sähen Patrick Moore nur zu gerne im Knast. Wird aber nichts draus.
Vergiftete Wikipedia-Artikel über Abtrünnige
Der Mann war immerhin Gründungsmitglied von Greenpeace und das Gesicht mehrerer Großkampagnen der Organisation. Kennt den heutigen Ablasshandelskonzern aus seinen vielversprechenden Anfängen. Wenn einer wie Moore befindet, die Führungstruppe von Greenpeace sei nur mehr politisch-ideologisch motiviert und stehe wissenschaftlich auf dem Niveau von Analphabeten, so wiegt das schon was. Entsprechend kontaminiert ist der Wikipedia-Eintrag über ihn. Der „Verräter“ steht seit langem unter publizistischem Beschuss von Greenpeace-Partisanen und hat sich vorsichtshalber ein dickes Fell zugelegt.
Neulich trat er auf einer Abendveranstaltung in Berlin auf, die von der „Deutschen Wildtier Stiftung“ organisiert worden war. In den Vorträgen ging es um Windkraft und Naturschutz. Besser gesagt, um den ökologisch-industriellen Komplex, für welchen Naturschutz nur ein lästiges Steckenpferd schrulliger alter Männer ist. Es handelt sich um ein milliardenschweres Gewerbe, das Landschaftsbilder weiträumig ruiniert und Vögel en gros häckselt.
Die Stiftung hält dagegen. Leiter ist der ehemalige Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt, Ko-Autor des frühen Öko-Klassikers „Seveso ist überall“. Auch Vahrenholt blickt auf eine Art Renegatenkarriere zurück. Heißt, er durchlief gewisse Lernprozesse, korrigierte manche Vorstellungen. Folgerichtig ist der Wikipedia-Artikel über ihn hübsch vergiftet.
Naturschützer zeigten an diesem Abend auf, weshalb der subventionsgeschmierte Windradwahn für ohnehin bedrohte Arten – vor allem für selten gewordene Greifvögel wie den Rotmilan – das Aus bedeuten könnte. Unter den Zuhörern war auch eine Reihe von Parlamentariern, die dem Erneuerbare-Energien-Gesetz skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen.
Die Bulldozer der Windkraftindustrie sind längst auch in deutsche Wälder eingedrungen
Geschätzt zehn bis fünfzehn Prozent der Bundestagsabgeordneten gehören zu dieser Spezies. Sie ist nicht organisiert und hat keine Chance gegen die bestens vernetzte, immer reicher und einflussmächtiger werdende Wind- und Solarlobby. Deren Bulldozer und Baukräne sind längst auch in deutsche Wälder eingedrungen. O Täler weit o Höhen, o schöner grüner Wald – diese Zeile dürfte in nicht allzu ferner Zeit so anachronistisch anmuten wie das Lied vom Brunnen, der vor dem Tore liegt.
Und wofür das alles? Fest steht: Schon eine entfernte Annäherung an großspurig hinausposaunte „Klimaziele“ würde zehnmal so viele Windräder wie heute erforderlich machen (28.000 aktuell). Beispiel: Um die rund 1600-Megawatt-Leistung des modernen Steinkohlekraftwerks Moorburg in Hamburg durch Erneuerbare zu ersetzen, brauchte es eine Fläche von 755 Quadratkilometer - das gesamte Areal des Stadtstaates mithin. Nach einer totalen und radikalen Energiewende wäre Deutschland nicht mehr wiederzuerkennen; schlimmer verunstaltet als am Ende des zweiten Weltkriegs. Das gesamte Land sähe dann so aus, wie jetzt schon Teile von Dithmarschen, Ostfriesland oder Mecklenburg-Vorpommern.
Dummerweise hätte das auf Klimaveränderungen null Einfluss. Und dass der Rest der Welt den gründeutschen Dekarbonisierungsphantasien mit Freudengeheul folgt, ist eher unwahrscheinlich. Morgenthau-Pläne sind nun mal nicht nach jedermanns Geschmack.
Moore hält das Ganze ohnehin für unnötig. Nein, er bestreitet keineswegs, „dass der vom Menschen durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe verursachte CO2-Ausstoß die Ursache für den erheblichen Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre (von 280 auf 400 ppm) seit dem Beginn der industriellen Revolution darstellt.“ Nur kommt Moore - wie auch andere, nicht auf die eine oder andere Weise mit dem IPCC verbandelte Wissenschaftler - zum Schluss: Das ist gut so.
„Sie werden in Frieden rosten“
Die CO2-Werte in der Atmosphäre, meint Moore, könnten ruhig ein bisschen steigen: „Die Erde befindet sich derzeit – hoffentlich – am Ende einer seit 50 Millionen Jahre anhaltenden Abkühlungsphase.(...) Auf dem Höhepunkt der Vergletscherung, vor 18.000 Jahren, fiel der CO2-Gehalt auf 180 ppm, nur 30 ppm über dem Wert, der für Pflanzen tödlich ist. (...) Ohne den ausgleichenden Eingriff des Menschen in den Kohlenstoffhaushalt der Erde würde der CO2-Gehalt immer weiter sinken. In zwei Millionen Jahren wäre ein Wert erreicht, in dem das Pflanzenwachstum unmöglich ist, und mit weiter sinkendem CO2-Gehalt würde alles Leben auf der Erde aussterben.“
Moore verweist auf ein paar interessante Fakten. Während die vielbeschworenen Gefahren der Erderwärmung nur eine Hypothese darstellten, seien die positiven Folgen nachweisbar. Etwa die faktische Ergrünung sehr trockener Regionen in Westindien, der Sahel-Zone, Westaustralien und der amerikanischen Great Plains. Dies sei darauf zurückzuführen, dass Pflanzen bei einem höheren CO2-Gehalt Wasser gründlicher verwerten. Moores Fazit: „Aus diesem Grund wird zusätzliches CO2 von Vorteil sein, selbst wenn es neben seinem positiven Effekt auf das Pflanzenwachstum eine gewisse Erwärmung mit sich bringt.“ Stärkerer Pflanzenwuchs werde dazu beitragen, die Weltbevölkerung zu ernähren.
Fragt man ihn nach seiner Meinung zu Wind- und Solaranlagen, wagt Moore eine Prognose: „Sie werden in Frieden rosten“. So spricht der Öko-Optimist.