Ansgar Neuhof / 01.07.2016 / 10:04 / 11 / Seite ausdrucken

Erbschaftssteuer: Wie Politik und Verfassungsgericht die Steuerbürger austricksen

Von Ansgar Neuhof.

Nur eines ist im Leben so sicher wie der Tod: die Steuer. Und für nichts interessiert sich der Staat mehr als für das Geld seiner Bürger. Unzählige Steuerarten gibt es, mittels derer die Bürger geschröpft werden. Alles selbstverständlich im Namen der Gerechtigkeit. Eine dieser Steuerarten ist die Erbschaftsteuer, die über ihren Namen hinaus nicht nur für Erbfälle gilt, sondern auch für Schenkungen. Gelegentlich wehren sich Bürger gegen einzelne Steuervorschriften und ziehen bis vor das Bundesverfassungsgericht. Und manchmal erhalten die Bürger dort sogar Recht. So entschied das Bundesverfassungsgericht am 17.12.2014, daß das Erbschaftsteuergesetz in Teilen verfassungswidrig sei und der Gesetzgeber bis zum 30.06.2016 ein neues Erbschaftsteuergesetz schaffen müsse. Das war gestern. Eigentlich.

Die Juristen unter den Lesern werden - zu Recht - anmerken, daß die Regelungen des Erbschaftsteuergesetz nicht für verfassungswidrig, sondern „nur“ für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sind. Diese Kategorie der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz hat sich das Bundesverfassungsgericht selbst geschaffen (im Gesetz ist dies nämlich nicht vorgesehen), um verfassungswidrige Gesetze nicht für sofort ungültig erklären zu müssen, sondern eine Fortgeltung für eine Übergangsfrist zu ermöglichen. Davon macht das Bundesverfassungsgericht üblicherweise im Interesse des Fiskus rege Gebrauch, wenn es um Steuergesetze geht. Das Pikante daran: geht es um verfassungswidrige Gesetze zugunsten des Bürgers, dann ordnet das Bundesverfassungsgericht keine Übergangsregelung an, sondern erklärt sie sofort für ungültig (siehe kürzlich beim Betreuungsgeld). Solche Doppelmoral ist man sonst eher bei Politikern gewöhnt, allerdings befinden sich unter den Bundesverfassungsrichter ja auch Ex-Politiker.

Ab 01.07.2016 beruhigt sterben? Von wegen.

Entgegen der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bis zum 30.06.2016 kein neues Erbschaftssteuergesetz beschlossen. Also sollte man meinen, daß man ab heute am 01.07.2016 beruhigt sterben könne, ohne daß die Erben Steuern zahlen müssen. Zwar wird dies auch von etlichen Steuerrechtlern vertreten, doch weit gefehlt. Das Bundesverfassungsgericht höchstselbst ließ verlautbaren, daß das Erbschafsteuergesetz über den 30.06.2016 hinaus weiter bis zu einer Neuregelung anzuwenden sei; denn das Gericht habe dem Gesetzgeber zwar eine Frist bis zum 30.06.2016 gesetzt, aber für den Fall des ungenutzten Verstreichens des Frist nicht angeordnet, daß das Gesetz ungültig sei. Mit anderen Worten: Daß ein Gesetz verfassungswidrig ist und ob der Gesetzgeber innerhalb der gesetzten Frist ein neues Gesetz beschließt oder nicht, ist unerheblich, das Gesetz gilt trotzdem weiter. So tricksen also die Verfassungsrichter die Steuerbürger elegant aus.

Und hatte der Gesetzgeber schon bisher ziemliche Narrenfreiheit beim Erlaß von Steuergesetzen, schlimmstenfalls erhielt er vom Bundesverfassungsgericht eine Frist zur Neuregelung, so muß der Gesetzgeber jetzt noch nicht einmal mehr solche Fristen beachten. So geht Rechtsstaat eben: Säumige Politiker erhalten üppige Diäten, säumige Steuerbürger werden mit Verzögerungsgeldern, Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen sanktioniert.

Ansgar Neuhof (46) ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin

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Ansgar Neuhof / 03.07.2016

@ von Krahnstein: Im Text ist Erbschaftsteuer ohne Fugen-s geschrieben, die Überschrift stammt von der Redaktion.

Hans-Peter Hammer / 03.07.2016

Der Duden läßt beide Schreibweisen zu, rechtschreibung.woxikon.de dagegen hält Erbschaft-Steuer (Erbschaftsteuer) für falsch! Und ansonsten: 1 Steuer, entweder Einkommenssteuer, oder Mehrwert-/Umsatzsteuer, aus! Der Staat hat den Bürger nicht zu erziehen, auch nicht über Steuern (auch wenn sie so heißen)! Damit wäre ihm (endlich) sowohl die Möglichkeit der Bevormundung, als auch das Verstecken von zusätzlichen Abgaben unmöglich und evtl. lernt er dann auch mit dem Geld hauszuhalten und auszukommen! Und als Clou Steuerveränderungen nur durch Volksabstimmung! (Man wird doch noch träumen dürfen!?)

Matthias-Alexander von Krahnstein / 02.07.2016

Man kann durchaus über Erbschaftssteuer schreiben, die Erbschaftsteuer ist im Erbschaftsteuergesetz geregelt, ohne Fugen -s, damit zeigt man gleich,  dass man nicht vom Fach ist. In einem Artikel gemischte Schreibweise anzuwenden, also mal so oder so zu schreiben, ist ?!?, bitte um Nachsicht.

Waltraud Borchert / 02.07.2016

Es ist ja schon das 2. Mal, dass das ErbStG in Teilen (wie es im Artikel zutreffend heißt) vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde, erstmals am 07.11.2006. Und wieder haben es die Politiker nicht geschafft, ein rechtsgültiges Gesetz zu verabschieden. Diese Steuer gehört abgeschafft. Sie ist kaum reformierbar, sie ist streitanfällig, weil es sehr kompliziert ist, den wirklichen Wert von Unternehmen, Grundstücken und Gemälden festzustellen, sie ist teuer, weil man für Bewertungen häufig Gutachten benötigt, und sie bringt weniger als 1% des Gesamtsteueraufkommens. Diese 1% könnte man leicht durch einen Aufschlag auf die Einkommensteuer der Höchstverdiener ersetzen, denn wer sehr viel erbt, gehört im Regelfall auch zu den Höchstverdienern. Und keine andere Steuer verursacht so viel ideologischen Streit, und Rechtsfrieden und allgemeine Akzeptanz sind auch hohe Güter.

jf Lupus / 02.07.2016

Das Vertrauen der Bürger in Staat und Justiz schwindet immer mehr.  Völlig unbegreifliche Urteile, die dem natürlichen Rechtsempfinden der Menschen zuwider laufen und weder mit Recht noch gar mit Gerechtigkeit etwas zu tun haben, selbstherrliche politische Entscheidungen, die immer mehr zu Lasten und nicht zugunsten der Bürger sind. Wann ist die kritische Masse erreicht? Und was passiert dann? Ich sehe ziemlich finster für die Zukunft.

Peter Christian Nowak / 02.07.2016

Das Bundesverfassungsgericht kellnert seit langem der Politik. Es scheint, als fragte man vorher in Berlin an, welches Urteil sie denn gerne hätten, die Politiker. Im Zweifel richtet man sich - politisch korrekt - nach dem Strassburger EU-Gerichtshof. So serviert es sich noch leichter.

Helge-Rainer Decke / 02.07.2016

Die Richterschelte sei geschenkt. Gleichwohl gestatte ich mir den Hinweis darauf, dass das BVerfG das Erbschaftsteuergesetz als in “Teilen” für verfassungswidrig erklärte, also nicht gänzlich. Somit besteht de jure die Möglichkeit der Heilung der verfassungswidrigen Teile. Wäre das Gesetz in Gänze verfassungswidrig, so würde es höchstrichterlich einkassiert worden sein, mit der Folge dass, bis zum Erlass eines verfassungsgemäßen Erbschaftsteuergesetzes, von Fall zu Fall entschieden werden müsste. Was dagegen die Unvereinbarkeit betrifft, hier also auf das GG bezogen, so steht es im Ermessen der Gerichtsbarkeit durch Urteil Recht zu “schöpfen”, sofern es nicht gegen das GG verstößt, was nicht geschah.

Jakob Nierstein / 01.07.2016

Erbschaftssteuer mit Fugen-s ist absolut korrektes Deutsch. Ohne Fugen-s ist es menschenfeindliches Beamtendeutsch. Die Behörden haben vor Jahren schon dem Fugen-s den Kampf angesagt und herauskommt eine mechanische Robotersprache und keine natürliche Sprache, die sich gut sprechen lässt. Ein Beamter darf kein gesundes Sprachempfinden haben; das ist wohl die Intention dieser komischen Sprachregelung.

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