Malte Lehming
Amerikaner loten lieber Chancen als Risiken aus, praktische Politik ist ihnen wichtiger als ideologisch motivierte Rhetorik. Die Machtfülle des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi betrachten sie in erster Linie als innerägyptische Angelegenheit. Wer jahrzehntelang mit den Despoten in der Region paktierte, sollte sich mit Ratschlägen an die neuen Herrscher zurückhalten.
Mursi hat sich im Gazakonflikt aus US-Sicht bewährt. Außenministerin Hillary Clinton hat ihm ausführlich für seine Vermittlung gedankt. Ägypten findet unter seiner Führung offenbar zu seiner alten, mächtigen Rolle in der Region zurück. Am Friedensvertrag mit Israel rüttelt Mursi nicht, Militär und Geheimdienste von Israel und Ägypten kooperieren. Das ist in einem Land, wo Muslimbrüder und Salafisten in der Mehrheit sind, keine Selbstverständlichkeit. Amerika wird weiterhin verfolgen, ob ein pragmatischer Mursi auch mäßigend auf die radikalen Elemente in seinem Land einwirken kann. In diesem Prozess kann ihm eine gewisse Machtfülle durchaus nützen.
Darüber hinaus bietet die Mursi-Regierung auch neue Chancen zur Lösung des Nahostkonflikts. Zumindest wiederbelebt sie eine Option. Ihr zufolge könnte sich eine autonome Westbank eng an Jordanien anschließen, ein autonomer Gazastreifen an Ägypten. Einen gemeinsamen Staat Palästina wird es geografisch ohnehin nicht geben. Überdies haben sich die Bewohner von Westbank und Gazastreifen kulturell, religiös und politisch sehr unterschiedlich entwickelt. Fatah und Hamas sind zu Gegnern geworden.
Die Westbank wurde bis 1967 von Jordanien beherrscht, der Gazastreifen von Ägypten. Die Muslimbrüder, die in Kairo an der Macht sind, sind ideologisch eng mit der Hamas verbunden. Hingegen bezeichnen sich 60 Prozent der Jordanier als Palästinenser. Schon jetzt sind die Beziehungen Jordanien-Westbank einerseits und Ägypten-Gazastreifen andererseits in vielerlei Beziehung intensiver als die innerpalästinensischen. Vielleicht wächst ja auch im Nahen Osten langsam zusammen, was zusammengehört.
Siehe auch:
http://www.tagesspiegel.de/politik/gaza-konflikt-was-israels-dominanz-im-nahen-osten-fuer-die-usa-bedeutet/7425370.html
http://www.tagesspiegel.de/meinung/israels-raketenabwehr-frieden-durch-technik/7421462.html