Jesko Matthes / 17.03.2017 / 06:15 / Foto: katsrcool / 6 / Seite ausdrucken

Endlager für die Energiewende

Von Jesko Matthes

Lustig, der Entwurf zum neuen (und damit zum wiederholten Male geänderten) „Standortauswahlgesetz“ für ein atomares Endlager, auf das sich eine Überlebensgroße Koalition von CDU, SPD und Grünen unter Duldung der Linkspartei „einigen“ will. Hübsch ist gleich im Abschnitt C zu lesen: „Alternativen: keine“. Sollte sich eine gewisse Frau M. einmal mehr als jenes politische Wesen erwiesen haben, über das bereits die Engländer in den frühen 1980ern spottete, es hieße in Wirklichkeit „TINA“ (für there is no alternative – gemeint war Maggie Thatcher).

Besonders reizend für mein Zwerchfell ist das Garantieren der Sicherheit eines atomaren Endlagers für 1 Million Jahre. Da ist diese Koalition ganz schön optimistisch für ihre Aussichten an den Wahlurnen der kommenden 33333 Generationen, und das nenne ich wahre Nachhaltigkeit. Sie, die Überlebensgroße Koalition, scheint sich also sicher zu sein, dazwischen auch das „Global Warming“ und ein paar nicht nur politische Eiszeiten zu überstehen. Kauft Badehosen - und zieht euch warm an.

Sicher, der wieder völlig „ergebnisoffene“ Salzstock in Gorleben ist ca. 200 Millionen Jahre alt (ich war schon einmal drin im Erkundungsbergwerk, in mindestens 800 Meter Tiefe liegen lange Stollen und teils riesige Hallen und ganze Werkstätten in immer sehr warmer, trockener Luft). Der Gesetzentwurf fordert allerdings gleichzeitig Verschlusssicherheit und Rückholsicherheit auch im Notfall (siehe Asse). Das zeigt, wie hoch problematisch die Kernenergie wirklich ist - und das nicht erst seit oder wegen Fukushima.

Gibt es noch "deutschen Atommüll"?

Schon vor 40 Jahren haben sich die Wissenschaftler daher Gedanken gemacht, ob man über dem Endlager eine Pyramide baut und eine „Atompriesterschaft“ gründet, und auf welchem Material, in welcher Symbolsprache die Warnhinweise angebracht werden sollen, die noch in 100.000 Jahren und dem zehnfachen davon erhalten sind und verstanden werden. Das ist für die Menschheit und ihre Existenz optimistisch - und nahezu unlösbar schwierig. In einer Million Jahre ändern sich die Verhältnisse durchaus ein wenig. Es könnte sein, dass sich das Endlager dann unter dem Wasser eines Ozeans, von Gletschern bedeckt oder am Hang eines Berges findet, und nur vage Spuren und Fossilien künden dann von dem, was heute diskutiert wird.

Okay, wenn ich an lebende Fossilien denke, dann mögen mir schon ab und zu auch Politiker einfallen. Gysi oder Höcke zum Beispiel, aber auch andere. Ob man Atommüll unter einem miesen Stück Scheiße sicher vergraben oder bei „offenen Grenzen“ überhaupt noch von „deutschem“ Atommüll reden kann, das dürfte bei so einem kleinen Milliönchen Jahre allerdings von allen lebenden Fossilien, falls möglich, noch zu klären sein. – Wieso konnte der Atommüll nicht angriffsunfähig geschossen werden?

Nicht lachen oder aufregen, bitte. Die Fragen sind völlig ernst gemeint. Denn es gibt durchaus Alternativen, und Atommüll kann tatsächlich angriffsunfähig geschossen werden, auch wenn manche, die gern im ZDF dozieren, es noch vor ein paar Jahren nicht glauben wollten.

Technologisch abgehängter Energie-Wendelin

Zwei Dinge stellt die Gesetzesnovellierung daher in ihrer jetzigen Form auf jeden Fall sicher:

Erstens, dass bis 2031 (und auch danach) niemals ein nach wissenschaftlichen Kriterien für mindestens eine Million Jahre sicheres Endlager gefunden werden kann, und zweitens, dass Deutschland, der technologisch abgehängte Energie-Wendelin, seinen Atommüll auf Kosten seiner Steuerzahler „rückholen“ und in jene Länder exportieren wird, in denen er (der Atommüll, nicht der Steuerzahler natürlich) demnächst in Flüssigsalzreaktoren und Brütern transmutiert werden und Energie erzeugen wird: ins Ausland.

Insofern ist das Gesetz ganz angemessen: Deutschland braucht kein Endlager, deutsche Forschung und Hochtechnologie für den hinterherhinkenden atomaren Umweltschutz auch nicht, Speichertechnologien für Ökostrom auch nicht. Nur Steuerzahler. Und Zahler für den Strom, der aus der Steckdose kommt. Solange Tschechien sich vor überschüssigem Wind- und Solarstrom schützt, den hierzulande niemand speichern kann, und wo Ökostrom-Anlagen zu bald 90 Prozent im Ausland produziert werden, ist auch in Deutschland daher einfach alles gut.

Der Überlebensgroßen Koalition sei Dank - Tu felix Germania dormi!

Jesko Matthes ist Arzt und lebt in Deutsch Evern.

Foto: katsrcool Flickr CC BY 2.0 via Wikimedia

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Dr. Wolfgang Monninger / 17.03.2017

Ein Zeitraum von einer Million Jahren kann in der Geologie ein kurzer Zeitraum sein!  Dem Laien jedoch erscheint eine vom Menschen bestimmte Sicherheitsgarantie dieser Größenordnung als pure Hybris. Aber worum geht es? Die besten geologischen Standorte für die Endlagerung sind die großen Salzstöcke im Niedersächsischen Becken. Dieses befindet sich in einem tektonisch sehr ruhigen Teil der Eurasischen Platte. Die Rekonstruktion der geologischen Geschichte zeigt, dass hier seit über 250 Millionen Jahren der Untergrund mehr oder weniger stetig absinkt. Heute befindet sich die Basis der salzführenden Schichten in einer Tiefe von ca. 4000m. In dieser langen Zeit gab es in der Region weder Gebirgsbildung, nach Grabenbildung, noch Vulkanismus von Bedeutung. Dies wird in der nächsten Million Jahre nicht anders sein. Eiszeiten und marine Überflutung spielen für die Sicherheit des Endlangers keine Rolle, da sie nur die obersten wenigen 100m betreffen. Die Salzstöcke sind km-große Körper, die mit 1/10 mm pro Jahr sehr langsam aufsteigen, ihre “Gipfel” reichen bis wenige100 m unter die Erdoberfläche, wo sie der Subrosion (Auflösung des Salzes) unterworfen sind. Platziert man den Atommüll tief genug im Salz, kann man ihn sich selbst überlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen z.B. des Jahres 100.000 (?) nach einem Kollaps unserer technischen Zivilisation in einige Tausend Meter Tiefe vordringen (um dort was?? zu suchen), könnte man vernachlässigen. Aber schon unsere nächsten Generationen werden ganz neue Ideen haben - darum geht es.

Dr. Bredereck, Hartmut / 17.03.2017

Sehr geehrter Herr Matthes, in der Achse vom 20.12.2016 konnte man einen sehr interessanten Aufsatz von den Autoren Wipplinger und Klute mit dem Thema “Aus Atommüll wird Strom” lesen. Es wird über das Betreiben eines “schnellen Brüters” im Kernkraftwerk Beloyarsk, Rußland berichtet. Es gibt also doch Alternativen zur Endlagerung radioaktiven Materials, trivial gesagt mittels “Atommüllrecycling”. Wenn Deutschland sich mal wieder in weiter Ferne mit Rußland gut stellt, können wir vielleicht unseren Atommüll als wertvollen Rohstoff noch verkaufen. Angela Merkel, als begnadete Physikerin, schicken wir dann zur Überwachung des Brennstoffkreislaufes nach Beloyarsk.

Michael Limburg / 17.03.2017

Hallo Herr Matthes, dürfen wir den Beitrag übernehmen?

Wolfgang Richter / 17.03.2017

Den strahlenden Müll irgend wem im Ausland zu einem vorgegeben möglichst nützlichen Zweck und auf jeden Fall mit Sicherheits- garantie und One-Way-Ticket unter zu jubeln ist sicher die chamanteste Variante, zumal sich dann andere um den 1-Million-Jahre-Jackpot kümmern dürfen. Das Scheckheft als bekanntes Mittel deutscher Politik dürfte da sicher auch ein Stück weit helfen. Stellt sich nur noch die Frage, welche Kandidaten als Adressanten dieser Gaben in Betracht kommen. Nord-Korea wäre sicher interessiert, dürfte aber sicher zumindest offiziell ausgeschieden werden. Aber die hochkarätig besetzte Findungskommission im Auftrage der Großen Alternativlosen wird sicher zu einem für diese akzeptablen Ergebnis finden.

Christian Schulz / 17.03.2017

Die Idee der sicheren Lagerung für eine Million Jahre ist etwa so als hätten die Neandertaler vor 200.000 Jahren darüber nachgedacht welche Probleme aus heutiger Zeit in 800.000 Jahren auftreten werden. Vor einer Million Jahren gab es noch keinen “Homo sapiens”, der ist erst 100.000 Jahre alt. Aber wir lösen Probleme für die nächste Million Jahre. Das ist nicht nur völlig absurd, das ist eine ungkaubluche Hybris.

Rudi Knoth / 17.03.2017

Ich habe mir den Beitrag von Harald Lesch angesehen. Er behauptete, daß es schon einen Flüssigsalzreaktor in Deutschland gab. Dies ist aber nicht richtig. Der THTR hatte zwar Thorium als Brennstoff, dieser war aber in Graphitkugeln eingeschlossen. Das Kühlmittel war Helium. Sicher ist der Vorteil bei diesen Reaktoren, daß die Halbwertzeit der Spaltprodukte recht kurz ist und es keine langlebigen Transurane entstehen.

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