Thomas Rietzschel / 03.05.2016 / 16:06 / Foto: BLM Nevada / 5 / Seite ausdrucken

Ende der Schonzeit für die Platzhirsche

Die Platzhirsche der repräsentativen Demokratie, die regierenden und die kommentierenden von Merkel/Gabriel bis zu Kleber/Augstein, wussten von Anfang an: Bei dem rasanten Aufstieg der AfD kann es nicht mit rechten Dingen zugehen. Wer sich anheischig macht, ihnen das Rudel, das Volk, zu entführen, muss mit dunklen Mächten im Bunde sein, die politische Seele dem Leibhaftigen verschrieben haben. Unter jedem Hosenbein erkennen die Rechtgläubigen seinen Pferdefuß. "Neonazis in Nadelstreifen", wollte ein SPD-Politiker bei einer Pegida-Demo gesehen haben, dabei trugen fast alle Parkas und Windjacken.

Von einer Verschwörung alternder „Wirtschaftsprofessoren“ war anfangs die Rede. Später erkannte man Schlimmeres. Allenthalben wurden die Wiedergänger des überwundenen Rechtsradikalismus ausgemacht. Sie, hieß es, gäben den Ton an. Schneller als sich die Partei profilieren konnte, durchschauten die berufenen Eliten, das demagogische Konzept der AfD. Unter ihrem Banner, erfuhren wir von Jakob Augstein, versammelt sich das Volk, ein gefährliches, die Demokratie bedrohendes Element. 

Und nun hat das „Institut der deutschen Wirtschaft Köln“ obendrein herausgefunden, dass es sich bei der AfD, so die „Welt am Sonntag“ um „die Partei der Besserverdiener“ handelt:  „33,9 Prozent der AfD-Anhänger kassieren Topgehälter und gehören damit zum reichsten Fünftel der Bevölkerung.“ Welche eine Infamie, einerseits.

Andererseits, nehmen wir alles zusammen, die Wirtschaftsprofessoren, das unbelehrbare Volk und die Reichen, könnten wir leicht zu dem Schluss kommen, dass die AfD drauf und ran ist, eine „Volkspartei“ zu werden. Aber natürlich wissen wir auch, dass das Volk schon immer des Teufels war; bereits Heinrich Heine nannte es den „großen Lümmel“, unberechenbar und gefräßig.

Wie sich die AfD in der Rolle einer „Volkspartei“ einrichten, was sie daraus machen wird, bleibt abzuwarten, mit kritischer Vernunft und ein bisschen Hoffnung vielleicht. Die anderen aber, die etablierten Platzhirsche, werden daran bald keinen Gedanken mehr verschwenden müssen. Wenn sie so weiter machen wie bisher, brauchen ihre Vereine nicht länger befürchten, als „Volksparteien“ in die Pflicht genommen zu werden.

So wie sie sich derzeit geben, haben SPD, FDP und CDU, auch die Grünen und die Linken ihren Job getan, der AfD in den Sattel geholfen. Was danach kommen könnte, können sie sich nicht ausmalen. Sie verstehen die Welt nicht mehr. Mit Brettern vor den Köpfen fühlen sie sich zunehmend verfolgt, von den Bürgern, den bösen Geistern umzingelt.

It’s time to say goodbye. 

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Leserpost

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Jürgen Fleischer / 05.05.2016

Hallo Herr Brandt, die Karikatur hat ein leichtes “G’schmäckle, wie der Schwabe sagt, aber Maikäfer sind kein Ungeziefer. Die Anspielung geht auf LANDPLAGE. Wenn Maikäfer gehäuft auftreten können sie dazu werden. Ich interpretiere diese Karikatur aber anders: Wenn die AfD viele Wählerstimmen gewinnt, wird sie zur Plage, zur Plage für alle etablierten Parteien. Dann hat, so meine ich, die AfD ihr Ziel erreicht. Deshalb habe ich sie gewählt und werde sie auch wieder wählen. Da bin ich doch gerne Maikäfer. Als Kinder haben wir sie mit Begeisterung gesammelt und in Schachteln eingesperrt und auch gefüttert. Das war die Zeit, als noch niemand etwas vom Tierschutz wusste. Wir haben sie auch getauscht. An den “Müller”, das war ein Maikäfer, der besonders viel wert war, kann ich mich noch gut erinnern.

Waldemar Undig / 04.05.2016

Nun ja, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU von der Bildfläche verschwinden wird. Auch die Grünen werden sich noch irgendwie halten. Doch die SPD wird an der AfD zerschellen, wenn man merkt, dass man sie nicht braucht. Daher auch diese fieberhafte Hektik heutzutage. Gibt es doch noch genug Genossen in den oberen Dienstetagen, die ihre Felle schwimmen sehen.

Karla Kuhn / 04.05.2016

” Eine Politik nach Umfragen, wie sie z. B. von der Kanzlerin betrieben wird, ist populistisch.” (Alexander Dilgner) Die AfD wird stets als “rechtspopulistische” Partei betitelt, was ja schon alleine nach der Aussage des “Institutes der deutschen Wirtschaft Köln” gar nicht stimmen kann.  Denn dann müssten ja die 33,9 % der Anhänger, die zum reichsten Teil der Bevölkerung gehören alle “Nazis” sein. Es gibt auch genug Anhänger der AfD, die jahrelang CDU oder SPD gewählt haben und die eben kein Brett mehr vor dem Kopf haben und nicht mehr nur an sich,sondern auch an die Zukunft Deutschlands denken und damit an ihre Kinder und Enkel.  Das sind dann auch alles “Nazis?” Die Nazikeule zieht nicht mehr. Und Augstein, na ja, was soll ich dazu sagen? Nichts.  Mit ihm vergälle ich mir den Tag nicht. Wenn die AfD den anderen Parteien das Fürchten lehrt, sie aber nichts daraus lernen dann kann man wirklich nur sagen: “It`s time to say goodbye” wie Sie das so schön formuliert haben Herr Rietzschel.

Franck Royale / 04.05.2016

So abgedroschen es auch klingen mag: Man müsste sich tatsächlich einmal grundlegende Gedanken über unser politisches System machen, eine “ergebnisoffene” Diskussion führen. Die Abwehrhaltung gegenüber der AfD resultiert ja nicht unbedingt aus unterschiedlichen Ansichten und Bewetungen (was man daran erkennt, dass etablierte Politiker früher oder später “der AfD nach dem Mund reden”, “Wasser auf die Mühlen der AfD geben” usw.) - sondern aus existentiellen Ängsten etablierter, voll versorgter Politiker. Der Kadavergehorsam ist das Bollwerk der “Platzhirsche” - also derer, die “drinnen” sind, gegen die, die “draussen” sind. Die Abhängigkeit gesellschaftlich relevanter Entscheidungen von der individuellen, persönlichen Versorgunglage der Entscheider, stellt einen gravierenden Systemfehler in der repräsentativen Demokratie dar. Dem kann - wenn überhaupt - nur durch flankierende direkte Volksentscheide begegnet werden.

Volker Brandt / 03.05.2016

Bliebe hinzuzufügen, dass die alte Dame FAZ sich in ihrer heutigen Ausgabe nicht zu fein ist, eine Karikatur zu veröffentlichen, in der AfD-Wähler als Ungeziefer dargestellt sind.

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