Dirk Maxeiner / 05.09.2016 / 09:08 / Foto: Gage Skidmore / 13 / Seite ausdrucken

Einmal Meckpomm extrascharf

„Die Weisheit der Vielen“ heißt ein sehr schönes Buch von James Surowiecki, dessen These lautet, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Gruppenentscheidungen führt, die oft besser sind als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer. Das kann so sein, muss aber nicht so sein. Bei der gestrigen Wahl in Mecklenburg-Vorpommern scheint es mir aber so gewesen zu sein.

Zunächst mal ganz grundsätzlich: Die Wahlbeteiligung stieg enorm von 51,4 Prozent auf über 61,1 Prozent. Das spricht für ein gewachsenes demokratisches Bewusstsein der Bevölkerung im Nordosten unseres Landes. Jahrelang wurde die geringe Wahlbeteiligung in östlichen Bundesländern (zu Recht) kritisiert, jetzt haben auch viele derjenigen, die beim letzten Mal zuhause blieben, den Weg in die Wahlkabine gefunden. Dafür müsste man die Bürger im Nordosten doch eigentlich mal laut loben (aber vielleicht macht das ja unser Bundespräsident demnächst mal).

Und jetzt zum Wahlergebnis selbst. Es spricht dafür, dass die Bürger sehr viel klüger sind, als viele im politischen Betrieb ihnen zubilligen mögen. Einerseits haben sie nämlich dafür gesorgt, dass eine Landesregierung (SPD/CDU) und ein Ministerpräsident (SPD), die ihre Sache in der praktischen, alltäglichen Landespolitik wohl gar nicht so schlecht gemacht haben, weiterregieren können. Wie alle Erfahrungen zeigen, wählen die Bürger auf dieser Ebene eher nach Person und Ansehen – und weniger nach Parteibuch. Das ist im Westen ähnlich.

Andererseits haben die Menschen im Nordosten die Gelegenheit genutzt, ihr Unwohlsein über die Bundespolitik und insbesondere die der Bundeskanzlerin zum Ausdruck zu bringen. Zwar sackte auch die SPD mit 30,6 Prozent Stimmenanteil deutlich ab, die CDU (19 Prozent) fiel in Meckpomm aber hinter die AfD zurück, die aus dem Stand auf mehr als 20,8 Prozent kam und nun zweitstärkste Kraft im Landtag ist. Selbst im Wahlkreis der Kanzlerin kam die AfD auf 24,3 Prozent (Vorpommern-Rügen IV) und 25,7 Prozent (Vorpommern-Rügen V).

Ganz nebenbei verschwand die unappetitliche NPD aus dem Landtag, ein Kolateralnutzen des AfD-Aufstiegs. Die Wählerwanderungen zeigen, dass die AfD aber keineswegs nur von ein paar Radikalinskis und Abgehängten gewählt wird, sondern bis tief ins wohlhabendere und gebildete Milieu hinein Anhänger findet. Dahinter steckt auch eine interessante Lehre für die CSU: Würden die Bayern bundesweit antreten, ginge das mit Sicherheit auf Kosten der AfD. Die Bayern trauen sich aber nicht und mosern statt dessen weiter im Führerbunker vor sich hin.

"In solchen Gruppen verfestigt sich eine abgeschottete Bunkermentalität"

So war am Wahlabend schon wieder das ärmlich defensive Argument zu hören,  immerhin hätten fast 80 Prozent die AfD nicht gewählt. Das wird in einer sich selbst überwältigenden Logik als indirekte Zustimmung für Merkels Politik formuliert. Ist allerdings vollkommen gaga: Auch Frau Merkels Partei haben 80 Prozent nicht gewählt, genau genommen waren es sogar 81 Prozent. Und wenn man die Nichtwähler miteinbezieht, dann haben sogar rund 90 Prozent Frau Merkels Politik nicht gewählt. Zu allem Überfluss flogen auch noch die Grünen aus dem Schweriner Landtag.  Ob es für Merkels Traumkoalition mit den Özdemir & Co nach der nächsten Bundestagswahl reicht, scheint inzwischen auch zweifelhaft.

Die Politik der offenen Grenze für Zuwanderung wird der Bundeskanzlerin übel genommen, ihr stures verbales Festhalten daran als verbohrt und abgehoben empfunden. „Wenn Entscheidungsträger mentalitäts- und weltanschauungsmäßig einander zu ähnlich sind, werden sie leicht Opfer des Gruppendenkens“, schreibt der erwähnte James Surowiecki in „Die Weisheit der Vielen“. Weil Informationen, die konventionelle Weisheit in Frage stellen könnten, von vorne herein ausgeschlossen oder als offenkundig falsch abgetan werden. In solchen Gruppen verfestigt sich eine abgeschottete Bunkermentalität, die häufig zu vollkommen falschen Einschätzungen der tatsächlichen Lage führt."

Die Wahl in ihrem Heimatland verfolgte Frau Merkel von China aus – wahrscheinlich ging das auch nicht anders. Dennoch wurde auch dies als Zeichen gedeutet. Da ist eine, die ist längst in höhere internationalen Spähren abgehoben. Umgekehrt mag Frau Merkel gedacht haben: In Mecklenburg-Vorpommern fällt ein Sack Reis um. Es könnte allerdings sein, dass sie selbst das war.

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Leserpost

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Beatrice Hamberger / 06.09.2016

Es gibt genügend CDU-Wähler, die entsetzt sind über Merkels Flüchtlingskurs, aber nicht den Mumm haben, ein Kreuz bei der AfD zu machen. Man hat entweder Angst vor Rot-Rot-Grün oder glaubt, es gebe keinen Ersatz für Merkel (Führermentalität), oder man wählt die CDU, weil man sie immer schon gewählt hat, oder man findet die AfD zu schmuddelig. Wenn diese konservativ-ängstlichen Wähler raus aus ihrer Haut könnten, würden wir noch ganz andere Wahlergebnisse sehen.

Frederik Friedrich / 06.09.2016

Leider kann ich die Euphorie zum erhofften Ende der Ära Merkel nicht teilen: Genau genommen haben sich 80 % (in Worten “ACHZIG”!) der Wahlberechtigten aktiv oder passiv (als Nichtwähler) im Wesentlichen FÜR die Politik von Merkel und Gabriel und FÜR deren Fortsetzung ausgesprochen. Und nur 20 % haben für die AfD und kritische Kleinparteien gestimmt. Leider wird so herum ein Schuh daraus. Man kann auch sagen, dass 80 % der Bürger auch in MV die Blitzeinschläge um sich herum nicht bemerken. Erst wenn sie selber vom Blitz getroffen werden, würden sie aufwachen, aber dann ist es für die Meisten der “Getroffenen” bekanntlich zu spät. Ich habe die Rolle der Systemmedien für die Meinungsbildung im Zeitalter der elektronischen Medien mit ihren sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur allseitigen Information offensichtlich unterschätzt…

Andreas Rochow / 06.09.2016

Zu den Reaktionen des ö.-r. Journalismus auf die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern fiel mir in Anbetracht der relativierenden Purzelbäume der Begriff einer ignoranten Gegenöffentlichkeit ein. Besonders dreist waren Aussagen wie: “80 Prozent der Wähler haben immerhin demokratisch gewählt.” Auch zu den Motiven der zur AfD strömenden Wähler wurde die Leerschablone von den sich abgehängt fühlenden (!), also sich irrenden und von Rechtspopulisten getäuschten Protestwählern bemüht. Es ist ein Trauerspiel, dass sich große Teile des ö.-r. Journalismus der Rabulistik des Bundeskanzleramtes voll und ganz ergeben haben. Das Wahlvolk für scheinbesorgt, dumm bis dämlich zu erklären, lässt eher Rückschlüsse auf das Menschenbild der Politiker und Journalisten zu. Die trotzige Weigerung, die Realität zu erfassen, behindert das Nachdenken über Schlussfolgerungen. Auf medizinisch: Die falsche Diagnose führt zur unterlassenen oder falschen Therapie.

Dietrich Herrmann / 05.09.2016

Heute hat die Merkel sich ja aus China zur MP-Wahl gemeldet: Sturheit pur! Aber weil wir gerade in China sind, Frau Merkel: Wer gern Recht behält, den überhört man. Laotse Oder uralt: Mit einem einsichtslosen Menschen soll man kein Mitleid haben. Babylonischer Talmud Oder altgriechisch: O glaube mir, am schnellsten kommt zu Fall ein allzu starrer Sinn! Sophokles

Josef Kneip / 05.09.2016

Herr Golowko, Sie geben Merkel einen Rat? Nun, meiner Ansicht nach einen ungeeigneten Rat. Ein geeigneter Rat wäre, Merkel zum Rücktritt zu bewegen, statt das, was sie angerichtet hat auch noch auszusitzen, mit dem Hintergedanken, dass irgend wann Gras über alles wächst. Nein, das wird es nicht. Der Bürger hat langsam begriffen, dass Merkel Deutschland ruiniert. Je eher Merkel verschwindet, um so besser für Deutschland. Ich sage bewusst Deutschland, auch wenn es für einen Großteil unserer “Elite” ein Unwort geworden ist. Wie sagte Bernhard Vogel, ehe in Mainz das Handtuch werfen musste: Gott schütze Rheinland-Pfalz. Ich sage angesichts unseres derzeitigen Polit- und Medien-Establishments: Gott schütze Deutschland.

Wolfgang Richter / 05.09.2016

Nach welcher mathematischen Logik wird im Nordosten eigentlich ausgezählt, wenn eine Koalition aus SPD u. Links mit zusammen 43 % der Wählerstimmen zu einer absoluten Mehrheit an besetzten Parlamentarierstühlen führt? Die Verabschiedung der Grünen aus dem Landtag wird aber auch nichts ändern, z. B. zum Bereinigen der Landschaft durch Abbau auch nur eines der diese verschandelnden Großpropellers führen. Unterm Strich ändert sich nichts. Die AfD wird weiterhin als von Xenophoben u. überwiegend Bildungsfernen ge- wählt in die Ecke der politischen Schmuddelkinder verbannt, unter Ausblendung, die viele der Mitglieder früher bei der Ex-Volkspartei CDU waren u. die Wähler von allen anderen Parteien abgewandert sind. Schön heute morgen ein Kommentar von einer sog. Expertin des ZDF, die den Unterschied machte zwischen der AfD und den “demokratischen Parteien” im Lande. Diese Formulierung spricht für sich u. für die Unbelehrbarkeit der selbst ernannten Moralhoheitler im Lande.

Daniel Briner / 05.09.2016

Merkel’s diktatorische Flüchtlings-Politik war sicherlich schon für die hauchdünne Mehrheit beim Brexit hauptverantwortlich; so von südlich aussen betrachtet sind für mich in Deutschland ja alle etablierten Parteien vor allem Eines, durch und durch Sozialistisch. Unterschiede sind da nur noch Symbolische, da haben wir Solidarischrote Sozialisten, ganz viel und klein wenig Christlichorange Sozialisten, kommunistischrote Sozialisten, unreifrote Grünsozialisten, somalsogelbe Liberalsozialisten und unumerzogene Neunationalsozialisten. Angesichts dieser Auswahl erschliesst es sich mir einerseits nicht ganz, was der Präsident des Zentralrats der Juden genau meinte, wenn er heute verlautbart “Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, sondern ein Armutszeugnis für Deutschland.” Und andererseits Sie hier schreiben “Die Wählerwanderungen zeigen, dass die AfD aber keineswegs nur von ein paar Radikalinskis und Abgehängten gewählt wird, sondern bis tief ins wohlhabendere und gebildete Milieu hinein Anhänger findet.” Ich denke, der Hauptgrund ist, zumindest was die AfD Wählerschaft betrifft, sie hat einfach von der sozialistischstaatlichen Selbstbedienungsmentalität des ehedem weiter herrschenden Politadels die Nase gestrichen voll. Die ominöse Wählermehrheit möchte eben das halbe Jahr für all diese Funktionäre die Löhne und Renten erarbeiten und alle diese buntfetten Fördermassnahmentöpfe auffüllen; klar, wenn man eben nur davon und daraus überleben kann. Selbständigkeit und Eigenverantwortung sind in Deutschland doch längst nur noch Anglizismen, nein, eigentlich waren sie es doch irgendwie schon immer.

Grigori Golowko / 05.09.2016

Das gestrige Wahlergebnis für die AfD mit 20.8% in MV konnte nach den Landtagswahlen in Ba Wü (15.1% AfD) bzw. Sachsen-Anhalt (24.3% AfD) wohl niemanden wirklich überraschen, manche Kommentare die nun das Ende der Ära Merkel am Horizont sehen, sind nicht nachvollziehbar. Angela Merkel profitiert davon, dass es in der Union keine personelle Alternative zu ihr gibt und Bundestagswahlen sind eine andere Geschichte als Landtagswahlen. Wenn man ihr einen Rat geben kann, dann sollte sie die “Methode Kohl” -also das Aussitzen- verfolgen.

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