Beda M. Stadler, Gastautor / 18.02.2009 / 11:47 / 0 / Seite ausdrucken

Eine Schrott-Idee

In der Krise tauchen die seltsamsten Ideen auf: Wer sein altes Auto verschrotten lässt und dafür ein energieeffizientes neues ersteht, soll nun auch in der Schweiz mit einer Prämie von 3000 Franken belohnt werden. Das freut Staat und Autohändler bloss die Umwelt nicht…

 

Allen ist das Geld ausgegangen, ausser Warren Buffett und dem Staat. Jeder Patient kriegt jetzt eine staatliche Finanzspritze. Mit unseren Steuern werden wir dies berappen, dazu muss man aber den Konsum wieder andrehen. In unseren Nachbarländern ködert man deshalb den Konsumenten mit Rabatten, falls er seine alte Karre verschrottet. Da kann die Schweiz doch nicht hintanstehen. Im März wollen Ulrich Giezendanner (SVP) und Bastien Girod (Grüne) die Schrottidee, die so gar nicht in ihre Parteiprogramme passt, als Motion einreichen. Eine Verschrottungspauschale von 3000 Franken wird in Aussicht gestellt, falls ein mindestens zehnjähriges Auto durch ein energieeffizientes neues ersetzt wird.

Wo bleibt da das Herz für die Natur? Woher die plötzliche Liebe der Politiker für den Umweltsünder Automobil? Hat man sich nicht heftig Mühe gegeben, das Pflanzen spriessen lassende CO2 zu einem Gift zu machen? Man könnte meinen, neue Autos wären CO2-neutral. Vergessen sind die Zeiten, in denen das Auto als CO2-Schleuder diffamiert wurde.

Präsident Obama möchte vor allem energieeffiziente Autos auf der Strasse sehen und sieht daher die global gesetzten Energieeinsparungsziele noch nicht in Gefahr. Dem Popstar der Politik eifern alle nach, so wundert es nicht, dass auch die Schweiz auf den Schrottzug aufgesprungen ist. Mehr batteriegetriebene Fahrzeuge, Hybride, sollen das Gewissen beim Neukauf erleichtern.

In Amerika rechnet man mit einem durchschnittlichen Neupreis von 40 000 Dollar für ein Hybridfahrzeug, das sind 17 000 Dollar mehr als für ein konventionelles Auto. Vor allem in der Batterie liegen die Mehrkosten; und deren Produktion führte zu erheblichen CO2-Emissionen. Eine grüne Seele vergisst das und wird nicht nachrechnen, wie viele Kilometer gefahren werden müssen, bis sich der geringere Benzinverbrauch des Hybriden rechnet. Ein Umweltbewusster darf sich auch nicht damit belügen, dass seine Batterie ausschliesslich mit einer CO2-armen Produktionsweise wie Kernenergie hergestellt wurde. Der Forschungsdienst des amerikanischen Kongresses (CRS) stellt in seinem neuesten Bericht («Carbon Control in the U.S. Electricity Sector: Key Implementation Uncertainties») fest, dass der vermehrte Einsatz von Hybridfahrzeugen bis zum Jahr 2030 praktisch keine Einsparung bringt und sogar zu einer stärkeren CO2-Emission führen wird.

Für Grüne und grün angehauchte Politiker kommt eine schwierige Zeit. Wie erklärt man die neue Priorität in der Politik: Geld vor Umwelt? Wer in erster Linie die Welt retten will, müsste weiterhin sein altes Auto fahren, ausser er will mit dem neuen Auto erst in ein paar Jahren, wenn die durch die Produktion angehäufte CO2-Schuld abbezahlt ist, etwas für die Umwelt tun. Wer ein neues Auto braucht und sogleich nachhaltig sein will, sollte einen Gebrauchtwagen kaufen, der die CO2-Last der Produktion längst abbezahlt hat. Der erste Besitzer des Gebrauchtwagens hinterlässt dem Käufer ein ideales Recycling-Produkt.

Rechnen Sie selbst: Sie kaufen einen Hybriden, der produktionsbedingt eine Benzinschuld in der Grösse von umgerechnet 3800 Litern auf dem Buckel hat und von nun an 5 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Ich habe hingegen einen gebrauchten Offroader gekauft, der 11 Liter säuft. Bis wir beide ökologisch quitt sind, kann ich also etwa 70 000 Kilometer fahren: Das sind für uns zwei etwa sieben Jahre bis zum CO2-Gleichstand. Falls Ihr Hybride bis dann noch eine funktionstüchtige Batterie hat, wäre er eine ganz vernünftige Occasion.

Die Autoverschrottprämie ist also ein geistiger Spagat, der sich höchstens in ferner Zukunft rechnet. Besser wäre es zuzugeben, dass die CO2-Einspar-Massnahmen einer geistigen Verwirrung entsprangen. Es gibt genügend Klimatologen, die bezweifeln, dass CO2 die Hauptursache für die Klimaerwärmung ist. Das sind keine Klimaleugner, sie weisen nur auf die Tatsache hin, dass in den vergangenen Jahrtausenden immer zuerst die Temperatur, dann erst der CO2-Wert anstieg. Politiker, die CO2 zu einem Quasigiftgas gestempelt haben, sollten sich bei den Pflanzen entschuldigen und über mögliche Vorteile einer Klimaerwärmung nachdenken. Beginnen könnte man mit dem Rückzug der Offroader-Initiative und der Einsicht, dass es billiger sein wird, ein Haus zu kühlen, als es zu heizen. Gleichzeitig wären wir eine der verrücktesten Ideen los, den Ablasshandel mit CO2. Damit wäre der Geist so weit geläutert, dass neue technische Lösungen zum Wohle von uns Menschen verkauft werden könnten. Neue Autos, neue alte Energiequellen (richtig, sogar über Kernkraftwerke muss diskutiert werden) und neue Landwirtschaftsprodukte werden in einer wärmeren Welt notwendig. Vorerst muss man bereit sein, alte Ideen zu verschrotten. Der Autofriedhof könnte da zum Symbol einer modernen Energiepolitik werden.

Zuerst erschienen in DIE WELTWOCHE Nr. 07/2009

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